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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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und Mädchen, ohne der Kameele und ihres Besitzers
zu achten, sich um ihn schaarten, mit allen Zeichen
der Bewunderung für seine Töne, noch mehr aber
für seine Schönheit. Modena, Mantua, Verona,
Roveredo, sammt vielen Plätzen von geringerem
Namen wurden zu eben so vielen Schauplätzen des
Triumphes für ihn. Und so tief ist auch in besseren
Naturen die liebe persönliche Eitelkeit eingewurzelt,
daß diese Erfolge ihn schmeichelnd berührten; daß
ihre Wirkung ihn taub und blind machte, gegen die
Entwürdigung worein er zu versinken begann. Dazu
gesellten sich noch flüchtig vorüber gehende Liebeshän-
del, die sich knüpften und löseten von einem Tage,
von einem Orte zum anderen; die durch bunten
Wechsel, für ihn etwas Fremdes und Neues, sein
Haupt mit wüstem Rausch umnebelten, während das
Herz stumm dabei blieb und fühllos.

So verging der Winter. Geronimo zögerte
absichtlich so lange, ob nur deshalb, weil er das mil-
dere Klima seines Vaterlandes früher nicht verlassen
wollte? Ob deshalb, weil allerlei heimliche und
geheimgehaltene Geschäfte, Besorgungen, Zusammen-
künfte da und dort ihn fesselten? darüber sann der in
Leichtsinn und Lebensgenuß verlorene Anton nicht

und Maͤdchen, ohne der Kameele und ihres Beſitzers
zu achten, ſich um ihn ſchaarten, mit allen Zeichen
der Bewunderung fuͤr ſeine Toͤne, noch mehr aber
fuͤr ſeine Schoͤnheit. Modena, Mantua, Verona,
Roveredo, ſammt vielen Plaͤtzen von geringerem
Namen wurden zu eben ſo vielen Schauplaͤtzen des
Triumphes fuͤr ihn. Und ſo tief iſt auch in beſſeren
Naturen die liebe perſoͤnliche Eitelkeit eingewurzelt,
daß dieſe Erfolge ihn ſchmeichelnd beruͤhrten; daß
ihre Wirkung ihn taub und blind machte, gegen die
Entwuͤrdigung worein er zu verſinken begann. Dazu
geſellten ſich noch fluͤchtig voruͤber gehende Liebeshaͤn-
del, die ſich knuͤpften und loͤſeten von einem Tage,
von einem Orte zum anderen; die durch bunten
Wechſel, fuͤr ihn etwas Fremdes und Neues, ſein
Haupt mit wuͤſtem Rauſch umnebelten, waͤhrend das
Herz ſtumm dabei blieb und fuͤhllos.

So verging der Winter. Geronimo zoͤgerte
abſichtlich ſo lange, ob nur deshalb, weil er das mil-
dere Klima ſeines Vaterlandes fruͤher nicht verlaſſen
wollte? Ob deshalb, weil allerlei heimliche und
geheimgehaltene Geſchaͤfte, Beſorgungen, Zuſammen-
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[87/0091] und Maͤdchen, ohne der Kameele und ihres Beſitzers zu achten, ſich um ihn ſchaarten, mit allen Zeichen der Bewunderung fuͤr ſeine Toͤne, noch mehr aber fuͤr ſeine Schoͤnheit. Modena, Mantua, Verona, Roveredo, ſammt vielen Plaͤtzen von geringerem Namen wurden zu eben ſo vielen Schauplaͤtzen des Triumphes fuͤr ihn. Und ſo tief iſt auch in beſſeren Naturen die liebe perſoͤnliche Eitelkeit eingewurzelt, daß dieſe Erfolge ihn ſchmeichelnd beruͤhrten; daß ihre Wirkung ihn taub und blind machte, gegen die Entwuͤrdigung worein er zu verſinken begann. Dazu geſellten ſich noch fluͤchtig voruͤber gehende Liebeshaͤn- del, die ſich knuͤpften und loͤſeten von einem Tage, von einem Orte zum anderen; die durch bunten Wechſel, fuͤr ihn etwas Fremdes und Neues, ſein Haupt mit wuͤſtem Rauſch umnebelten, waͤhrend das Herz ſtumm dabei blieb und fuͤhllos. So verging der Winter. Geronimo zoͤgerte abſichtlich ſo lange, ob nur deshalb, weil er das mil- dere Klima ſeines Vaterlandes fruͤher nicht verlaſſen wollte? Ob deshalb, weil allerlei heimliche und geheimgehaltene Geſchaͤfte, Beſorgungen, Zuſammen- kuͤnfte da und dort ihn feſſelten? daruͤber ſann der in Leichtſinn und Lebensgenuß verlorene Anton nicht

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/91>, abgerufen am 18.05.2024.