Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.wenn er ihn auf einer fernen Küste aussprechen hört, nicht Am Abend ließen wir unsere Instrumente ausschiffen und wenn er ihn auf einer fernen Küſte ausſprechen hört, nicht Am Abend ließen wir unſere Inſtrumente ausſchiffen und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0173" n="157"/> wenn er ihn auf einer fernen Küſte ausſprechen hört, nicht<lb/> lieblicher in den Ohren klingen, als uns hier die Worte<lb/> Stickſtoff, Eiſenoxyd, Hygrometer. Wir wußten, daß wir,<lb/> trotz der Befehle des Hofes und der Empfehlung eines mäch-<lb/> tigen Miniſters, bei unſerem Aufenthalt in den ſpaniſchen<lb/> Kolonieen mit zahlloſen Unannehmlichkeiten zu kämpfen haben<lb/> würden, wenn es uns nicht gelang, bei den Regenten dieſer<lb/> ungeheuren Landſtrecken beſondere Teilnahme für uns zu<lb/> wecken. Emparan war ein zu warmer Freund der Wiſſen-<lb/> ſchaft, um es ſeltſam zu finden, daß wir ſo weit hergekommen,<lb/> um Pflanzen zu ſammeln und die Lage gewiſſer Oertlichkeiten<lb/> aſtronomiſch zu beſtimmen. Er argwöhnte keine anderen Be-<lb/> weggründe unſerer Reiſe als die in unſeren Päſſen angegebenen,<lb/> und die öffentlichen Beweiſe von Achtung, die er uns<lb/> während unſeres langen Aufenthaltes in ſeinem Regierungs-<lb/> bezirke gegeben, haben Großes dazu beigetragen, uns überall<lb/> in Südamerika eine freundliche Aufnahme zu verſchaffen.</p><lb/> <p>Am Abend ließen wir unſere Inſtrumente ausſchiffen und<lb/> fanden zu unſerer großen Befriedigung keines beſchädigt. Wir<lb/> mieteten ein geräumiges, für die aſtronomiſchen Beobachtun-<lb/> gen günſtig gelegenes Haus. Man genoß darin, wenn der<lb/> Seewind wehte, einer angenehmen Kühle; die Fenſter waren<lb/> ohne Scheiben, nicht einmal mit Papier bezogen, das in<lb/> Cumana meiſt ſtatt des Glaſes dient. Sämtliche Paſſagiere<lb/> des Pizarro verließen das Schiff, aber die vom bösartigen<lb/> Fieber Befallenen genaſen ſehr langſam. Wir ſahen welche,<lb/> die nach einem Monat, trotz der guten Pflege, die ihnen von<lb/> ihren Landsleuten geworden, noch erſchrecklich blaß und mager<lb/> waren. In den ſpaniſchen Kolonieen iſt die Gaſtfreundſchaft<lb/> ſo groß, daß ein Europäer, käme er auch ohne Empfehlung<lb/> und ohne Geldmittel an, ſo ziemlich ſicher auf Unterſtützung<lb/> rechnen kann, wenn er krank in irgend einem Hafen ans<lb/> Land geht. Die Katalonier, Galicier und Biscayer ſtehen<lb/> im ſtärkſten Verkehr mit Amerika. Sie bilden dort gleichſam<lb/> drei geſonderte Korporationen, die auf die Sitten, den Ge-<lb/> werbfleiß und den Handel der Kolonieen bedeutenden Einfluß<lb/> haben. Der ärmſte Einwohner von Siges oder Vigo iſt<lb/> ſicher, im Hauſe eines kataloniſchen oder galiciſchen <hi rendition="#g">Pulpero</hi><lb/> (Krämer) Aufnahme zu finden, ob er nun nach Chile oder<lb/> nach Mexiko oder auf die Philippinen kommt. Ich habe die<lb/> rührendſten Beiſpiele geſehen, wie für unbekannte Menſchen<lb/> ganze Jahre lang unverdroſſen geſorgt wird. Man kann<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [157/0173]
wenn er ihn auf einer fernen Küſte ausſprechen hört, nicht
lieblicher in den Ohren klingen, als uns hier die Worte
Stickſtoff, Eiſenoxyd, Hygrometer. Wir wußten, daß wir,
trotz der Befehle des Hofes und der Empfehlung eines mäch-
tigen Miniſters, bei unſerem Aufenthalt in den ſpaniſchen
Kolonieen mit zahlloſen Unannehmlichkeiten zu kämpfen haben
würden, wenn es uns nicht gelang, bei den Regenten dieſer
ungeheuren Landſtrecken beſondere Teilnahme für uns zu
wecken. Emparan war ein zu warmer Freund der Wiſſen-
ſchaft, um es ſeltſam zu finden, daß wir ſo weit hergekommen,
um Pflanzen zu ſammeln und die Lage gewiſſer Oertlichkeiten
aſtronomiſch zu beſtimmen. Er argwöhnte keine anderen Be-
weggründe unſerer Reiſe als die in unſeren Päſſen angegebenen,
und die öffentlichen Beweiſe von Achtung, die er uns
während unſeres langen Aufenthaltes in ſeinem Regierungs-
bezirke gegeben, haben Großes dazu beigetragen, uns überall
in Südamerika eine freundliche Aufnahme zu verſchaffen.
Am Abend ließen wir unſere Inſtrumente ausſchiffen und
fanden zu unſerer großen Befriedigung keines beſchädigt. Wir
mieteten ein geräumiges, für die aſtronomiſchen Beobachtun-
gen günſtig gelegenes Haus. Man genoß darin, wenn der
Seewind wehte, einer angenehmen Kühle; die Fenſter waren
ohne Scheiben, nicht einmal mit Papier bezogen, das in
Cumana meiſt ſtatt des Glaſes dient. Sämtliche Paſſagiere
des Pizarro verließen das Schiff, aber die vom bösartigen
Fieber Befallenen genaſen ſehr langſam. Wir ſahen welche,
die nach einem Monat, trotz der guten Pflege, die ihnen von
ihren Landsleuten geworden, noch erſchrecklich blaß und mager
waren. In den ſpaniſchen Kolonieen iſt die Gaſtfreundſchaft
ſo groß, daß ein Europäer, käme er auch ohne Empfehlung
und ohne Geldmittel an, ſo ziemlich ſicher auf Unterſtützung
rechnen kann, wenn er krank in irgend einem Hafen ans
Land geht. Die Katalonier, Galicier und Biscayer ſtehen
im ſtärkſten Verkehr mit Amerika. Sie bilden dort gleichſam
drei geſonderte Korporationen, die auf die Sitten, den Ge-
werbfleiß und den Handel der Kolonieen bedeutenden Einfluß
haben. Der ärmſte Einwohner von Siges oder Vigo iſt
ſicher, im Hauſe eines kataloniſchen oder galiciſchen Pulpero
(Krämer) Aufnahme zu finden, ob er nun nach Chile oder
nach Mexiko oder auf die Philippinen kommt. Ich habe die
rührendſten Beiſpiele geſehen, wie für unbekannte Menſchen
ganze Jahre lang unverdroſſen geſorgt wird. Man kann
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