Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Die Familie Selicke. Berlin, 1890.
an Sie hab' ich auch noch nich denken können! ... Sie müssen ja gleich abreisen .... Mein armer Kopf is mir ganz verwirrt ... Wendt: Oh ... (Macht eine abwehrende Handbe- wegung und tritt auf sie zu.) Meine liebe, gute Frau Selicke ... (Drückt ihre Hand.) Frau Selicke (mit der Schürze an den Augen, ist mit ihm an's Bett getreten. Kann kaum sprechen vor Weinen): Sehn Sie ... da ... Wendt (steht mit ihr in stummer Trauer vor'm Bett.) Toni: Mutterchen! Komm! Frau Selicke (sich die Augen trocknend, sich zu- sammennehmend): Ja, ich will ... Um elf geht Ihr Zug, Herr Wendt? Wendt: Ach! (Handbewegung. Frau Selicke will auf die Küchenthür zu.) Toni (man merkt ihr grosse Ermattung an): Lass nur, Mutterchen! ... Ich will das schon alles be- sorgen! Du musst unbedingt ein bischen ruhn! Komm, Mutterchen! Komm! ... (Frau Selicke lässt sich willenlos von ihr langsam zur Kammer führen. Toni drückt leise die Thür hinter ihr zu. Sie bleibt einen Augenblick mit allen Anzeichen grosser Müdigkeit bei der Thür stehen, nimmt sich dann zusammen und macht ein paar Schritte auf die Küchen- thür zu. -- Die Uhr schlägt neun.) Wendt (beim Bett, leise): Und heute -- wollt' ich -- mit Deinen Eltern reden ... Toni (äusserst abgespannt): Was? .. Neun schon? ... Ach ja, ich muss ja noch ... Sie müssen ja -- um elf -- fort ... (Sie geht mit müden Schritten, wie mechanisch, auf die Küchenthür zu.) Wendt (wiederholend): Fort ...
an Sie hab’ ich auch noch nich denken können! … Sie müssen ja gleich abreisen .... Mein armer Kopf is mir ganz verwirrt … Wendt: Oh … (Macht eine abwehrende Handbe- wegung und tritt auf sie zu.) Meine liebe, gute Frau Selicke … (Drückt ihre Hand.) Frau Selicke (mit der Schürze an den Augen, ist mit ihm an’s Bett getreten. Kann kaum sprechen vor Weinen): Sehn Sie … da … Wendt (steht mit ihr in stummer Trauer vor’m Bett.) Toni: Mutterchen! Komm! Frau Selicke (sich die Augen trocknend, sich zu- sammennehmend): Ja, ich will … Um elf geht Ihr Zug, Herr Wendt? Wendt: Ach! (Handbewegung. Frau Selicke will auf die Küchenthür zu.) Toni (man merkt ihr grosse Ermattung an): Lass nur, Mutterchen! … Ich will das schon alles be- sorgen! Du musst unbedingt ein bischen ruhn! Komm, Mutterchen! Komm! … (Frau Selicke lässt sich willenlos von ihr langsam zur Kammer führen. Toni drückt leise die Thür hinter ihr zu. Sie bleibt einen Augenblick mit allen Anzeichen grosser Müdigkeit bei der Thür stehen, nimmt sich dann zusammen und macht ein paar Schritte auf die Küchen- thür zu. — Die Uhr schlägt neun.) Wendt (beim Bett, leise): Und heute — wollt’ ich — mit Deinen Eltern reden … Toni (äusserst abgespannt): Was? .. Neun schon? … Ach ja, ich muss ja noch … Sie müssen ja — um elf — fort … (Sie geht mit müden Schritten, wie mechanisch, auf die Küchenthür zu.) Wendt (wiederholend): Fort … <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#FRASELI"> <p><pb facs="#f0102" n="80"/> an Sie hab’ ich auch noch nich denken können!<lb/> … Sie müssen ja gleich abreisen .... Mein<lb/> armer Kopf is mir ganz verwirrt …</p> </sp><lb/> <sp who="#WEN"> <speaker><hi rendition="#g">Wendt</hi>:</speaker> <p>Oh …</p> <stage>(Macht eine abwehrende Handbe-<lb/> wegung und tritt auf sie zu.)</stage> <p>Meine liebe, gute<lb/> Frau Selicke …</p> <stage>(Drückt ihre Hand.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#FRASELI"> <speaker> <hi rendition="#g">Frau Selicke</hi> </speaker> <stage>(mit der Schürze an den Augen, ist<lb/> mit ihm an’s Bett getreten. Kann kaum sprechen vor<lb/> Weinen):</stage> <p>Sehn Sie … da …</p> </sp><lb/> <sp who="#WEN"> <speaker> <hi rendition="#g">Wendt</hi> </speaker> <stage>(steht mit ihr in stummer Trauer vor’m Bett.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#TON"> <speaker><hi rendition="#g">Toni</hi>:</speaker> <p>Mutterchen! Komm!</p> </sp><lb/> <sp who="#FRASELI"> <speaker> <hi rendition="#g">Frau Selicke</hi> </speaker> <stage>(sich die Augen trocknend, sich zu-<lb/> sammennehmend):</stage> <p>Ja, ich will … Um elf geht<lb/> Ihr Zug, Herr Wendt?</p> </sp><lb/> <sp who="#WEN"> <speaker><hi rendition="#g">Wendt</hi>:</speaker> <p>Ach!</p> <stage>(Handbewegung. Frau Selicke will auf<lb/> die Küchenthür zu.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#TON"> <speaker> <hi rendition="#g">Toni</hi> </speaker> <stage>(man merkt ihr grosse Ermattung an):</stage> <p>Lass nur,<lb/> Mutterchen! … Ich will das schon alles be-<lb/> sorgen! Du musst unbedingt ein bischen ruhn!<lb/> Komm, Mutterchen! Komm! …</p><lb/> <stage>(Frau Selicke lässt sich willenlos von ihr langsam zur<lb/> Kammer führen. Toni drückt leise die Thür hinter ihr<lb/> zu. Sie bleibt einen Augenblick mit allen Anzeichen<lb/> grosser Müdigkeit bei der Thür stehen, nimmt sich dann<lb/> zusammen und macht ein paar Schritte auf die Küchen-<lb/> thür zu. — Die Uhr schlägt neun.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#WEN"> <speaker> <hi rendition="#g">Wendt</hi> </speaker> <stage>(beim Bett, leise):</stage> <p>Und heute — wollt’<lb/> ich — mit Deinen Eltern reden …</p> </sp><lb/> <sp who="#TON"> <speaker> <hi rendition="#g">Toni</hi> </speaker> <stage>(äusserst abgespannt):</stage> <p>Was? .. Neun schon?<lb/> … Ach ja, ich muss ja noch … Sie müssen<lb/> ja — um elf — fort …</p><lb/> <stage>(Sie geht mit müden Schritten, wie mechanisch, auf die<lb/> Küchenthür zu.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#WEN"> <speaker> <hi rendition="#g">Wendt</hi> </speaker> <stage>(wiederholend):</stage> <p>Fort …</p> </sp><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [80/0102]
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… Sie müssen ja gleich abreisen .... Mein
armer Kopf is mir ganz verwirrt …
Wendt: Oh … (Macht eine abwehrende Handbe-
wegung und tritt auf sie zu.) Meine liebe, gute
Frau Selicke … (Drückt ihre Hand.)
Frau Selicke (mit der Schürze an den Augen, ist
mit ihm an’s Bett getreten. Kann kaum sprechen vor
Weinen): Sehn Sie … da …
Wendt (steht mit ihr in stummer Trauer vor’m Bett.)
Toni: Mutterchen! Komm!
Frau Selicke (sich die Augen trocknend, sich zu-
sammennehmend): Ja, ich will … Um elf geht
Ihr Zug, Herr Wendt?
Wendt: Ach! (Handbewegung. Frau Selicke will auf
die Küchenthür zu.)
Toni (man merkt ihr grosse Ermattung an): Lass nur,
Mutterchen! … Ich will das schon alles be-
sorgen! Du musst unbedingt ein bischen ruhn!
Komm, Mutterchen! Komm! …
(Frau Selicke lässt sich willenlos von ihr langsam zur
Kammer führen. Toni drückt leise die Thür hinter ihr
zu. Sie bleibt einen Augenblick mit allen Anzeichen
grosser Müdigkeit bei der Thür stehen, nimmt sich dann
zusammen und macht ein paar Schritte auf die Küchen-
thür zu. — Die Uhr schlägt neun.)
Wendt (beim Bett, leise): Und heute — wollt’
ich — mit Deinen Eltern reden …
Toni (äusserst abgespannt): Was? .. Neun schon?
… Ach ja, ich muss ja noch … Sie müssen
ja — um elf — fort …
(Sie geht mit müden Schritten, wie mechanisch, auf die
Küchenthür zu.)
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