Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Abreise noch zu sehen, ihr die Zusicherungen aufrich-
tigster Freundschaft nachzurufen! Dann wieder hielt
ihn die Ueberlegung zurück, daß er ihr in wenigen
Tagen folgen, mit ihr zusammen sein, stündlich Ge-
legenheit finden werde, sie von seiner anhänglichen,
dankbaren Treue zu überzeugen. Und wenn dieser
Gedanke ihn tröstend anlächelte; wenn die Aussicht,
neben ihr wieder den erwählten Beruf anzutreten,
ihn der Jartour zu Liebe beruhigte, -- konnte er
sich dabei doch nicht verhehlen, daß für ihn selbst eine
mehr als bange Vorahnung damit verbunden sei!
Um so länger, je vaguer und unbestimmter dieselbe
in seinem Jnnern waltete.

"Meinen Beruf wieder antreten?" Und worin
bestand denn sein Beruf? Darin, jeden Morgen zu
üben, was er am Abend vor hundert, oder tausend
neugierigen gedankenlosen Gaffern gedankenlos wie-
derholen sollte. Einen Abend wie den andern; ohne
Beschäftigung des Verstandes, ohne Theilnahme des
Gemüthes. Ohne das Bewußtsein auch nur in irgend
einer Seele, bessere, edlere Regungen dadurch hervor-
zubringen. Freilich, wendete er sich selbst wieder ein,
werd' ich nicht stehen bleiben, bei dem, was ich jetzt
leiste! Jch werde weiter streben, größere Fertigkeit

Abreiſe noch zu ſehen, ihr die Zuſicherungen aufrich-
tigſter Freundſchaft nachzurufen! Dann wieder hielt
ihn die Ueberlegung zuruͤck, daß er ihr in wenigen
Tagen folgen, mit ihr zuſammen ſein, ſtuͤndlich Ge-
legenheit finden werde, ſie von ſeiner anhaͤnglichen,
dankbaren Treue zu uͤberzeugen. Und wenn dieſer
Gedanke ihn troͤſtend anlaͤchelte; wenn die Ausſicht,
neben ihr wieder den erwaͤhlten Beruf anzutreten,
ihn der Jartour zu Liebe beruhigte, — konnte er
ſich dabei doch nicht verhehlen, daß fuͤr ihn ſelbſt eine
mehr als bange Vorahnung damit verbunden ſei!
Um ſo laͤnger, je vaguer und unbeſtimmter dieſelbe
in ſeinem Jnnern waltete.

„Meinen Beruf wieder antreten?“ Und worin
beſtand denn ſein Beruf? Darin, jeden Morgen zu
uͤben, was er am Abend vor hundert, oder tauſend
neugierigen gedankenloſen Gaffern gedankenlos wie-
derholen ſollte. Einen Abend wie den andern; ohne
Beſchaͤftigung des Verſtandes, ohne Theilnahme des
Gemuͤthes. Ohne das Bewußtſein auch nur in irgend
einer Seele, beſſere, edlere Regungen dadurch hervor-
zubringen. Freilich, wendete er ſich ſelbſt wieder ein,
werd’ ich nicht ſtehen bleiben, bei dem, was ich jetzt
leiſte! Jch werde weiter ſtreben, groͤßere Fertigkeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0095" n="93"/>
Abrei&#x017F;e noch zu &#x017F;ehen, ihr die Zu&#x017F;icherungen aufrich-<lb/>
tig&#x017F;ter Freund&#x017F;chaft nachzurufen! Dann wieder hielt<lb/>
ihn die Ueberlegung zuru&#x0364;ck, daß er ihr in wenigen<lb/>
Tagen folgen, mit ihr zu&#x017F;ammen &#x017F;ein, &#x017F;tu&#x0364;ndlich Ge-<lb/>
legenheit finden werde, &#x017F;ie von &#x017F;einer anha&#x0364;nglichen,<lb/>
dankbaren Treue zu u&#x0364;berzeugen. Und wenn die&#x017F;er<lb/>
Gedanke ihn tro&#x0364;&#x017F;tend anla&#x0364;chelte; wenn die Aus&#x017F;icht,<lb/>
neben <hi rendition="#g">ihr</hi> wieder den erwa&#x0364;hlten Beruf anzutreten,<lb/>
ihn der <hi rendition="#g">Jartour</hi> zu Liebe beruhigte, &#x2014; konnte er<lb/>
&#x017F;ich dabei doch nicht verhehlen, daß fu&#x0364;r ihn <hi rendition="#g">&#x017F;elb&#x017F;t</hi> eine<lb/>
mehr als bange Vorahnung damit verbunden &#x017F;ei!<lb/>
Um &#x017F;o la&#x0364;nger, je vaguer und unbe&#x017F;timmter die&#x017F;elbe<lb/>
in &#x017F;einem Jnnern waltete.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Meinen Beruf wieder antreten?&#x201C; Und worin<lb/>
be&#x017F;tand denn &#x017F;ein Beruf? Darin, jeden Morgen zu<lb/>
u&#x0364;ben, was er am Abend vor hundert, oder tau&#x017F;end<lb/>
neugierigen gedankenlo&#x017F;en Gaffern gedankenlos wie-<lb/>
derholen &#x017F;ollte. Einen Abend wie den andern; ohne<lb/>
Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung des Ver&#x017F;tandes, ohne Theilnahme des<lb/>
Gemu&#x0364;thes. Ohne das Bewußt&#x017F;ein auch nur in irgend<lb/>
einer Seele, be&#x017F;&#x017F;ere, edlere Regungen dadurch hervor-<lb/>
zubringen. Freilich, wendete er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t wieder ein,<lb/>
werd&#x2019; ich nicht &#x017F;tehen bleiben, bei dem, was ich jetzt<lb/>
lei&#x017F;te! Jch werde weiter &#x017F;treben, gro&#x0364;ßere Fertigkeit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0095] Abreiſe noch zu ſehen, ihr die Zuſicherungen aufrich- tigſter Freundſchaft nachzurufen! Dann wieder hielt ihn die Ueberlegung zuruͤck, daß er ihr in wenigen Tagen folgen, mit ihr zuſammen ſein, ſtuͤndlich Ge- legenheit finden werde, ſie von ſeiner anhaͤnglichen, dankbaren Treue zu uͤberzeugen. Und wenn dieſer Gedanke ihn troͤſtend anlaͤchelte; wenn die Ausſicht, neben ihr wieder den erwaͤhlten Beruf anzutreten, ihn der Jartour zu Liebe beruhigte, — konnte er ſich dabei doch nicht verhehlen, daß fuͤr ihn ſelbſt eine mehr als bange Vorahnung damit verbunden ſei! Um ſo laͤnger, je vaguer und unbeſtimmter dieſelbe in ſeinem Jnnern waltete. „Meinen Beruf wieder antreten?“ Und worin beſtand denn ſein Beruf? Darin, jeden Morgen zu uͤben, was er am Abend vor hundert, oder tauſend neugierigen gedankenloſen Gaffern gedankenlos wie- derholen ſollte. Einen Abend wie den andern; ohne Beſchaͤftigung des Verſtandes, ohne Theilnahme des Gemuͤthes. Ohne das Bewußtſein auch nur in irgend einer Seele, beſſere, edlere Regungen dadurch hervor- zubringen. Freilich, wendete er ſich ſelbſt wieder ein, werd’ ich nicht ſtehen bleiben, bei dem, was ich jetzt leiſte! Jch werde weiter ſtreben, groͤßere Fertigkeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/95
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/95>, abgerufen am 09.11.2024.