Jammertone meiner Verzweiflung: Seid verflucht, vor Gott und Menschen, Jhr schlechtes Volk!
Sonach taumelte ich hinaus, stieg die steile Ufer- treppe empor und wie ich auf der Brücke angelangt war und vernahm das Rauschen der steigenden Fluth, hörte die Wogen anschlagen gegen die steinernen Pfei- ler, und rings umher herrschte tiefe Nacht, so über- fiel mich eine rechte Sehnsucht, Ende zu machen mit diesem Leben voll Kummer und Schmach. Dich, mein Anton, wußt ich geborgen, in den Händen Dei- ner Großmutter. Und die Wellen, je höher sie an- schwollen und stiegen, desto lauter schienen sie mir zuzurufen: finde Ruhe in unserem Schoos! Nur die großen Eisschollen, die krachend an wankenden Holz- böcken sich brachen, entsetzten mich, daß ich nicht gleich zu springen wagte. Man hörte nichts als das Brau- sen des Flusses, das Rauschen des Regens, der in Strömen goß. Kein menschliches Wesen ließ in den öden Gassen sich spüren; in den Häusern verlöschten Feuer und Lichter; außer wo sie tiefer unten am Ufer wohnten, hielten sich Leute wach, aus Besorgniß wegen der Fluth. Nur da, wo sie es am nöthigsten gehabt hätten, auf der Wache zu sein, weil sie am tiefsten gelegen waren, bei'm Bildhauer machten sie
Jammertone meiner Verzweiflung: Seid verflucht, vor Gott und Menſchen, Jhr ſchlechtes Volk!
Sonach taumelte ich hinaus, ſtieg die ſteile Ufer- treppe empor und wie ich auf der Bruͤcke angelangt war und vernahm das Rauſchen der ſteigenden Fluth, hoͤrte die Wogen anſchlagen gegen die ſteinernen Pfei- ler, und rings umher herrſchte tiefe Nacht, ſo uͤber- fiel mich eine rechte Sehnſucht, Ende zu machen mit dieſem Leben voll Kummer und Schmach. Dich, mein Anton, wußt ich geborgen, in den Haͤnden Dei- ner Großmutter. Und die Wellen, je hoͤher ſie an- ſchwollen und ſtiegen, deſto lauter ſchienen ſie mir zuzurufen: finde Ruhe in unſerem Schoos! Nur die großen Eisſchollen, die krachend an wankenden Holz- boͤcken ſich brachen, entſetzten mich, daß ich nicht gleich zu ſpringen wagte. Man hoͤrte nichts als das Brau- ſen des Fluſſes, das Rauſchen des Regens, der in Stroͤmen goß. Kein menſchliches Weſen ließ in den oͤden Gaſſen ſich ſpuͤren; in den Haͤuſern verloͤſchten Feuer und Lichter; außer wo ſie tiefer unten am Ufer wohnten, hielten ſich Leute wach, aus Beſorgniß wegen der Fluth. Nur da, wo ſie es am noͤthigſten gehabt haͤtten, auf der Wache zu ſein, weil ſie am tiefſten gelegen waren, bei’m Bildhauer machten ſie
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Jammertone meiner Verzweiflung: Seid verflucht,
vor Gott und Menſchen, Jhr ſchlechtes Volk!
Sonach taumelte ich hinaus, ſtieg die ſteile Ufer-
treppe empor und wie ich auf der Bruͤcke angelangt
war und vernahm das Rauſchen der ſteigenden Fluth,
hoͤrte die Wogen anſchlagen gegen die ſteinernen Pfei-
ler, und rings umher herrſchte tiefe Nacht, ſo uͤber-
fiel mich eine rechte Sehnſucht, Ende zu machen mit
dieſem Leben voll Kummer und Schmach. Dich,
mein Anton, wußt ich geborgen, in den Haͤnden Dei-
ner Großmutter. Und die Wellen, je hoͤher ſie an-
ſchwollen und ſtiegen, deſto lauter ſchienen ſie mir
zuzurufen: finde Ruhe in unſerem Schoos! Nur die
großen Eisſchollen, die krachend an wankenden Holz-
boͤcken ſich brachen, entſetzten mich, daß ich nicht gleich
zu ſpringen wagte. Man hoͤrte nichts als das Brau-
ſen des Fluſſes, das Rauſchen des Regens, der in
Stroͤmen goß. Kein menſchliches Weſen ließ in den
oͤden Gaſſen ſich ſpuͤren; in den Haͤuſern verloͤſchten
Feuer und Lichter; außer wo ſie tiefer unten am Ufer
wohnten, hielten ſich Leute wach, aus Beſorgniß
wegen der Fluth. Nur da, wo ſie es am noͤthigſten
gehabt haͤtten, auf der Wache zu ſein, weil ſie am
tiefſten gelegen waren, bei’m Bildhauer machten ſie
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/223>, abgerufen am 19.05.2024.
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