Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
Ich aber las schnell längs den Brettern
Die bunten Titel Band für Band,
Bis endlich mit vergilbten Lettern
Ich ein verstaubtes Büchlein fand.
Gepreßt lag eine Schlehdornblüthe
Drin als ein Pfand verjährter Lust;
Ich schlug es auf, mein Antlitz glühte,
Und klangvoll brach's aus meiner Brust:
"Es ist ein hoher Baum gefallen,
Ein Baum im deutschen Dichterwald,
Ein Sänger schied, getreu vor allen,
Von denen deutsches Lied erschallt.
Wie stand mit seinem keuschen Psalter
Im jüngern Schwarm er stolz und schlicht;
Ein Meister und ein Held wie Walther
Und rein sein Schild, wie sein Gedicht!"
Ein gluthgeborstner Feuerofen,
In lohen Flammen stand mein Herz;
Rollt doch ein Klang durch diese Strophen,
Ein Klang wie von korinthisch Erz!
Und weiter, immer weiter las ich
Des todten Dichters eignes Lied;
Daß er's einst Uhland sang, vergaß ich
Und wußte Eins nur noch: Er schied!
Ich aber las ſchnell längs den Brettern
Die bunten Titel Band für Band,
Bis endlich mit vergilbten Lettern
Ich ein verſtaubtes Büchlein fand.
Gepreßt lag eine Schlehdornblüthe
Drin als ein Pfand verjährter Luſt;
Ich ſchlug es auf, mein Antlitz glühte,
Und klangvoll brach's aus meiner Bruſt:
„Es iſt ein hoher Baum gefallen,
Ein Baum im deutſchen Dichterwald,
Ein Sänger ſchied, getreu vor allen,
Von denen deutſches Lied erſchallt.
Wie ſtand mit ſeinem keuſchen Pſalter
Im jüngern Schwarm er ſtolz und ſchlicht;
Ein Meiſter und ein Held wie Walther
Und rein ſein Schild, wie ſein Gedicht!“
Ein gluthgeborſtner Feuerofen,
In lohen Flammen ſtand mein Herz;
Rollt doch ein Klang durch dieſe Strophen,
Ein Klang wie von korinthiſch Erz!
Und weiter, immer weiter las ich
Des todten Dichters eignes Lied;
Daß er's einſt Uhland ſang, vergaß ich
Und wußte Eins nur noch: Er ſchied!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0129" n="107"/>
            <lg n="18">
              <l>Ich aber las &#x017F;chnell längs den Brettern</l><lb/>
              <l>Die bunten Titel Band für Band,</l><lb/>
              <l>Bis endlich mit vergilbten Lettern</l><lb/>
              <l>Ich ein ver&#x017F;taubtes Büchlein fand.</l><lb/>
              <l>Gepreßt lag eine Schlehdornblüthe</l><lb/>
              <l>Drin als ein Pfand verjährter Lu&#x017F;t;</l><lb/>
              <l>Ich &#x017F;chlug es auf, mein Antlitz glühte,</l><lb/>
              <l>Und klangvoll brach's aus meiner Bru&#x017F;t:</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="19">
              <l>&#x201E;Es i&#x017F;t ein hoher Baum gefallen,</l><lb/>
              <l>Ein Baum im deut&#x017F;chen Dichterwald,</l><lb/>
              <l>Ein Sänger &#x017F;chied, getreu vor allen,</l><lb/>
              <l>Von denen deut&#x017F;ches Lied er&#x017F;challt.</l><lb/>
              <l>Wie &#x017F;tand mit &#x017F;einem keu&#x017F;chen P&#x017F;alter</l><lb/>
              <l>Im jüngern Schwarm er &#x017F;tolz und &#x017F;chlicht;</l><lb/>
              <l>Ein Mei&#x017F;ter und ein Held wie Walther</l><lb/>
              <l>Und rein &#x017F;ein Schild, wie &#x017F;ein Gedicht!&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="20">
              <l>Ein gluthgebor&#x017F;tner Feuerofen,</l><lb/>
              <l>In lohen Flammen &#x017F;tand mein Herz;</l><lb/>
              <l>Rollt doch ein Klang durch die&#x017F;e Strophen,</l><lb/>
              <l>Ein Klang wie von korinthi&#x017F;ch Erz!</l><lb/>
              <l>Und weiter, immer weiter las ich</l><lb/>
              <l>Des todten Dichters eignes Lied;</l><lb/>
              <l>Daß er's ein&#x017F;t Uhland &#x017F;ang, vergaß ich</l><lb/>
              <l>Und wußte Eins nur noch: Er &#x017F;chied!</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0129] Ich aber las ſchnell längs den Brettern Die bunten Titel Band für Band, Bis endlich mit vergilbten Lettern Ich ein verſtaubtes Büchlein fand. Gepreßt lag eine Schlehdornblüthe Drin als ein Pfand verjährter Luſt; Ich ſchlug es auf, mein Antlitz glühte, Und klangvoll brach's aus meiner Bruſt: „Es iſt ein hoher Baum gefallen, Ein Baum im deutſchen Dichterwald, Ein Sänger ſchied, getreu vor allen, Von denen deutſches Lied erſchallt. Wie ſtand mit ſeinem keuſchen Pſalter Im jüngern Schwarm er ſtolz und ſchlicht; Ein Meiſter und ein Held wie Walther Und rein ſein Schild, wie ſein Gedicht!“ Ein gluthgeborſtner Feuerofen, In lohen Flammen ſtand mein Herz; Rollt doch ein Klang durch dieſe Strophen, Ein Klang wie von korinthiſch Erz! Und weiter, immer weiter las ich Des todten Dichters eignes Lied; Daß er's einſt Uhland ſang, vergaß ich Und wußte Eins nur noch: Er ſchied!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/129
Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/129>, abgerufen am 21.11.2024.