Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

vergaß Carino und daß er diesen hatte ansprechen,
sich ihm entdecken, seinen Rath und Beistand erbitten
wollen! Er vergaß Alles und folgte der Fremden, die
sich, an ihres Begleiters Seite unaufhörlich nach ihm
umdrehte, um sich zu überzeugen, ob er auch ihre
Fährte nicht verliere.

Jn das Thor eines großen Hotels bogen die
beiden ein.

Er blieb an der andern Seite der Gasse stehen,
wie wenn er nach einer Hausnummer suchte, ver-
säumte dabei nicht, nach ihr zu schielen; und empfing
ein mimisches Zeichen, welches er sich so auslegte,
daß er an Ort und Stelle harren möge.

So war es denn auch gemeint, denn nach Ver-
lauf weniger Minuten flog ein Fünffrankenstück in
Papier gewickelt, zu seinen Füßen.

Ein Savoyard, der sein Murmelthier (welches
wohl auch lieber den tanzlosen Winterschlaf abgehal-
ten hätte) dicht nebenbei tanzen ließ, wähnte die
reiche Gabe gelte ihm und stürzte so rasch darauf
hin, daß sein Kopf mit Anton's Kopf heftig gegen
einander schlug und beider Hände sich berührten.

Wir theilen, rief Anton: der Jnhalt für Dich
und der Umschlag für mich!

Die Vagabunden. II. 18

vergaß Carino und daß er dieſen hatte anſprechen,
ſich ihm entdecken, ſeinen Rath und Beiſtand erbitten
wollen! Er vergaß Alles und folgte der Fremden, die
ſich, an ihres Begleiters Seite unaufhoͤrlich nach ihm
umdrehte, um ſich zu uͤberzeugen, ob er auch ihre
Faͤhrte nicht verliere.

Jn das Thor eines großen Hôtels bogen die
beiden ein.

Er blieb an der andern Seite der Gaſſe ſtehen,
wie wenn er nach einer Hausnummer ſuchte, ver-
ſaͤumte dabei nicht, nach ihr zu ſchielen; und empfing
ein mimiſches Zeichen, welches er ſich ſo auslegte,
daß er an Ort und Stelle harren moͤge.

So war es denn auch gemeint, denn nach Ver-
lauf weniger Minuten flog ein Fuͤnffrankenſtuͤck in
Papier gewickelt, zu ſeinen Fuͤßen.

Ein Savoyard, der ſein Murmelthier (welches
wohl auch lieber den tanzloſen Winterſchlaf abgehal-
ten haͤtte) dicht nebenbei tanzen ließ, waͤhnte die
reiche Gabe gelte ihm und ſtuͤrzte ſo raſch darauf
hin, daß ſein Kopf mit Anton’s Kopf heftig gegen
einander ſchlug und beider Haͤnde ſich beruͤhrten.

Wir theilen, rief Anton: der Jnhalt fuͤr Dich
und der Umſchlag fuͤr mich!

Die Vagabunden. II. 18
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0275" n="273"/>
vergaß Carino und daß er die&#x017F;en hatte an&#x017F;prechen,<lb/>
&#x017F;ich ihm entdecken, &#x017F;einen Rath und Bei&#x017F;tand erbitten<lb/>
wollen! Er vergaß Alles und folgte der Fremden, die<lb/>
&#x017F;ich, an ihres Begleiters Seite unaufho&#x0364;rlich nach ihm<lb/>
umdrehte, um &#x017F;ich zu u&#x0364;berzeugen, ob er auch ihre<lb/>
Fa&#x0364;hrte nicht verliere.</p><lb/>
        <p>Jn das Thor eines großen H<hi rendition="#aq">ô</hi>tels bogen die<lb/>
beiden ein.</p><lb/>
        <p>Er blieb an der andern Seite der Ga&#x017F;&#x017F;e &#x017F;tehen,<lb/>
wie wenn er nach einer Hausnummer &#x017F;uchte, ver-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;umte dabei nicht, nach <hi rendition="#g">ihr</hi> zu &#x017F;chielen; und empfing<lb/>
ein mimi&#x017F;ches Zeichen, welches er &#x017F;ich &#x017F;o auslegte,<lb/>
daß er an Ort und Stelle harren mo&#x0364;ge.</p><lb/>
        <p>So war es denn auch gemeint, denn nach Ver-<lb/>
lauf weniger Minuten flog ein Fu&#x0364;nffranken&#x017F;tu&#x0364;ck in<lb/>
Papier gewickelt, zu &#x017F;einen Fu&#x0364;ßen.</p><lb/>
        <p>Ein Savoyard, der &#x017F;ein Murmelthier (welches<lb/>
wohl auch lieber den tanzlo&#x017F;en Winter&#x017F;chlaf abgehal-<lb/>
ten ha&#x0364;tte) dicht nebenbei tanzen ließ, wa&#x0364;hnte die<lb/>
reiche Gabe gelte ihm und &#x017F;tu&#x0364;rzte &#x017F;o ra&#x017F;ch darauf<lb/>
hin, daß &#x017F;ein Kopf mit Anton&#x2019;s Kopf heftig gegen<lb/>
einander &#x017F;chlug und beider Ha&#x0364;nde &#x017F;ich beru&#x0364;hrten.</p><lb/>
        <p>Wir theilen, rief Anton: der Jnhalt fu&#x0364;r Dich<lb/>
und der Um&#x017F;chlag fu&#x0364;r mich!</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">Die Vagabunden. <hi rendition="#aq">II.</hi> 18</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0275] vergaß Carino und daß er dieſen hatte anſprechen, ſich ihm entdecken, ſeinen Rath und Beiſtand erbitten wollen! Er vergaß Alles und folgte der Fremden, die ſich, an ihres Begleiters Seite unaufhoͤrlich nach ihm umdrehte, um ſich zu uͤberzeugen, ob er auch ihre Faͤhrte nicht verliere. Jn das Thor eines großen Hôtels bogen die beiden ein. Er blieb an der andern Seite der Gaſſe ſtehen, wie wenn er nach einer Hausnummer ſuchte, ver- ſaͤumte dabei nicht, nach ihr zu ſchielen; und empfing ein mimiſches Zeichen, welches er ſich ſo auslegte, daß er an Ort und Stelle harren moͤge. So war es denn auch gemeint, denn nach Ver- lauf weniger Minuten flog ein Fuͤnffrankenſtuͤck in Papier gewickelt, zu ſeinen Fuͤßen. Ein Savoyard, der ſein Murmelthier (welches wohl auch lieber den tanzloſen Winterſchlaf abgehal- ten haͤtte) dicht nebenbei tanzen ließ, waͤhnte die reiche Gabe gelte ihm und ſtuͤrzte ſo raſch darauf hin, daß ſein Kopf mit Anton’s Kopf heftig gegen einander ſchlug und beider Haͤnde ſich beruͤhrten. Wir theilen, rief Anton: der Jnhalt fuͤr Dich und der Umſchlag fuͤr mich! Die Vagabunden. II. 18

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/275
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/275>, abgerufen am 23.06.2024.