Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

denn es trägt die Spuren der Fußwanderung und ist
unsicher und schwankend in Beziehung der italienischen
Reise; in Lucca machten sie in einer Vorstadt Halt;
wie Anton vermuthete, weil Geronimo heimliche Ge-
spräche zu pflegen hatte, mit verschiedenen Personen,
die möglichst unbemerkt kamen und gingen, und sich
sogar den Blicken des Reisegefährten zu entziehen
suchten, welcher natürlich diskret genug war, sie gar
nicht zu beachten.

Es war noch zeitig am Tage; die Kameele hatte
Anton in einem großen Stalle untergebracht und ver-
sorgt; nun saß er bei einem Glase Wein in der
Schenkstube, da gesellte sich Geronimo wieder zu ihm,
erzählte vielerlei Schwänke und Ränke aus seinem
Wanderleben, was Anton gern hörte, weil es ihn
reizte, Vergleiche mit sich anzustellen, Unterschiede
aufzusuchen und in manchen Erniedrigungen des um
so viel älteren Mannes stillschweigend eine Erhebung
seiner selbst zu entdecken und auszufinden. So waren
sie guter Dinge. Einige Gäste der Schenke gesellten
sich an ihrem Tische zu ihnen, hörten Geronimo
schwatzen und nickten sich bisweilen mit einem Zeichen
des Einverständnisses pfiffig-lächelnd zu. Der Spre-
cher verkündete ihnen, daß sein junger Kamerad ein

denn es traͤgt die Spuren der Fußwanderung und iſt
unſicher und ſchwankend in Beziehung der italieniſchen
Reiſe; in Lucca machten ſie in einer Vorſtadt Halt;
wie Anton vermuthete, weil Geronimo heimliche Ge-
ſpraͤche zu pflegen hatte, mit verſchiedenen Perſonen,
die moͤglichſt unbemerkt kamen und gingen, und ſich
ſogar den Blicken des Reiſegefaͤhrten zu entziehen
ſuchten, welcher natuͤrlich diskret genug war, ſie gar
nicht zu beachten.

Es war noch zeitig am Tage; die Kameele hatte
Anton in einem großen Stalle untergebracht und ver-
ſorgt; nun ſaß er bei einem Glaſe Wein in der
Schenkſtube, da geſellte ſich Geronimo wieder zu ihm,
erzaͤhlte vielerlei Schwaͤnke und Raͤnke aus ſeinem
Wanderleben, was Anton gern hoͤrte, weil es ihn
reizte, Vergleiche mit ſich anzuſtellen, Unterſchiede
aufzuſuchen und in manchen Erniedrigungen des um
ſo viel aͤlteren Mannes ſtillſchweigend eine Erhebung
ſeiner ſelbſt zu entdecken und auszufinden. So waren
ſie guter Dinge. Einige Gaͤſte der Schenke geſellten
ſich an ihrem Tiſche zu ihnen, hoͤrten Geronimo
ſchwatzen und nickten ſich bisweilen mit einem Zeichen
des Einverſtaͤndniſſes pfiffig-laͤchelnd zu. Der Spre-
cher verkuͤndete ihnen, daß ſein junger Kamerad ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0075" n="71"/>
denn es tra&#x0364;gt die Spuren der Fußwanderung und i&#x017F;t<lb/>
un&#x017F;icher und &#x017F;chwankend in Beziehung der italieni&#x017F;chen<lb/>
Rei&#x017F;e; in Lucca machten &#x017F;ie in einer Vor&#x017F;tadt Halt;<lb/>
wie Anton vermuthete, weil Geronimo heimliche Ge-<lb/>
&#x017F;pra&#x0364;che zu pflegen hatte, mit ver&#x017F;chiedenen Per&#x017F;onen,<lb/>
die mo&#x0364;glich&#x017F;t unbemerkt kamen und gingen, und &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;ogar den Blicken des Rei&#x017F;egefa&#x0364;hrten zu entziehen<lb/>
&#x017F;uchten, welcher natu&#x0364;rlich diskret genug war, &#x017F;ie gar<lb/>
nicht zu beachten.</p><lb/>
        <p>Es war noch zeitig am Tage; die Kameele hatte<lb/>
Anton in einem großen Stalle untergebracht und ver-<lb/>
&#x017F;orgt; nun &#x017F;aß er bei einem Gla&#x017F;e Wein in der<lb/>
Schenk&#x017F;tube, da ge&#x017F;ellte &#x017F;ich Geronimo wieder zu ihm,<lb/>
erza&#x0364;hlte vielerlei Schwa&#x0364;nke und Ra&#x0364;nke aus &#x017F;einem<lb/>
Wanderleben, was Anton gern ho&#x0364;rte, weil es ihn<lb/>
reizte, Vergleiche mit &#x017F;ich anzu&#x017F;tellen, Unter&#x017F;chiede<lb/>
aufzu&#x017F;uchen und in manchen Erniedrigungen des um<lb/>
&#x017F;o viel a&#x0364;lteren Mannes &#x017F;till&#x017F;chweigend eine Erhebung<lb/>
&#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t zu entdecken und auszufinden. So waren<lb/>
&#x017F;ie guter Dinge. Einige Ga&#x0364;&#x017F;te der Schenke ge&#x017F;ellten<lb/>
&#x017F;ich an ihrem Ti&#x017F;che zu ihnen, ho&#x0364;rten Geronimo<lb/>
&#x017F;chwatzen und nickten &#x017F;ich bisweilen mit einem Zeichen<lb/>
des Einver&#x017F;ta&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;es pfiffig-la&#x0364;chelnd zu. Der Spre-<lb/>
cher verku&#x0364;ndete ihnen, daß &#x017F;ein junger Kamerad ein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0075] denn es traͤgt die Spuren der Fußwanderung und iſt unſicher und ſchwankend in Beziehung der italieniſchen Reiſe; in Lucca machten ſie in einer Vorſtadt Halt; wie Anton vermuthete, weil Geronimo heimliche Ge- ſpraͤche zu pflegen hatte, mit verſchiedenen Perſonen, die moͤglichſt unbemerkt kamen und gingen, und ſich ſogar den Blicken des Reiſegefaͤhrten zu entziehen ſuchten, welcher natuͤrlich diskret genug war, ſie gar nicht zu beachten. Es war noch zeitig am Tage; die Kameele hatte Anton in einem großen Stalle untergebracht und ver- ſorgt; nun ſaß er bei einem Glaſe Wein in der Schenkſtube, da geſellte ſich Geronimo wieder zu ihm, erzaͤhlte vielerlei Schwaͤnke und Raͤnke aus ſeinem Wanderleben, was Anton gern hoͤrte, weil es ihn reizte, Vergleiche mit ſich anzuſtellen, Unterſchiede aufzuſuchen und in manchen Erniedrigungen des um ſo viel aͤlteren Mannes ſtillſchweigend eine Erhebung ſeiner ſelbſt zu entdecken und auszufinden. So waren ſie guter Dinge. Einige Gaͤſte der Schenke geſellten ſich an ihrem Tiſche zu ihnen, hoͤrten Geronimo ſchwatzen und nickten ſich bisweilen mit einem Zeichen des Einverſtaͤndniſſes pfiffig-laͤchelnd zu. Der Spre- cher verkuͤndete ihnen, daß ſein junger Kamerad ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/75
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/75>, abgerufen am 04.12.2024.