Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.ihren Einzug in Schloß Liebenau halten und habe Vom 15. Mai. "Die Gegenwart der Gräfin sollte, wie ich gehofft, ihren Einzug in Schloß Liebenau halten und habe Vom 15. Mai. „Die Gegenwart der Graͤfin ſollte, wie ich gehofft, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0192" n="188"/> ihren Einzug in Schloß Liebenau halten und habe<lb/> ſich ſo eingerichtet, daß ſie bei uns weilen koͤnne „bis<lb/> zur Taufe!“ Die edle, liebenswuͤrdige Frau! Wie<lb/> freu’ ich mich, ſie wieder zu ſehen — und zu hoͤren!<lb/> Wahrlich, die Beſchreibung meiner ſeligen Mutter<lb/> paßt noch immer auf ſie, obgleich ſeitdem mehr als<lb/> ein Vierteljahrhundert vergangen iſt.“</p> </div><lb/> <div type="diaryEntry"> <dateline> <hi rendition="#et">Vom 15. Mai.</hi> </dateline><lb/> <p>„Die Gegenwart der Graͤfin ſollte, wie ich gehofft,<lb/> beruhigend, wohlthaͤtig auf mich einwirken. Leider<lb/> iſt dem nicht ſo. Jch fuͤhle mich noch ungeduldiger,<lb/> als ehe ſie ankam. Wenn ſie ihr geiſtvolles Auge, wie<lb/> fragend, auf mir weilen laͤßt, wird mir zu Muthe, als<lb/> laͤſe ſie in meinem Jnnern! Als erriethe ſie, welch’<lb/> eine Thorheit mich martert! Und das aͤngſtiget mich;<lb/> ich ſchaͤme mich vor ihr. Nein, ſie darf nicht ent-<lb/> decken, daß der Vagabund in mir ſein Weſen treibt!<lb/> Was wuͤrde ſie dazu ſagen, deren Großmuth mich ſo<lb/> koͤniglich beſchenkte? Sie, der wir Alles verdanken!<lb/> Sie darf nicht wiſſen, daß ich meines Gluͤckes unwuͤr-<lb/> dig bin. Sie wuͤrde mir zuͤrnen. Oder ſie wuͤrde, —<lb/> nicht hoͤhniſch, denn das vermag ſie nicht, — ſie wuͤrde<lb/> mitleidig-laͤchelnd die Achſel zucken; und ich muͤßte<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [188/0192]
ihren Einzug in Schloß Liebenau halten und habe
ſich ſo eingerichtet, daß ſie bei uns weilen koͤnne „bis
zur Taufe!“ Die edle, liebenswuͤrdige Frau! Wie
freu’ ich mich, ſie wieder zu ſehen — und zu hoͤren!
Wahrlich, die Beſchreibung meiner ſeligen Mutter
paßt noch immer auf ſie, obgleich ſeitdem mehr als
ein Vierteljahrhundert vergangen iſt.“
Vom 15. Mai.
„Die Gegenwart der Graͤfin ſollte, wie ich gehofft,
beruhigend, wohlthaͤtig auf mich einwirken. Leider
iſt dem nicht ſo. Jch fuͤhle mich noch ungeduldiger,
als ehe ſie ankam. Wenn ſie ihr geiſtvolles Auge, wie
fragend, auf mir weilen laͤßt, wird mir zu Muthe, als
laͤſe ſie in meinem Jnnern! Als erriethe ſie, welch’
eine Thorheit mich martert! Und das aͤngſtiget mich;
ich ſchaͤme mich vor ihr. Nein, ſie darf nicht ent-
decken, daß der Vagabund in mir ſein Weſen treibt!
Was wuͤrde ſie dazu ſagen, deren Großmuth mich ſo
koͤniglich beſchenkte? Sie, der wir Alles verdanken!
Sie darf nicht wiſſen, daß ich meines Gluͤckes unwuͤr-
dig bin. Sie wuͤrde mir zuͤrnen. Oder ſie wuͤrde, —
nicht hoͤhniſch, denn das vermag ſie nicht, — ſie wuͤrde
mitleidig-laͤchelnd die Achſel zucken; und ich muͤßte
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