Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.keinen Augenblick hat sie mich irre gemacht -- und sieh, ich wette: auch dies, daß du heute gekommen bist, hat sie vorausgewußt, ja, sie hat es so angestellt, denn sie will mir wohl, und sie weiß, daß ich ohne dich nicht so viel werth wäre als ein Olivenbaum, auf den der Frost gefallen ist. Gigia sah vor sich hin und schüttelte den Kopf. Es wollte ihr, so zuversichtlich auch Maso sprach, nicht einleuchten, daß sie in Wahrheit nur darum von Hause fortgelaufen und hierher gekommen sei, weil die Signora haben wolle, daß sie Maso's Frau werde. Indessen, nun stand kein Rückweg mehr offen -- in Urballa mußte ihre Abwesenheit jetzt kund geworden sein -- und weil es keine andere Rettung für sie gab, als wenn Maso recht hätte, so flüsterte sie mit einem tiefen Seufzer: Die Madonna gebe, daß es so ist! Als die Verwalterin sah, daß sie das Gespräch der Beiden nicht unterbrechen könne, war sie, um sich von aller Verantwortlichkeit zu befreien, hinüber nach der Villa geeilt; sie kannte ihren Padrone als einen Frühaufsteher, den man zwischen fünf und sechs nicht mehr störte; wirklich traf sie ihn in seinem Arbeitscabinet und erzählte ihm, draußen stehe die Gigia Landi im Hochzeitskleid, und der Maso sei nicht mit Reden mit ihr zu hindern gewesen. Der Signor Baldo schaute ernsthaft drein. Er bedachte sich und meinte, nun habe Gigia auch die Heirath mit Agenore unwiderruflich verscherzt, und sie sei keinen Augenblick hat sie mich irre gemacht — und sieh, ich wette: auch dies, daß du heute gekommen bist, hat sie vorausgewußt, ja, sie hat es so angestellt, denn sie will mir wohl, und sie weiß, daß ich ohne dich nicht so viel werth wäre als ein Olivenbaum, auf den der Frost gefallen ist. Gigia sah vor sich hin und schüttelte den Kopf. Es wollte ihr, so zuversichtlich auch Maso sprach, nicht einleuchten, daß sie in Wahrheit nur darum von Hause fortgelaufen und hierher gekommen sei, weil die Signora haben wolle, daß sie Maso's Frau werde. Indessen, nun stand kein Rückweg mehr offen — in Urballa mußte ihre Abwesenheit jetzt kund geworden sein — und weil es keine andere Rettung für sie gab, als wenn Maso recht hätte, so flüsterte sie mit einem tiefen Seufzer: Die Madonna gebe, daß es so ist! Als die Verwalterin sah, daß sie das Gespräch der Beiden nicht unterbrechen könne, war sie, um sich von aller Verantwortlichkeit zu befreien, hinüber nach der Villa geeilt; sie kannte ihren Padrone als einen Frühaufsteher, den man zwischen fünf und sechs nicht mehr störte; wirklich traf sie ihn in seinem Arbeitscabinet und erzählte ihm, draußen stehe die Gigia Landi im Hochzeitskleid, und der Maso sei nicht mit Reden mit ihr zu hindern gewesen. Der Signor Baldo schaute ernsthaft drein. Er bedachte sich und meinte, nun habe Gigia auch die Heirath mit Agenore unwiderruflich verscherzt, und sie sei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0075"/> keinen Augenblick hat sie mich irre gemacht — und sieh, ich wette: auch dies, daß du heute gekommen bist, hat sie vorausgewußt, ja, sie hat es so angestellt, denn sie will mir wohl, und sie weiß, daß ich ohne dich nicht so viel werth wäre als ein Olivenbaum, auf den der Frost gefallen ist.</p><lb/> <p>Gigia sah vor sich hin und schüttelte den Kopf. Es wollte ihr, so zuversichtlich auch Maso sprach, nicht einleuchten, daß sie in Wahrheit nur darum von Hause fortgelaufen und hierher gekommen sei, weil die Signora haben wolle, daß sie Maso's Frau werde. Indessen, nun stand kein Rückweg mehr offen — in Urballa mußte ihre Abwesenheit jetzt kund geworden sein — und weil es keine andere Rettung für sie gab, als wenn Maso recht hätte, so flüsterte sie mit einem tiefen Seufzer: Die Madonna gebe, daß es so ist!</p><lb/> <p>Als die Verwalterin sah, daß sie das Gespräch der Beiden nicht unterbrechen könne, war sie, um sich von aller Verantwortlichkeit zu befreien, hinüber nach der Villa geeilt; sie kannte ihren Padrone als einen Frühaufsteher, den man zwischen fünf und sechs nicht mehr störte; wirklich traf sie ihn in seinem Arbeitscabinet und erzählte ihm, draußen stehe die Gigia Landi im Hochzeitskleid, und der Maso sei nicht mit Reden mit ihr zu hindern gewesen.</p><lb/> <p>Der Signor Baldo schaute ernsthaft drein. Er bedachte sich und meinte, nun habe Gigia auch die Heirath mit Agenore unwiderruflich verscherzt, und sie sei<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0075]
keinen Augenblick hat sie mich irre gemacht — und sieh, ich wette: auch dies, daß du heute gekommen bist, hat sie vorausgewußt, ja, sie hat es so angestellt, denn sie will mir wohl, und sie weiß, daß ich ohne dich nicht so viel werth wäre als ein Olivenbaum, auf den der Frost gefallen ist.
Gigia sah vor sich hin und schüttelte den Kopf. Es wollte ihr, so zuversichtlich auch Maso sprach, nicht einleuchten, daß sie in Wahrheit nur darum von Hause fortgelaufen und hierher gekommen sei, weil die Signora haben wolle, daß sie Maso's Frau werde. Indessen, nun stand kein Rückweg mehr offen — in Urballa mußte ihre Abwesenheit jetzt kund geworden sein — und weil es keine andere Rettung für sie gab, als wenn Maso recht hätte, so flüsterte sie mit einem tiefen Seufzer: Die Madonna gebe, daß es so ist!
Als die Verwalterin sah, daß sie das Gespräch der Beiden nicht unterbrechen könne, war sie, um sich von aller Verantwortlichkeit zu befreien, hinüber nach der Villa geeilt; sie kannte ihren Padrone als einen Frühaufsteher, den man zwischen fünf und sechs nicht mehr störte; wirklich traf sie ihn in seinem Arbeitscabinet und erzählte ihm, draußen stehe die Gigia Landi im Hochzeitskleid, und der Maso sei nicht mit Reden mit ihr zu hindern gewesen.
Der Signor Baldo schaute ernsthaft drein. Er bedachte sich und meinte, nun habe Gigia auch die Heirath mit Agenore unwiderruflich verscherzt, und sie sei
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