Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite
Fünfunddreißigstes Kapitel.

Anton fühlt sich vereinsamt. Er faßt den Entschluß, Schauspieler zu werden
und wendet sich an den größten, den er kennt. Was dieser von der Bühne
denkt und von sich. Wie Anton seinen Entschluß wieder fallen läßt.

Erst nachdem Anton einige Stunden allein ge-
blieben, wurd' es ihm weh um's Herz, daß die Jar-
tour ihn verlassen. Er rief sich das Benehmen dieses
eigenthümlichen Mädchens vom ersten Tage seines
Antrittes bei Guillaume bis heute in's Gedächtniß
und fand durch aufmerksames Vergleichen und Er-
wägen aller einzelnen Umstände die auffallendste Be-
stätigung ihrer zuletzt an ihn gerichteten Bekenntnisse.
Nur zwischen dieser unerwartet hastigen Abreise und
jener Bereitwilligkeit, womit sie sorglos und gleich-
gültig gegen ihre Engagements-Verpflichtungen, als
seine Pflegerin zurückgeblieben war, schien ihm ein
Widerspruch zu liegen, dessen Lösung er vergebens
aufsuchte, und der ihn, je länger er sich abmühete ihn
aufzuklären, desto heftiger beunruhigte. Es mischten
sich allerlei wechselnde Gefühle in diese Unruhe.
Zärtlichkeit war auch dabei. Zärtliche, wehmüthige
Sehnsucht nach einer so edelgesinnten, uneigennützigen,
seltenen Freundin. Einigemale schon stand er im
Begriff, nach ihrer Wohnung zu eilen, sie vor der

Fünfunddreißigſtes Kapitel.

Anton fühlt ſich vereinſamt. Er faßt den Entſchluß, Schauſpieler zu werden
und wendet ſich an den größten, den er kennt. Was dieſer von der Bühne
denkt und von ſich. Wie Anton ſeinen Entſchluß wieder fallen läßt.

Erſt nachdem Anton einige Stunden allein ge-
blieben, wurd’ es ihm weh um’s Herz, daß die Jar-
tour ihn verlaſſen. Er rief ſich das Benehmen dieſes
eigenthuͤmlichen Maͤdchens vom erſten Tage ſeines
Antrittes bei Guillaume bis heute in’s Gedaͤchtniß
und fand durch aufmerkſames Vergleichen und Er-
waͤgen aller einzelnen Umſtaͤnde die auffallendſte Be-
ſtaͤtigung ihrer zuletzt an ihn gerichteten Bekenntniſſe.
Nur zwiſchen dieſer unerwartet haſtigen Abreiſe und
jener Bereitwilligkeit, womit ſie ſorglos und gleich-
guͤltig gegen ihre Engagements-Verpflichtungen, als
ſeine Pflegerin zuruͤckgeblieben war, ſchien ihm ein
Widerſpruch zu liegen, deſſen Loͤſung er vergebens
aufſuchte, und der ihn, je laͤnger er ſich abmuͤhete ihn
aufzuklaͤren, deſto heftiger beunruhigte. Es miſchten
ſich allerlei wechſelnde Gefuͤhle in dieſe Unruhe.
Zaͤrtlichkeit war auch dabei. Zaͤrtliche, wehmuͤthige
Sehnſucht nach einer ſo edelgeſinnten, uneigennuͤtzigen,
ſeltenen Freundin. Einigemale ſchon ſtand er im
Begriff, nach ihrer Wohnung zu eilen, ſie vor der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0094" n="92"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Fünfunddreißig&#x017F;tes Kapitel.</hi> </head><lb/>
        <argument>
          <p> <hi rendition="#c">Anton fühlt &#x017F;ich verein&#x017F;amt. Er faßt den Ent&#x017F;chluß, Schau&#x017F;pieler zu werden<lb/>
und wendet &#x017F;ich an den größten, den er kennt. Was die&#x017F;er von der Bühne<lb/>
denkt und von &#x017F;ich. Wie Anton &#x017F;einen Ent&#x017F;chluß wieder fallen läßt.</hi> </p>
        </argument><lb/>
        <p>Er&#x017F;t nachdem Anton einige Stunden allein ge-<lb/>
blieben, wurd&#x2019; es ihm weh um&#x2019;s Herz, daß die Jar-<lb/>
tour ihn verla&#x017F;&#x017F;en. Er rief &#x017F;ich das Benehmen die&#x017F;es<lb/>
eigenthu&#x0364;mlichen Ma&#x0364;dchens vom er&#x017F;ten Tage &#x017F;eines<lb/>
Antrittes bei Guillaume bis heute in&#x2019;s Geda&#x0364;chtniß<lb/>
und fand durch aufmerk&#x017F;ames Vergleichen und Er-<lb/>
wa&#x0364;gen aller einzelnen Um&#x017F;ta&#x0364;nde die auffallend&#x017F;te Be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;tigung ihrer zuletzt an ihn gerichteten Bekenntni&#x017F;&#x017F;e.<lb/>
Nur zwi&#x017F;chen die&#x017F;er unerwartet ha&#x017F;tigen Abrei&#x017F;e und<lb/>
jener Bereitwilligkeit, womit &#x017F;ie &#x017F;orglos und gleich-<lb/>
gu&#x0364;ltig gegen ihre Engagements-Verpflichtungen, als<lb/>
&#x017F;eine Pflegerin zuru&#x0364;ckgeblieben war, &#x017F;chien ihm ein<lb/>
Wider&#x017F;pruch zu liegen, de&#x017F;&#x017F;en Lo&#x0364;&#x017F;ung er vergebens<lb/>
auf&#x017F;uchte, und der ihn, je la&#x0364;nger er &#x017F;ich abmu&#x0364;hete ihn<lb/>
aufzukla&#x0364;ren, de&#x017F;to heftiger beunruhigte. Es mi&#x017F;chten<lb/>
&#x017F;ich allerlei wech&#x017F;elnde Gefu&#x0364;hle in die&#x017F;e Unruhe.<lb/>
Za&#x0364;rtlichkeit war auch dabei. Za&#x0364;rtliche, wehmu&#x0364;thige<lb/>
Sehn&#x017F;ucht nach einer &#x017F;o edelge&#x017F;innten, uneigennu&#x0364;tzigen,<lb/>
&#x017F;eltenen Freundin. Einigemale &#x017F;chon &#x017F;tand er im<lb/>
Begriff, nach ihrer Wohnung zu eilen, &#x017F;ie vor der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0094] Fünfunddreißigſtes Kapitel. Anton fühlt ſich vereinſamt. Er faßt den Entſchluß, Schauſpieler zu werden und wendet ſich an den größten, den er kennt. Was dieſer von der Bühne denkt und von ſich. Wie Anton ſeinen Entſchluß wieder fallen läßt. Erſt nachdem Anton einige Stunden allein ge- blieben, wurd’ es ihm weh um’s Herz, daß die Jar- tour ihn verlaſſen. Er rief ſich das Benehmen dieſes eigenthuͤmlichen Maͤdchens vom erſten Tage ſeines Antrittes bei Guillaume bis heute in’s Gedaͤchtniß und fand durch aufmerkſames Vergleichen und Er- waͤgen aller einzelnen Umſtaͤnde die auffallendſte Be- ſtaͤtigung ihrer zuletzt an ihn gerichteten Bekenntniſſe. Nur zwiſchen dieſer unerwartet haſtigen Abreiſe und jener Bereitwilligkeit, womit ſie ſorglos und gleich- guͤltig gegen ihre Engagements-Verpflichtungen, als ſeine Pflegerin zuruͤckgeblieben war, ſchien ihm ein Widerſpruch zu liegen, deſſen Loͤſung er vergebens aufſuchte, und der ihn, je laͤnger er ſich abmuͤhete ihn aufzuklaͤren, deſto heftiger beunruhigte. Es miſchten ſich allerlei wechſelnde Gefuͤhle in dieſe Unruhe. Zaͤrtlichkeit war auch dabei. Zaͤrtliche, wehmuͤthige Sehnſucht nach einer ſo edelgeſinnten, uneigennuͤtzigen, ſeltenen Freundin. Einigemale ſchon ſtand er im Begriff, nach ihrer Wohnung zu eilen, ſie vor der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/94
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/94>, abgerufen am 18.05.2024.