haltsamkeit und Reinheit seyn. Wir müssen, wenn wir einst ganz glücklich seyn wollen, für sie, sey sie auch nur noch Ideal, schon im voraus Achtung empfinden, ihr Treue und Liebe gelo- ben und halten, und uns ihrer würdig machen. Wie kann der eine tugend- hafte und rechtschaffne Gattin verlan- gen, der sich vorher in allen Wollüsten herumgewälzt und dadurch entehrt hat? Wie kann er einst mit reinem und wah- rem Herzen lieben, wie kann er Treue geloben und halten, wenn er sich nicht vom Anfang an an diese reinen und er- habenen Empfindungen gewöhnt, son- dern sie zur thierischen Wollust ernie- drigt hat?
7. Noch kann ich eine Regel nicht übergehen, die von grosser Wichtigkeit ist: Man vermeide die erste Ausschwei- fung der Art. Keine Ausschweifung zieht so gewiss die folgenden nach sich, als diese. Wer noch nie bis zu dem höch- sten Grad der Vertraulichkeit mit dem andern Geschlecht kam, der hat schon
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haltſamkeit und Reinheit ſeyn. Wir müſſen, wenn wir einſt ganz glücklich ſeyn wollen, für ſie, ſey ſie auch nur noch Ideal, ſchon im voraus Achtung empfinden, ihr Treue und Liebe gelo- ben und halten, und uns ihrer würdig machen. Wie kann der eine tugend- hafte und rechtſchaffne Gattin verlan- gen, der ſich vorher in allen Wollüſten herumgewälzt und dadurch entehrt hat? Wie kann er einſt mit reinem und wah- rem Herzen lieben, wie kann er Treue geloben und halten, wenn er ſich nicht vom Anfang an an dieſe reinen und er- habenen Empfindungen gewöhnt, ſon- dern ſie zur thieriſchen Wolluſt ernie- drigt hat?
7. Noch kann ich eine Regel nicht übergehen, die von groſser Wichtigkeit iſt: Man vermeide die erſte Ausſchwei- fung der Art. Keine Ausſchweifung zieht ſo gewiſs die folgenden nach ſich, als dieſe. Wer noch nie bis zu dem höch- ſten Grad der Vertraulichkeit mit dem andern Geſchlecht kam, der hat ſchon
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haltſamkeit und Reinheit ſeyn. Wir
müſſen, wenn wir einſt ganz glücklich
ſeyn wollen, für ſie, ſey ſie auch nur
noch Ideal, ſchon im voraus Achtung
empfinden, ihr Treue und Liebe gelo-
ben und halten, und uns ihrer würdig
machen. Wie kann der eine tugend-
hafte und rechtſchaffne Gattin verlan-
gen, der ſich vorher in allen Wollüſten
herumgewälzt und dadurch entehrt hat?
Wie kann er einſt mit reinem und wah-
rem Herzen lieben, wie kann er Treue
geloben und halten, wenn er ſich nicht
vom Anfang an an dieſe reinen und er-
habenen Empfindungen gewöhnt, ſon-
dern ſie zur thieriſchen Wolluſt ernie-
drigt hat?
7. Noch kann ich eine Regel nicht
übergehen, die von groſser Wichtigkeit
iſt: Man vermeide die erſte Ausſchwei-
fung der Art. Keine Ausſchweifung
zieht ſo gewiſs die folgenden nach ſich,
als dieſe. Wer noch nie bis zu dem höch-
ſten Grad der Vertraulichkeit mit dem
andern Geſchlecht kam, der hat ſchon
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/559>, abgerufen am 22.11.2024.
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