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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896.

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deinem Sohne, an deiner Tochter lauter Licht der Wahr-
heit und der Tugend, während doch die Lüge und die
Sünde sie bereits umnachtet? - Und doch suchet ihr sie
nicht, und wenn ihr vielleicht einmal suchet und nicht gleich
findet, was dann?

Oder glaubet ihr diejenigen, bei welchen euere Kinder
etwa sind, könnten dadurch beleidiget werden? Eitler Vor-
wand! Konnten nicht Maria und Joseph auch so sagen
- und dennoch suchten sie das Kind bei ihren Bekannten
und Verwandten. - Habet ihr den Knaben nicht gesehen?
So lautet die Frage und wird immer ängstlicher gestellt,
bis endlich beide nicht mehr reden, sondern nur schluchzen
können.

Oder weinet und trauert ihr nicht, wenn ihr das
Liebste auf Erden verlieret? - Der Knabe Jesus war
für Maria und Joseph die einzige Freude, der einzige
Trost, die einzige Liebe - ohne ihn waren sie schlimmer
bestellt als die Engel ohne Gott und die Welt ohne Sonne.
Aber was denn thun? Sie kehrten nach Jerusalem zurück
und suchten ihn.

Aber wozu denn diese Mühsal? Sie konnten ja
denken: Der Knabe ist Gott; er wird den Weg schon
finden; es kann ihm ja nichts Böses begegnen; wir wollen
hier warten, bis er kommt. So rechnet der kalte Verstand;
aber das Herz mit seiner Liebe kann sich damit nicht zu-
frieden geben. Diese Liebe will das Kind, und wagt das
scheinbar Unmögliche, dasselbe so bald als möglich zu
finden und wieder zu besitzen!

Christliche Eltern! Wenn ihr in der Bewachung euerer
Kinder vielleicht bequem und gleichgültig seid, selbst dann,
wenn die Schlangen der Verführung und der Leidenschaften
dieselben tödtlich vergiften, betrachtet das heiligste Ehepaar,
das Vorbild aller Väter und Mütter, welche in den
Himmel gelangen - betrachtet Maria und Joseph auf

deinem Sohne, an deiner Tochter lauter Licht der Wahr-
heit und der Tugend, während doch die Lüge und die
Sünde sie bereits umnachtet? – Und doch suchet ihr sie
nicht, und wenn ihr vielleicht einmal suchet und nicht gleich
findet, was dann?

Oder glaubet ihr diejenigen, bei welchen euere Kinder
etwa sind, könnten dadurch beleidiget werden? Eitler Vor-
wand! Konnten nicht Maria und Joseph auch so sagen
– und dennoch suchten sie das Kind bei ihren Bekannten
und Verwandten. – Habet ihr den Knaben nicht gesehen?
So lautet die Frage und wird immer ängstlicher gestellt,
bis endlich beide nicht mehr reden, sondern nur schluchzen
können.

Oder weinet und trauert ihr nicht, wenn ihr das
Liebste auf Erden verlieret? – Der Knabe Jesus war
für Maria und Joseph die einzige Freude, der einzige
Trost, die einzige Liebe – ohne ihn waren sie schlimmer
bestellt als die Engel ohne Gott und die Welt ohne Sonne.
Aber was denn thun? Sie kehrten nach Jerusalem zurück
und suchten ihn.

Aber wozu denn diese Mühsal? Sie konnten ja
denken: Der Knabe ist Gott; er wird den Weg schon
finden; es kann ihm ja nichts Böses begegnen; wir wollen
hier warten, bis er kommt. So rechnet der kalte Verstand;
aber das Herz mit seiner Liebe kann sich damit nicht zu-
frieden geben. Diese Liebe will das Kind, und wagt das
scheinbar Unmögliche, dasselbe so bald als möglich zu
finden und wieder zu besitzen!

Christliche Eltern! Wenn ihr in der Bewachung euerer
Kinder vielleicht bequem und gleichgültig seid, selbst dann,
wenn die Schlangen der Verführung und der Leidenschaften
dieselben tödtlich vergiften, betrachtet das heiligste Ehepaar,
das Vorbild aller Väter und Mütter, welche in den
Himmel gelangen – betrachtet Maria und Joseph auf

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[57/0069] deinem Sohne, an deiner Tochter lauter Licht der Wahr- heit und der Tugend, während doch die Lüge und die Sünde sie bereits umnachtet? – Und doch suchet ihr sie nicht, und wenn ihr vielleicht einmal suchet und nicht gleich findet, was dann? Oder glaubet ihr diejenigen, bei welchen euere Kinder etwa sind, könnten dadurch beleidiget werden? Eitler Vor- wand! Konnten nicht Maria und Joseph auch so sagen – und dennoch suchten sie das Kind bei ihren Bekannten und Verwandten. – Habet ihr den Knaben nicht gesehen? So lautet die Frage und wird immer ängstlicher gestellt, bis endlich beide nicht mehr reden, sondern nur schluchzen können. Oder weinet und trauert ihr nicht, wenn ihr das Liebste auf Erden verlieret? – Der Knabe Jesus war für Maria und Joseph die einzige Freude, der einzige Trost, die einzige Liebe – ohne ihn waren sie schlimmer bestellt als die Engel ohne Gott und die Welt ohne Sonne. Aber was denn thun? Sie kehrten nach Jerusalem zurück und suchten ihn. Aber wozu denn diese Mühsal? Sie konnten ja denken: Der Knabe ist Gott; er wird den Weg schon finden; es kann ihm ja nichts Böses begegnen; wir wollen hier warten, bis er kommt. So rechnet der kalte Verstand; aber das Herz mit seiner Liebe kann sich damit nicht zu- frieden geben. Diese Liebe will das Kind, und wagt das scheinbar Unmögliche, dasselbe so bald als möglich zu finden und wieder zu besitzen! Christliche Eltern! Wenn ihr in der Bewachung euerer Kinder vielleicht bequem und gleichgültig seid, selbst dann, wenn die Schlangen der Verführung und der Leidenschaften dieselben tödtlich vergiften, betrachtet das heiligste Ehepaar, das Vorbild aller Väter und Mütter, welche in den Himmel gelangen – betrachtet Maria und Joseph auf

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Zitationshilfe: Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/69>, abgerufen am 26.11.2024.