Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

näheren Umstände auszusprechen, wobei er auf die
oft erprobte Redseligkeit des riesigen Kammerjägers
rechnete. Wider alles Erwarten fand er sich diesmal
getäuscht. Zuvörderst wies Schkramprl jede Beloh-
nung zurück. Jch habe zu leben, sprach er. Seitdem
ich die phantastischen Grillen von Riesenthum, Zwer-
gen, wilden Männern, zahmen Thieren aufgegeben
und mich aus der Poesie des Vagabundenwesens in
die Realität der Prosa begeben habe; seitdem ich in
Giften wirke und ein solider Staatsbürger geworden
bin, der seine Konzession und seinen Gewerbschein
bezahlt, find' ich mein Auskommen, erhalte aus jeder
Apotheke Arsenik a discretion, und nähre mich red-
lich; brauche also keine Unterstützung und wäre ein
gemeiner Kerl, wenn ich mich vom "gnädigen Herrn
von Liebenau" beschenken ließe. Worauf Hochdiesel-
ben hindeuten, mir auf Jhrer Herrschaft das Gnaden-
brot zu geben und mich gleichsam zu Tode füttern zu
wollen, erkenn' ich zwar Dero Gesinnung dankerfüllt
an, bedau're jedoch, für jetzt keinen Gebrauch davon
machen zu können, sintemalen ich weder Sitzefleisch
genug habe, um an einem Orte zu bleiben, vielmehr
des Wanderns sehr bedürftig bin; noch Lust verspüre,
bald zu sterben, vielmehr leben und unzählige Ratten

naͤheren Umſtaͤnde auszuſprechen, wobei er auf die
oft erprobte Redſeligkeit des rieſigen Kammerjaͤgers
rechnete. Wider alles Erwarten fand er ſich diesmal
getaͤuſcht. Zuvoͤrderſt wies Schkramprl jede Beloh-
nung zuruͤck. Jch habe zu leben, ſprach er. Seitdem
ich die phantaſtiſchen Grillen von Rieſenthum, Zwer-
gen, wilden Maͤnnern, zahmen Thieren aufgegeben
und mich aus der Poeſie des Vagabundenweſens in
die Realitaͤt der Proſa begeben habe; ſeitdem ich in
Giften wirke und ein ſolider Staatsbuͤrger geworden
bin, der ſeine Konzeſſion und ſeinen Gewerbſchein
bezahlt, find’ ich mein Auskommen, erhalte aus jeder
Apotheke Arſenik à discrétion, und naͤhre mich red-
lich; brauche alſo keine Unterſtuͤtzung und waͤre ein
gemeiner Kerl, wenn ich mich vom „gnaͤdigen Herrn
von Liebenau“ beſchenken ließe. Worauf Hochdieſel-
ben hindeuten, mir auf Jhrer Herrſchaft das Gnaden-
brot zu geben und mich gleichſam zu Tode fuͤttern zu
wollen, erkenn’ ich zwar Dero Geſinnung dankerfuͤllt
an, bedau’re jedoch, fuͤr jetzt keinen Gebrauch davon
machen zu koͤnnen, ſintemalen ich weder Sitzefleiſch
genug habe, um an einem Orte zu bleiben, vielmehr
des Wanderns ſehr beduͤrftig bin; noch Luſt verſpuͤre,
bald zu ſterben, vielmehr leben und unzaͤhlige Ratten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0107" n="103"/>
na&#x0364;heren Um&#x017F;ta&#x0364;nde auszu&#x017F;prechen, wobei er auf die<lb/>
oft erprobte Red&#x017F;eligkeit des rie&#x017F;igen Kammerja&#x0364;gers<lb/>
rechnete. Wider alles Erwarten fand er &#x017F;ich diesmal<lb/>
geta&#x0364;u&#x017F;cht. Zuvo&#x0364;rder&#x017F;t wies Schkramprl jede Beloh-<lb/>
nung zuru&#x0364;ck. Jch habe zu leben, &#x017F;prach er. Seitdem<lb/>
ich die phanta&#x017F;ti&#x017F;chen Grillen von Rie&#x017F;enthum, Zwer-<lb/>
gen, wilden Ma&#x0364;nnern, zahmen Thieren aufgegeben<lb/>
und mich aus der Poe&#x017F;ie des Vagabundenwe&#x017F;ens in<lb/>
die Realita&#x0364;t der Pro&#x017F;a begeben habe; &#x017F;eitdem ich in<lb/>
Giften wirke und ein &#x017F;olider Staatsbu&#x0364;rger geworden<lb/>
bin, der &#x017F;eine Konze&#x017F;&#x017F;ion und &#x017F;einen Gewerb&#x017F;chein<lb/>
bezahlt, find&#x2019; ich mein Auskommen, erhalte aus jeder<lb/>
Apotheke Ar&#x017F;enik <hi rendition="#aq">à discrétion,</hi> und na&#x0364;hre mich red-<lb/>
lich; brauche al&#x017F;o keine Unter&#x017F;tu&#x0364;tzung und wa&#x0364;re ein<lb/>
gemeiner Kerl, wenn ich mich vom &#x201E;gna&#x0364;digen Herrn<lb/>
von Liebenau&#x201C; be&#x017F;chenken ließe. Worauf Hochdie&#x017F;el-<lb/>
ben hindeuten, mir auf Jhrer Herr&#x017F;chaft das Gnaden-<lb/>
brot zu geben und mich gleich&#x017F;am zu Tode fu&#x0364;ttern zu<lb/>
wollen, erkenn&#x2019; ich zwar Dero Ge&#x017F;innung dankerfu&#x0364;llt<lb/>
an, bedau&#x2019;re jedoch, fu&#x0364;r jetzt keinen Gebrauch davon<lb/>
machen zu ko&#x0364;nnen, &#x017F;intemalen ich <hi rendition="#g">weder</hi> Sitzeflei&#x017F;ch<lb/>
genug habe, um an einem Orte zu bleiben, vielmehr<lb/>
des Wanderns &#x017F;ehr bedu&#x0364;rftig bin; <hi rendition="#g">noch</hi> Lu&#x017F;t ver&#x017F;pu&#x0364;re,<lb/>
bald zu &#x017F;terben, vielmehr leben und unza&#x0364;hlige Ratten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0107] naͤheren Umſtaͤnde auszuſprechen, wobei er auf die oft erprobte Redſeligkeit des rieſigen Kammerjaͤgers rechnete. Wider alles Erwarten fand er ſich diesmal getaͤuſcht. Zuvoͤrderſt wies Schkramprl jede Beloh- nung zuruͤck. Jch habe zu leben, ſprach er. Seitdem ich die phantaſtiſchen Grillen von Rieſenthum, Zwer- gen, wilden Maͤnnern, zahmen Thieren aufgegeben und mich aus der Poeſie des Vagabundenweſens in die Realitaͤt der Proſa begeben habe; ſeitdem ich in Giften wirke und ein ſolider Staatsbuͤrger geworden bin, der ſeine Konzeſſion und ſeinen Gewerbſchein bezahlt, find’ ich mein Auskommen, erhalte aus jeder Apotheke Arſenik à discrétion, und naͤhre mich red- lich; brauche alſo keine Unterſtuͤtzung und waͤre ein gemeiner Kerl, wenn ich mich vom „gnaͤdigen Herrn von Liebenau“ beſchenken ließe. Worauf Hochdieſel- ben hindeuten, mir auf Jhrer Herrſchaft das Gnaden- brot zu geben und mich gleichſam zu Tode fuͤttern zu wollen, erkenn’ ich zwar Dero Geſinnung dankerfuͤllt an, bedau’re jedoch, fuͤr jetzt keinen Gebrauch davon machen zu koͤnnen, ſintemalen ich weder Sitzefleiſch genug habe, um an einem Orte zu bleiben, vielmehr des Wanderns ſehr beduͤrftig bin; noch Luſt verſpuͤre, bald zu ſterben, vielmehr leben und unzaͤhlige Ratten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/107
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/107>, abgerufen am 24.11.2024.