Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

theil, weil die Bildung viel Mühe macht und mir die
Nerven angreift; zweitens kennt man nur wieder,
was man einmal erkannt hat, -- und ich bin Jhnen
von jeher ziemlich gleichgültig gewesen!

Dagegen erkannte ich Sie augenblicklich. Und
das ist auch leicht zu begreifen. Sie haben sich wenig
verändert, oder gar nicht, -- außer daß Sie ein
Mann geworden sind. Und, was man liebt, vergißt
man nicht.

Jch verzehre mich in Neugier, zu erfahren, was
sich mit Jhnen begab, seitdem wir uns trennten;
nicht minder, was Sie hier treiben. Damit ich Jhnen
nun eine Verbindlichkeit auferlege, mir Jhre Geschichte
zu erzählen, hören Sie zuerst die meinige. Ein Ver-
trauen ist dann des anderen werth. Jch will aufrich-
tig sein und erwarte von Jhnen dasselbe.

Gleich nachdem ich Theodors Maitresse geworden,
in meinen vier Pfählen saß, begriff ich, daß mir Noth
thue zu gewinnen, was man äußeren Anstrich nennt.
Für die Haut war bald gesorgt; diese streicht man
wirklich an, wie Sie heute Vormittag an der meini-
gen bemerkt haben werden! doch auch den sogenann-
ten Anstrich von Erziehung mußte ich erringen, wollt'
ich mich auf meinem Platze behaupten. Eure deutsche

theil, weil die Bildung viel Muͤhe macht und mir die
Nerven angreift; zweitens kennt man nur wieder,
was man einmal erkannt hat, — und ich bin Jhnen
von jeher ziemlich gleichguͤltig geweſen!

Dagegen erkannte ich Sie augenblicklich. Und
das iſt auch leicht zu begreifen. Sie haben ſich wenig
veraͤndert, oder gar nicht, — außer daß Sie ein
Mann geworden ſind. Und, was man liebt, vergißt
man nicht.

Jch verzehre mich in Neugier, zu erfahren, was
ſich mit Jhnen begab, ſeitdem wir uns trennten;
nicht minder, was Sie hier treiben. Damit ich Jhnen
nun eine Verbindlichkeit auferlege, mir Jhre Geſchichte
zu erzaͤhlen, hoͤren Sie zuerſt die meinige. Ein Ver-
trauen iſt dann des anderen werth. Jch will aufrich-
tig ſein und erwarte von Jhnen daſſelbe.

Gleich nachdem ich Theodors Maitreſſe geworden,
in meinen vier Pfaͤhlen ſaß, begriff ich, daß mir Noth
thue zu gewinnen, was man aͤußeren Anſtrich nennt.
Fuͤr die Haut war bald geſorgt; dieſe ſtreicht man
wirklich an, wie Sie heute Vormittag an der meini-
gen bemerkt haben werden! doch auch den ſogenann-
ten Anſtrich von Erziehung mußte ich erringen, wollt’
ich mich auf meinem Platze behaupten. Eure deutſche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0278" n="276"/>
theil, weil die Bildung viel Mu&#x0364;he macht und mir die<lb/>
Nerven angreift; zweitens kennt man nur wieder,<lb/>
was man einmal erkannt hat, &#x2014; und ich bin Jhnen<lb/>
von jeher ziemlich gleichgu&#x0364;ltig gewe&#x017F;en!</p><lb/>
        <p>Dagegen erkannte ich Sie augenblicklich. Und<lb/>
das i&#x017F;t auch leicht zu begreifen. Sie haben &#x017F;ich wenig<lb/>
vera&#x0364;ndert, oder gar nicht, &#x2014; außer daß Sie ein<lb/>
Mann geworden &#x017F;ind. Und, was man liebt, vergißt<lb/>
man nicht.</p><lb/>
        <p>Jch verzehre mich in Neugier, zu erfahren, was<lb/>
&#x017F;ich mit Jhnen begab, &#x017F;eitdem wir uns trennten;<lb/>
nicht minder, was Sie hier treiben. Damit ich Jhnen<lb/>
nun eine Verbindlichkeit auferlege, mir Jhre Ge&#x017F;chichte<lb/>
zu erza&#x0364;hlen, ho&#x0364;ren Sie zuer&#x017F;t die meinige. Ein Ver-<lb/>
trauen i&#x017F;t dann des anderen werth. Jch will aufrich-<lb/>
tig &#x017F;ein und erwarte von Jhnen da&#x017F;&#x017F;elbe.</p><lb/>
        <p>Gleich nachdem ich Theodors Maitre&#x017F;&#x017F;e geworden,<lb/>
in meinen vier Pfa&#x0364;hlen &#x017F;aß, begriff ich, daß mir Noth<lb/>
thue zu gewinnen, was man a&#x0364;ußeren An&#x017F;trich nennt.<lb/>
Fu&#x0364;r die Haut war bald ge&#x017F;orgt; die&#x017F;e &#x017F;treicht man<lb/>
wirklich an, wie Sie heute Vormittag an der meini-<lb/>
gen bemerkt haben werden! doch auch den &#x017F;ogenann-<lb/>
ten An&#x017F;trich von Erziehung mußte ich erringen, wollt&#x2019;<lb/>
ich mich auf meinem Platze behaupten. Eure deut&#x017F;che<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0278] theil, weil die Bildung viel Muͤhe macht und mir die Nerven angreift; zweitens kennt man nur wieder, was man einmal erkannt hat, — und ich bin Jhnen von jeher ziemlich gleichguͤltig geweſen! Dagegen erkannte ich Sie augenblicklich. Und das iſt auch leicht zu begreifen. Sie haben ſich wenig veraͤndert, oder gar nicht, — außer daß Sie ein Mann geworden ſind. Und, was man liebt, vergißt man nicht. Jch verzehre mich in Neugier, zu erfahren, was ſich mit Jhnen begab, ſeitdem wir uns trennten; nicht minder, was Sie hier treiben. Damit ich Jhnen nun eine Verbindlichkeit auferlege, mir Jhre Geſchichte zu erzaͤhlen, hoͤren Sie zuerſt die meinige. Ein Ver- trauen iſt dann des anderen werth. Jch will aufrich- tig ſein und erwarte von Jhnen daſſelbe. Gleich nachdem ich Theodors Maitreſſe geworden, in meinen vier Pfaͤhlen ſaß, begriff ich, daß mir Noth thue zu gewinnen, was man aͤußeren Anſtrich nennt. Fuͤr die Haut war bald geſorgt; dieſe ſtreicht man wirklich an, wie Sie heute Vormittag an der meini- gen bemerkt haben werden! doch auch den ſogenann- ten Anſtrich von Erziehung mußte ich erringen, wollt’ ich mich auf meinem Platze behaupten. Eure deutſche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/278
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/278>, abgerufen am 24.11.2024.