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Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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gen bezeichnen die Entdeckung der neuen Erdhälfte, als die merkwürdigste
Epoche in der Geschichte des menschlichen Geistes, und von hier an datirt ebenso-
wohl im allgemeinen eine großartigere Ansicht der Natur, als insbeson-
dere die Ausbildung einer eigentlichen physikalischen Geographie. - Eine
Menge neuer Erscheinungen boten sich den Ankömmlingen in Amerika dar;
man fand einen großen Continent von ununterbrochner Erstreckung,
in dem unter dem Aequator Schnee auf Bergen liegt. Dieß führte auf
eine genauere Bestimmung der untern Schneegrenze in den verschiedenen
Climaten, die man nach ihrer relativen Höhe über dem Meere
unterscheiden lernte; so wie man auch die Pflanzen- und Thier-formen
verschieden fand je nach der Höhe und Breite, unter der sie vorkom-
men. - Man warf die Frage auf, warum Amerika unter den Glei-
chen nicht so warm sei, als Afrika, und ob in seiner ganzen Erstreckung
es von Negern bewohnt sei? - Man fand, daß seine Einwohner einen
abgeschlossenen Menschenstamm ausmachen, der, zwar unter sich verschieden,
durch einen eigenthümlichen Bau der Backenknochen übereinstimmt,
nochmehr aber durch eine gewisse grammatische Analogie der Spra-
chen verbunden ist, in denen man bald semitische, bald sogar baski-
sche Anklänge zu vernehmen glaubte. Alles dieses mußte gründliche
Untersuchungen über die Menschenracen hervorbringen, erregen, ver-
breiten. Ganz besonders beschäftigte damals die Frage, die noch jetzt
Gegenstand von Untersuchungen ist, von woher die erste Bevölke-
rung dieses Erdtheils an Menschen und Thieren gekommen und ob eine
Einwanderung vom nördlichen Asien her wahrscheinlich sei? Ein sonst
geistreicher Schriftsteller meinte, um das Ueberkommen reissender
Thiere zu erklären, zu der Annahme genöthigt zu sein, daß sie
als ganz kleine Thiere in denselben Booten, worin die Menschen

gen bezeichnen die Entdeckung der neuen Erdhälfte, als die merkwürdigste
Epoche in der Geschichte des menschlichen Geistes, und von hier an datirt ebenso-
wohl im allgemeinen eine großartigere Ansicht der Natur, als insbeson-
dere die Ausbildung einer eigentlichen physikalischen Geographie. – Eine
Menge neuer Erscheinungen boten sich den Anköm̃lingen in Amerika dar;
man fand einen großen Continent von ununterbrochner Erstreckung,
in dem unter dem Aequator Schnee auf Bergen liegt. Dieß führte auf
eine genauere Bestim̃ung der untern Schneegrenze in den verschiedenen
Climaten, die man nach ihrer relativen Höhe über dem Meere
unterscheiden lernte; so wie man auch die Pflanzen- und Thier-formen
verschieden fand je nach der Höhe und Breite, unter der sie vorkom-
men. – Man warf die Frage auf, warum Amerika unter den Glei-
chen nicht so warm sei, als Afrika, und ob in seiner ganzen Erstreckung
es von Negern bewohnt sei? – Man fand, daß seine Einwohner einen
abgeschlossenen Menschenstam̃ ausmachen, der, zwar unter sich verschieden,
durch einen eigenthümlichen Bau der Backenknochen übereinstim̃t,
nochmehr aber durch eine gewisse grammatische Analogie der Spra-
chen verbunden ist, in denen man bald semitische, bald sogar baski-
sche Anklänge zu vernehmen glaubte. Alles dieses mußte gründliche
Untersuchungen über die Menschenracen hervorbringen, erregen, ver-
breiten. Ganz besonders beschäftigte damals die Frage, die noch jetzt
Gegenstand von Untersuchungen ist, von woher die erste Bevölke-
rung dieses Erdtheils an Menschen und Thieren gekom̃en und ob eine
Einwanderung vom nördlichen Asien her wahrscheinlich sei? Ein sonst
geistreicher Schriftsteller meinte, um das Ueberkom̃en reissender
Thiere zu erklären, zu der Annahme genöthigt zu sein, daß sie
als ganz kleine Thiere in denselben Booten, worin die Menschen

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[109/0113] gen bezeichnen die Entdeckung der neuen Erdhälfte, als die merkwürdigste Epoche in der Geschichte des menschlichen Geistes, u von hier an datirt ebenso- wohl im allgemeinen eine großartigere Ansicht der Natur, als insbeson- dere die Ausbildung einer eigentlichen physikalischen Geographie. – Eine Menge neuer Erscheinungen boten sich den Anköm̃lingen in Amerika dar; man fand einen großen Continent von ununterbrochner Erstreckung, in dem unter dem Aequator Schnee auf Bergen liegt. Dieß führte auf eine genauere Bestim̃ung der untern Schneegrenze in den verschiedenen Climaten, die man nach ihrer relativen Höhe über dem Meere unterscheiden lernte; so wie man auch die Pflanzen- u Thier-formen verschieden fand je nach der Höhe u Breite, unter der sie vorkom- men. – Man warf die Frage auf, warum Amerika unter den Glei- chen nicht so warm sei, als Afrika, und ob in seiner ganzen Erstreckung es von Negern bewohnt sei? – Man fand, daß seine Einwohner einen abgeschlossenen Menschenstam̃ ausmachen, der, zwar unter sich verschieden, durch einen eigenthümlichen Bau der Backenknochen übereinstim̃t, nochmehr aber durch eine gewisse grammatische Analogie der Spra- chen verbunden ist, in denen man bald semitische, bald sogar baski- sche Anklänge zu vernehmen glaubte. Alles dieses mußte gründliche Untersuchungen über die Menschenracen hervorbringen, erregen, ver- breiten. Ganz besonders beschäftigte damals die Frage, die noch jetzt Gegenstand von Untersuchungen ist, von woher die erste Bevölke- rung dieses Erdtheils an Menschen u Thieren gekom̃en u ob eine Einwanderung vom nördlichen Asien her wahrscheinlich sei? Ein sonst geistreicher Schriftsteller meinte, um das Ueberkom̃en reissender Thiere zu erklären, zu der Annahme genöthigt zu sein, daß sie als ganz kleine Thiere in denselben Booten, worin die Menschen

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Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
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Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/113>, abgerufen am 25.11.2024.