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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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sich in jüngstvergangener Nacht vom obersten Dach-
boden in die Gasse gestürzt; man hat bei Tages-
Anbruch den zerschmetterten, fast unkenntlichen Leich-
nam auf dem Straßenpflaster gefunden."

Diese Nachricht gab der vielbeschäftigte Mann
wie eine gewöhnliche Neuigkeit, erkundigte sich, ob
der Herr Baron sonst noch etwas zu befehlen habe?
Und ging, durch ein "merci, non!" verabschiedet,
fröhlich und guter Dinge davon. -- -- --

Also deshalb konnt ich schlafen? murmelte
Anton düsteren Blickes vor sich hin. Die Zaubrerin
ist todt! Der Zauber ist gebrochen.

Meine schöne Feindin ist todt.

Todt! Bärbel todt! Die anmuthvolle, üppige
Gestalt; die glatten Schlangenglieder, die mich
tausendmal umwanden; der schlanke Hals; die zarte
Brust ... zerbrochen, entstellt, blutig, mit Straßen-
schmutz befleckt ... das wilde, feurige Antlitz unkennt-
lich .... ihr Auge starr .... und meinetwillen! Ja
meinetwillen!!

Aber dennoch kommt ihr Blut nicht über mich!

Unschuldig bin ich dennoch an ihrem Tode. Sie
hat größere Schuld gegen mich; sie hat mich mir
selbst geraubt; ich war ihre Beute. Nur ihr Tod

ſich in juͤngſtvergangener Nacht vom oberſten Dach-
boden in die Gaſſe geſtuͤrzt; man hat bei Tages-
Anbruch den zerſchmetterten, faſt unkenntlichen Leich-
nam auf dem Straßenpflaſter gefunden.“

Dieſe Nachricht gab der vielbeſchaͤftigte Mann
wie eine gewoͤhnliche Neuigkeit, erkundigte ſich, ob
der Herr Baron ſonſt noch etwas zu befehlen habe?
Und ging, durch ein „merci, non!“ verabſchiedet,
froͤhlich und guter Dinge davon. — — —

Alſo deshalb konnt ich ſchlafen? murmelte
Anton duͤſteren Blickes vor ſich hin. Die Zaubrerin
iſt todt! Der Zauber iſt gebrochen.

Meine ſchoͤne Feindin iſt todt.

Todt! Baͤrbel todt! Die anmuthvolle, uͤppige
Geſtalt; die glatten Schlangenglieder, die mich
tauſendmal umwanden; der ſchlanke Hals; die zarte
Bruſt ... zerbrochen, entſtellt, blutig, mit Straßen-
ſchmutz befleckt ... das wilde, feurige Antlitz unkennt-
lich .... ihr Auge ſtarr .... und meinetwillen! Ja
meinetwillen!!

Aber dennoch kommt ihr Blut nicht uͤber mich!

Unſchuldig bin ich dennoch an ihrem Tode. Sie
hat groͤßere Schuld gegen mich; ſie hat mich mir
ſelbſt geraubt; ich war ihre Beute. Nur ihr Tod

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[328/0330] ſich in juͤngſtvergangener Nacht vom oberſten Dach- boden in die Gaſſe geſtuͤrzt; man hat bei Tages- Anbruch den zerſchmetterten, faſt unkenntlichen Leich- nam auf dem Straßenpflaſter gefunden.“ Dieſe Nachricht gab der vielbeſchaͤftigte Mann wie eine gewoͤhnliche Neuigkeit, erkundigte ſich, ob der Herr Baron ſonſt noch etwas zu befehlen habe? Und ging, durch ein „merci, non!“ verabſchiedet, froͤhlich und guter Dinge davon. — — — Alſo deshalb konnt ich ſchlafen? murmelte Anton duͤſteren Blickes vor ſich hin. Die Zaubrerin iſt todt! Der Zauber iſt gebrochen. Meine ſchoͤne Feindin iſt todt. Todt! Baͤrbel todt! Die anmuthvolle, uͤppige Geſtalt; die glatten Schlangenglieder, die mich tauſendmal umwanden; der ſchlanke Hals; die zarte Bruſt ... zerbrochen, entſtellt, blutig, mit Straßen- ſchmutz befleckt ... das wilde, feurige Antlitz unkennt- lich .... ihr Auge ſtarr .... und meinetwillen! Ja meinetwillen!! Aber dennoch kommt ihr Blut nicht uͤber mich! Unſchuldig bin ich dennoch an ihrem Tode. Sie hat groͤßere Schuld gegen mich; ſie hat mich mir ſelbſt geraubt; ich war ihre Beute. Nur ihr Tod

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/330>, abgerufen am 18.05.2024.