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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896.

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doch sonderbar, wie ihr Verhältniß eine Ehrensache der
Familie sein kann. Sehet einmal! Ist es für jede Familie
nicht eine Ehre, Söhne und Töchter erzogen zu haben,
welche mit Liebeleien sich nicht frühzeitig abgeben, sondern
ihre sinnliche Natur so in der Gewalt haben, daß sie zu-
warten, bis der von Gott und der Natur bestimmte Zeitpunkt
für den Eintritt in den Ehestand gekommen ist? Das ist
eine Ehre und ein Glück zugleich: Ein Glück, weil Gott
ihnen solche Kinder gegeben; eine Ehre, weil die Erzieh-
ung dies Geschenk ansgebildet hat. Daher freuen sich die
Eltern, wenn ihre fromme Tochter von einem wackern
Jüngling geliebt ist, und wenn ihr gottesfürchtiger Sohn
an gefallsüchtigen Puppen mit Verachtung vorübergeht, und
eine sittsame Jungfrau liebt, die beten und arbeiten kann.

Aber noch mehr, ihr betrachtet es als Ehrensache, daß
euer Namen und eure Tugend auf dieser Welt fortleben
nicht bloß in den Kindern, sondern auch in den kommenden
Geschlechtern. Denn wir wollen nicht bloß für den
Himmel, sondern auch für diese Welt, jeder in seiner Art,
unsterblich sein. Was nun gibt und befestigt euch diese
Hoffnung? Eben dies Verhältniß, das zu einer glücklichen
Ehe, und dadurch zu neuen Verbindungen und Verwandt-
schaften führen soll. Diese Verbindungen aber sind wieder
eine Ehrensache nicht bloß des Sohnes und der Tochter,
sondern der ganzen Familie. Oder rühmt man sich denn
nicht, mit guten und frommen und edeln Menschen ver-
wandt und befreundet zu sein.

Und endlich noch ein Umstand, der, obwohl von großer
Bedeutung, dennoch oft gar nicht berücksichtigt wird; aber
gerade deswegen muß ich die ganze Wahrheit verkünden.
Denn eingelebte Mißbräuche werden nicht auf einmal
gehoben, und die Wunden des Familienlebens nicht auf
einmal geheilt und gar nie, wenn wir nicht wie der barm-
herzige Samariter Essig und Oel verwenden, und zwar
soviel Essig als nothwendig ist.

doch sonderbar, wie ihr Verhältniß eine Ehrensache der
Familie sein kann. Sehet einmal! Ist es für jede Familie
nicht eine Ehre, Söhne und Töchter erzogen zu haben,
welche mit Liebeleien sich nicht frühzeitig abgeben, sondern
ihre sinnliche Natur so in der Gewalt haben, daß sie zu-
warten, bis der von Gott und der Natur bestimmte Zeitpunkt
für den Eintritt in den Ehestand gekommen ist? Das ist
eine Ehre und ein Glück zugleich: Ein Glück, weil Gott
ihnen solche Kinder gegeben; eine Ehre, weil die Erzieh-
ung dies Geschenk ansgebildet hat. Daher freuen sich die
Eltern, wenn ihre fromme Tochter von einem wackern
Jüngling geliebt ist, und wenn ihr gottesfürchtiger Sohn
an gefallsüchtigen Puppen mit Verachtung vorübergeht, und
eine sittsame Jungfrau liebt, die beten und arbeiten kann.

Aber noch mehr, ihr betrachtet es als Ehrensache, daß
euer Namen und eure Tugend auf dieser Welt fortleben
nicht bloß in den Kindern, sondern auch in den kommenden
Geschlechtern. Denn wir wollen nicht bloß für den
Himmel, sondern auch für diese Welt, jeder in seiner Art,
unsterblich sein. Was nun gibt und befestigt euch diese
Hoffnung? Eben dies Verhältniß, das zu einer glücklichen
Ehe, und dadurch zu neuen Verbindungen und Verwandt-
schaften führen soll. Diese Verbindungen aber sind wieder
eine Ehrensache nicht bloß des Sohnes und der Tochter,
sondern der ganzen Familie. Oder rühmt man sich denn
nicht, mit guten und frommen und edeln Menschen ver-
wandt und befreundet zu sein.

Und endlich noch ein Umstand, der, obwohl von großer
Bedeutung, dennoch oft gar nicht berücksichtigt wird; aber
gerade deswegen muß ich die ganze Wahrheit verkünden.
Denn eingelebte Mißbräuche werden nicht auf einmal
gehoben, und die Wunden des Familienlebens nicht auf
einmal geheilt und gar nie, wenn wir nicht wie der barm-
herzige Samariter Essig und Oel verwenden, und zwar
soviel Essig als nothwendig ist.

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[67/0079] doch sonderbar, wie ihr Verhältniß eine Ehrensache der Familie sein kann. Sehet einmal! Ist es für jede Familie nicht eine Ehre, Söhne und Töchter erzogen zu haben, welche mit Liebeleien sich nicht frühzeitig abgeben, sondern ihre sinnliche Natur so in der Gewalt haben, daß sie zu- warten, bis der von Gott und der Natur bestimmte Zeitpunkt für den Eintritt in den Ehestand gekommen ist? Das ist eine Ehre und ein Glück zugleich: Ein Glück, weil Gott ihnen solche Kinder gegeben; eine Ehre, weil die Erzieh- ung dies Geschenk ansgebildet hat. Daher freuen sich die Eltern, wenn ihre fromme Tochter von einem wackern Jüngling geliebt ist, und wenn ihr gottesfürchtiger Sohn an gefallsüchtigen Puppen mit Verachtung vorübergeht, und eine sittsame Jungfrau liebt, die beten und arbeiten kann. Aber noch mehr, ihr betrachtet es als Ehrensache, daß euer Namen und eure Tugend auf dieser Welt fortleben nicht bloß in den Kindern, sondern auch in den kommenden Geschlechtern. Denn wir wollen nicht bloß für den Himmel, sondern auch für diese Welt, jeder in seiner Art, unsterblich sein. Was nun gibt und befestigt euch diese Hoffnung? Eben dies Verhältniß, das zu einer glücklichen Ehe, und dadurch zu neuen Verbindungen und Verwandt- schaften führen soll. Diese Verbindungen aber sind wieder eine Ehrensache nicht bloß des Sohnes und der Tochter, sondern der ganzen Familie. Oder rühmt man sich denn nicht, mit guten und frommen und edeln Menschen ver- wandt und befreundet zu sein. Und endlich noch ein Umstand, der, obwohl von großer Bedeutung, dennoch oft gar nicht berücksichtigt wird; aber gerade deswegen muß ich die ganze Wahrheit verkünden. Denn eingelebte Mißbräuche werden nicht auf einmal gehoben, und die Wunden des Familienlebens nicht auf einmal geheilt und gar nie, wenn wir nicht wie der barm- herzige Samariter Essig und Oel verwenden, und zwar soviel Essig als nothwendig ist.

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Zitationshilfe: Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/79>, abgerufen am 27.11.2024.