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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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weist das Mittelalter statt des einen disponierenden Pol's (der
Kaiserstadt) derer mehrere auf, wie wir sie oben dargelegt haben 1).
Hier haben wir nur wegen der Klosterboten und des Boten-
und Güterzugs zwischen den verschiedenen Messplätzen noch
folgendes nachzutragen:

Die Klöster standen schon wegen der Gebetsverbrüderung
für die verstorbenen Ordensmitglieder (s. Adalbert Ebner, "Die
klösterlichen Gebetsverbrüderungen bis zum Ausgange der
Carolingischen Zeit", Regensburg 1890, Pfründordnung des
Klosters Geisenfeld I. 440; Söttl, "Stiftungen der Wittels-
bacher") und der dadurch gebotenen "Traueranzeigen" an die
Brüder-Anstalten miteinander in einem ständigen Verkehr;
sie hatten ihre Reisleute oder Boten, welche ihre Rosse für die
Bestellung von Nachrichten bereit halten mussten.

Zwischen den Messplätzen sodann bestand sogar eine
Rechtsgemeinschaft; so sind z. B. seit dem 12. Jahrh. die Cham-
pagne-Messen (Lagny sur Marne, Bar sur Aube, Provins-Troyes)
die Mittelpunkte des Waren- und Geldverkehrs für das ganze west-
liche Europa, insbesondere für die provencalischen und italie-
nischen Handelsstädte, sie bilden einen gleichsam selbständigen
Mess- und Zahlungsplatz. Gegen Mitte des 13. Jahrh. verfielen
diese Messen; um so lebhafter gestaltete sich der ständige
Handelsverkehr. (Vergl. Goldschmidt, Universalgeschichte des
Handelrechts. S. 193--200).

Der Messverkehr wird namentlich auch von den Kursbüchern
Herba's und Codognos berücksichtigt; schon das erste von 1563
gibt neben der Uebersicht über die poste ein Verzeichnis der
wichtigeren Messen.

Eine dritte Hauptroute ergab das Ziel der Hauptwall-
fahrten:
Rom, Santjago di Compostela, Loreto; für die Wall-
fahrer nach Santjago gab es schon im 11. Jhh. eine bequeme,

1) Von wirtschaftsgeschichtlicher Bedeutung ist ein Unterschied, der
zwischen den Angaben über die "poste" oder "positiones" auf der Peutinger-
Tafel und in Herbas Itinerario hervortritt: nach letzterem nämlich hat es
zur Zeit der Renaissance viel mehr Stationen zwischen zwei Hauptpunkten
und in viel gleichmässigerer Entfernung gegeben; die Route war passier-
barer geworden, als sie zur römischen Kaiserzeit war.

weist das Mittelalter statt des einen disponierenden Pol’s (der
Kaiserstadt) derer mehrere auf, wie wir sie oben dargelegt haben 1).
Hier haben wir nur wegen der Klosterboten und des Boten-
und Güterzugs zwischen den verschiedenen Messplätzen noch
folgendes nachzutragen:

Die Klöster standen schon wegen der Gebetsverbrüderung
für die verstorbenen Ordensmitglieder (s. Adalbert Ebner, »Die
klösterlichen Gebetsverbrüderungen bis zum Ausgange der
Carolingischen Zeit«, Regensburg 1890, Pfründordnung des
Klosters Geisenfeld I. 440; Söttl, »Stiftungen der Wittels-
bacher«) und der dadurch gebotenen »Traueranzeigen« an die
Brüder-Anstalten miteinander in einem ständigen Verkehr;
sie hatten ihre Reisleute oder Boten, welche ihre Rosse für die
Bestellung von Nachrichten bereit halten mussten.

Zwischen den Messplätzen sodann bestand sogar eine
Rechtsgemeinschaft; so sind z. B. seit dem 12. Jahrh. die Cham-
pagne-Messen (Lagny sur Marne, Bar sur Aube, Provins-Troyes)
die Mittelpunkte des Waren- und Geldverkehrs für das ganze west-
liche Europa, insbesondere für die provençalischen und italie-
nischen Handelsstädte, sie bilden einen gleichsam selbständigen
Mess- und Zahlungsplatz. Gegen Mitte des 13. Jahrh. verfielen
diese Messen; um so lebhafter gestaltete sich der ständige
Handelsverkehr. (Vergl. Goldschmidt, Universalgeschichte des
Handelrechts. S. 193—200).

Der Messverkehr wird namentlich auch von den Kursbüchern
Herba’s und Codognos berücksichtigt; schon das erste von 1563
gibt neben der Uebersicht über die poste ein Verzeichnis der
wichtigeren Messen.

Eine dritte Hauptroute ergab das Ziel der Hauptwall-
fahrten:
Rom, Santjago di Compostela, Loreto; für die Wall-
fahrer nach Santjago gab es schon im 11. Jhh. eine bequeme,

1) Von wirtschaftsgeschichtlicher Bedeutung ist ein Unterschied, der
zwischen den Angaben über die »poste« oder »positiones« auf der Peutinger-
Tafel und in Herbas Itinerario hervortritt: nach letzterem nämlich hat es
zur Zeit der Renaissance viel mehr Stationen zwischen zwei Hauptpunkten
und in viel gleichmässigerer Entfernung gegeben; die Route war passier-
barer geworden, als sie zur römischen Kaiserzeit war.
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[148/0164] weist das Mittelalter statt des einen disponierenden Pol’s (der Kaiserstadt) derer mehrere auf, wie wir sie oben dargelegt haben 1). Hier haben wir nur wegen der Klosterboten und des Boten- und Güterzugs zwischen den verschiedenen Messplätzen noch folgendes nachzutragen: Die Klöster standen schon wegen der Gebetsverbrüderung für die verstorbenen Ordensmitglieder (s. Adalbert Ebner, »Die klösterlichen Gebetsverbrüderungen bis zum Ausgange der Carolingischen Zeit«, Regensburg 1890, Pfründordnung des Klosters Geisenfeld I. 440; Söttl, »Stiftungen der Wittels- bacher«) und der dadurch gebotenen »Traueranzeigen« an die Brüder-Anstalten miteinander in einem ständigen Verkehr; sie hatten ihre Reisleute oder Boten, welche ihre Rosse für die Bestellung von Nachrichten bereit halten mussten. Zwischen den Messplätzen sodann bestand sogar eine Rechtsgemeinschaft; so sind z. B. seit dem 12. Jahrh. die Cham- pagne-Messen (Lagny sur Marne, Bar sur Aube, Provins-Troyes) die Mittelpunkte des Waren- und Geldverkehrs für das ganze west- liche Europa, insbesondere für die provençalischen und italie- nischen Handelsstädte, sie bilden einen gleichsam selbständigen Mess- und Zahlungsplatz. Gegen Mitte des 13. Jahrh. verfielen diese Messen; um so lebhafter gestaltete sich der ständige Handelsverkehr. (Vergl. Goldschmidt, Universalgeschichte des Handelrechts. S. 193—200). Der Messverkehr wird namentlich auch von den Kursbüchern Herba’s und Codognos berücksichtigt; schon das erste von 1563 gibt neben der Uebersicht über die poste ein Verzeichnis der wichtigeren Messen. Eine dritte Hauptroute ergab das Ziel der Hauptwall- fahrten: Rom, Santjago di Compostela, Loreto; für die Wall- fahrer nach Santjago gab es schon im 11. Jhh. eine bequeme, 1) Von wirtschaftsgeschichtlicher Bedeutung ist ein Unterschied, der zwischen den Angaben über die »poste« oder »positiones« auf der Peutinger- Tafel und in Herbas Itinerario hervortritt: nach letzterem nämlich hat es zur Zeit der Renaissance viel mehr Stationen zwischen zwei Hauptpunkten und in viel gleichmässigerer Entfernung gegeben; die Route war passier- barer geworden, als sie zur römischen Kaiserzeit war.

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/164>, abgerufen am 24.11.2024.