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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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nach. Jhm genügte das Bewußtsein, daß sich Gero-
nimo ohne ihn und sein Spiel nicht gehalten haben
würde; er fühlte sich den Liebling der Bevölkerung;
die Kameele waren zu Nebenfiguren herabgesunken, sie
würden nicht das Futtergeld eingebracht haben. Auch
wurde er mit Erkenntlichkeit behandelt. Er hatte stets
das sauberste Lager, den besten Bissen, den reinsten
Wein, die hübschesten Mädchen und als Würze die
freundlichsten Worte von "Momolo."*)

Mit dem Frühlinge zugleich hielten sie ihren Ein-
zug in Deutschland.

Und hier kam Anton zur Besinnung.

Bei den ersten deutschen Worten, wie sie aus den
Kreisen gaffender Hörer an sein Ohr schlugen, erwachte
in ihm das Gefühl der Beschämung, welches er bis-
her zu übertäuben gesucht, aber so mächtig, daß er
es nicht mehr zu beherrschen, nicht mehr abzuweisen
vermochte. Was in fremder Sprache an ihm vor-
übergezogen, wie wenn es einem Fremden gelten
sollte, das berührte nun in heimathlichen Klängen,
wenn schon mit abweichendem Dialekt und Accent

*) "Momolo" verkleinerndes Liebkosungswort für
Geronimo.

nach. Jhm genuͤgte das Bewußtſein, daß ſich Gero-
nimo ohne ihn und ſein Spiel nicht gehalten haben
wuͤrde; er fuͤhlte ſich den Liebling der Bevoͤlkerung;
die Kameele waren zu Nebenfiguren herabgeſunken, ſie
wuͤrden nicht das Futtergeld eingebracht haben. Auch
wurde er mit Erkenntlichkeit behandelt. Er hatte ſtets
das ſauberſte Lager, den beſten Biſſen, den reinſten
Wein, die huͤbſcheſten Maͤdchen und als Wuͤrze die
freundlichſten Worte von „Momolo.“*)

Mit dem Fruͤhlinge zugleich hielten ſie ihren Ein-
zug in Deutſchland.

Und hier kam Anton zur Beſinnung.

Bei den erſten deutſchen Worten, wie ſie aus den
Kreiſen gaffender Hoͤrer an ſein Ohr ſchlugen, erwachte
in ihm das Gefuͤhl der Beſchaͤmung, welches er bis-
her zu uͤbertaͤuben geſucht, aber ſo maͤchtig, daß er
es nicht mehr zu beherrſchen, nicht mehr abzuweiſen
vermochte. Was in fremder Sprache an ihm vor-
uͤbergezogen, wie wenn es einem Fremden gelten
ſollte, das beruͤhrte nun in heimathlichen Klaͤngen,
wenn ſchon mit abweichendem Dialekt und Accent

*) „Momolo“ verkleinerndes Liebkoſungswort für
Geronimo.
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[88/0092] nach. Jhm genuͤgte das Bewußtſein, daß ſich Gero- nimo ohne ihn und ſein Spiel nicht gehalten haben wuͤrde; er fuͤhlte ſich den Liebling der Bevoͤlkerung; die Kameele waren zu Nebenfiguren herabgeſunken, ſie wuͤrden nicht das Futtergeld eingebracht haben. Auch wurde er mit Erkenntlichkeit behandelt. Er hatte ſtets das ſauberſte Lager, den beſten Biſſen, den reinſten Wein, die huͤbſcheſten Maͤdchen und als Wuͤrze die freundlichſten Worte von „Momolo.“ *) Mit dem Fruͤhlinge zugleich hielten ſie ihren Ein- zug in Deutſchland. Und hier kam Anton zur Beſinnung. Bei den erſten deutſchen Worten, wie ſie aus den Kreiſen gaffender Hoͤrer an ſein Ohr ſchlugen, erwachte in ihm das Gefuͤhl der Beſchaͤmung, welches er bis- her zu uͤbertaͤuben geſucht, aber ſo maͤchtig, daß er es nicht mehr zu beherrſchen, nicht mehr abzuweiſen vermochte. Was in fremder Sprache an ihm vor- uͤbergezogen, wie wenn es einem Fremden gelten ſollte, das beruͤhrte nun in heimathlichen Klaͤngen, wenn ſchon mit abweichendem Dialekt und Accent *) „Momolo“ verkleinerndes Liebkoſungswort für Geronimo.

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/92>, abgerufen am 04.12.2024.