stehen, folgt gerade eben so, wie wenn man aus Cicero's Briefen beweisen wollte, in Rom habe man vorher keine Briefe geschrie- ben.
Aber ausgelernte Politiker waren die Auguste, denn daß sie keine constitutiones machten, hält ein Compendienschreiber für Po- litik, wenn der andere eine noch größere darin sieht, daß sie welche machten, und gerade ihre härtesten Aenderungen so einkleideten. Wer keinen so übermäßig feinen politischen Tact hat, der kann etwa glauben, August habe viele Veränderungen gemacht, weil er lange regierte, und weil er über ein cultivirtes und verdorbenes Volk regierte; er habe den Geist der Monarchie zuweilen befolgt, so wie ihn die meisten Monarchen befolgen, d. h. ohne es deutlich zu wissen; vor das Volk seyen die wichtigsten neuen Verordnungen ge- bracht worden, und nicht blos die angenehm- sten, so wie man von jeher die wichtigsten Verordnungen vor das Volk gebracht habe, ohne deswegen gar keine andere zu machen.
§. 88.
Die Volksschlüsse unter August sind für uns, besonders wegen der vielen Commenta- re, welche im zweyten Jahrhundert darüber
ge-
Theil I. bis Juſtinian.
ſtehen, folgt gerade eben ſo, wie wenn man aus Cicero’s Briefen beweiſen wollte, in Rom habe man vorher keine Briefe geſchrie- ben.
Aber ausgelernte Politiker waren die Auguſte, denn daß ſie keine conſtitutiones machten, haͤlt ein Compendienſchreiber fuͤr Po- litik, wenn der andere eine noch groͤßere darin ſieht, daß ſie welche machten, und gerade ihre haͤrteſten Aenderungen ſo einkleideten. Wer keinen ſo uͤbermaͤßig feinen politiſchen Tact hat, der kann etwa glauben, Auguſt habe viele Veraͤnderungen gemacht, weil er lange regierte, und weil er uͤber ein cultivirtes und verdorbenes Volk regierte; er habe den Geiſt der Monarchie zuweilen befolgt, ſo wie ihn die meiſten Monarchen befolgen, d. h. ohne es deutlich zu wiſſen; vor das Volk ſeyen die wichtigſten neuen Verordnungen ge- bracht worden, und nicht blos die angenehm- ſten, ſo wie man von jeher die wichtigſten Verordnungen vor das Volk gebracht habe, ohne deswegen gar keine andere zu machen.
§. 88.
Die Volksſchluͤſſe unter Auguſt ſind fuͤr uns, beſonders wegen der vielen Commenta- re, welche im zweyten Jahrhundert daruͤber
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Theil I. bis Juſtinian.
ſtehen, folgt gerade eben ſo, wie wenn man
aus Cicero’s Briefen beweiſen wollte, in
Rom habe man vorher keine Briefe geſchrie-
ben.
Aber ausgelernte Politiker waren die
Auguſte, denn daß ſie keine conſtitutiones
machten, haͤlt ein Compendienſchreiber fuͤr Po-
litik, wenn der andere eine noch groͤßere darin
ſieht, daß ſie welche machten, und gerade
ihre haͤrteſten Aenderungen ſo einkleideten.
Wer keinen ſo uͤbermaͤßig feinen politiſchen
Tact hat, der kann etwa glauben, Auguſt
habe viele Veraͤnderungen gemacht, weil er
lange regierte, und weil er uͤber ein cultivirtes
und verdorbenes Volk regierte; er habe den
Geiſt der Monarchie zuweilen befolgt, ſo wie
ihn die meiſten Monarchen befolgen, d. h.
ohne es deutlich zu wiſſen; vor das Volk
ſeyen die wichtigſten neuen Verordnungen ge-
bracht worden, und nicht blos die angenehm-
ſten, ſo wie man von jeher die wichtigſten
Verordnungen vor das Volk gebracht habe,
ohne deswegen gar keine andere zu machen.
§. 88.
Die Volksſchluͤſſe unter Auguſt ſind fuͤr
uns, beſonders wegen der vielen Commenta-
re, welche im zweyten Jahrhundert daruͤber
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Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hugo_rechtsgeschichte_1790/108>, abgerufen am 16.02.2025.
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