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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

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er, und begab sich hinaus, die Wirthin aufzusuchen;
diese trat im Hausflur ihm entgegen und reichte ihm
ein schweres Ledersäckchen hin. Auf den ersten Blick
erkannte er die kleine Reisekasse, die er aus seiner
Großmutter Verlassenschaft zusammengestellt und hier
vergessen hatte; deren Verlust ihn zum Diener in
einer Menagerie gemacht, folglich seinem ganzen
Lebenslauf die erste, entscheidende Richtung gegeben.

"Wir haben die Münzsorten auseinandergeklaubt,
gezählt und berechnet, Gold wie Silber, mein Mann
und ich. Es ist Alles aufgeschrieben auf dem Zettel-
chen, wie viel d'rin steckt und macht neununddreißig
Thaler, dreizehn Groschen. Jhr werdet's finden, bei
Heller und Pfennig. Es war wohl eine harte Ver-
suchung, denn manchmal geht's hier schmal zu, wenn
keine Einkehr ist und kein Verdienst; vollends jetzt,
seitdem sie drüben eine Chaussee gebaut haben, und
alles Fuhrwerk drüben geht. Aber ich bin standhaft
geblieben und hier habt Jhr Euer Eigenthum."

Anton bestieg sein Pferd. Dann gab er dem
alten, gebeugten Hausknecht, der es gehalten, einen
harten Thaler. Den ledernen Beutel aber, sammt
seinem übrigen Jnhalt, warf er den spielenden Kin-

er, und begab ſich hinaus, die Wirthin aufzuſuchen;
dieſe trat im Hausflur ihm entgegen und reichte ihm
ein ſchweres Lederſaͤckchen hin. Auf den erſten Blick
erkannte er die kleine Reiſekaſſe, die er aus ſeiner
Großmutter Verlaſſenſchaft zuſammengeſtellt und hier
vergeſſen hatte; deren Verluſt ihn zum Diener in
einer Menagerie gemacht, folglich ſeinem ganzen
Lebenslauf die erſte, entſcheidende Richtung gegeben.

„Wir haben die Muͤnzſorten auseinandergeklaubt,
gezaͤhlt und berechnet, Gold wie Silber, mein Mann
und ich. Es iſt Alles aufgeſchrieben auf dem Zettel-
chen, wie viel d’rin ſteckt und macht neununddreißig
Thaler, dreizehn Groſchen. Jhr werdet’s finden, bei
Heller und Pfennig. Es war wohl eine harte Ver-
ſuchung, denn manchmal geht’s hier ſchmal zu, wenn
keine Einkehr iſt und kein Verdienſt; vollends jetzt,
ſeitdem ſie druͤben eine Chauſſee gebaut haben, und
alles Fuhrwerk druͤben geht. Aber ich bin ſtandhaft
geblieben und hier habt Jhr Euer Eigenthum.“

Anton beſtieg ſein Pferd. Dann gab er dem
alten, gebeugten Hausknecht, der es gehalten, einen
harten Thaler. Den ledernen Beutel aber, ſammt
ſeinem uͤbrigen Jnhalt, warf er den ſpielenden Kin-

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[176/0180] er, und begab ſich hinaus, die Wirthin aufzuſuchen; dieſe trat im Hausflur ihm entgegen und reichte ihm ein ſchweres Lederſaͤckchen hin. Auf den erſten Blick erkannte er die kleine Reiſekaſſe, die er aus ſeiner Großmutter Verlaſſenſchaft zuſammengeſtellt und hier vergeſſen hatte; deren Verluſt ihn zum Diener in einer Menagerie gemacht, folglich ſeinem ganzen Lebenslauf die erſte, entſcheidende Richtung gegeben. „Wir haben die Muͤnzſorten auseinandergeklaubt, gezaͤhlt und berechnet, Gold wie Silber, mein Mann und ich. Es iſt Alles aufgeſchrieben auf dem Zettel- chen, wie viel d’rin ſteckt und macht neununddreißig Thaler, dreizehn Groſchen. Jhr werdet’s finden, bei Heller und Pfennig. Es war wohl eine harte Ver- ſuchung, denn manchmal geht’s hier ſchmal zu, wenn keine Einkehr iſt und kein Verdienſt; vollends jetzt, ſeitdem ſie druͤben eine Chauſſee gebaut haben, und alles Fuhrwerk druͤben geht. Aber ich bin ſtandhaft geblieben und hier habt Jhr Euer Eigenthum.“ Anton beſtieg ſein Pferd. Dann gab er dem alten, gebeugten Hausknecht, der es gehalten, einen harten Thaler. Den ledernen Beutel aber, ſammt ſeinem uͤbrigen Jnhalt, warf er den ſpielenden Kin-

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/180>, abgerufen am 24.11.2024.