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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Fichten Mexikos fehlen auf den Kordilleren von Peru; auf
der Silla von Caracas wachsen nicht die Eichen, die man in
Neugranada in derselben Höhe findet. Die Uebereinstimmung
in den Bildungen deutet auf analoges Klima; aber in ana-
logen Klimaten können die Arten bedeutend voneinander
abweichen.

Die herrliche Alpenrose der Anden, die Befaria, wurde
zuerst von Mutis beschrieben, der sie bei Pamplona und
Santa Fe de Bogota unter dem 4. bis 7. Grad nördlicher
Breite gefunden. Sie war vor unserer Besteigung der Silla
so wenig bekannt, daß sie sich fast in keinem Herbarium in
Europa fand. Wie die Alpenrosen Lapplands, des Kau-
kasus und der Alpen 1 voneinander abweichen, so sind auch
die beiden Befariaarten, die wir von der Silla mitgebracht, 2
von denen bei Santa Fe de Bogota 3 spezifisch verschieden.
In der Nähe des Aequators bedecken die Alpenrosen der
Anden die Berge bis in die höchsten Paramos hinauf, in
3120 bis 3312 m Meereshöhe. Weiter gegen Norden, auf
der Silla von Caracas, findet man sie weit tiefer, in etwas
über 1950 m Höhe; die kürzlich in Florida unter dem 30. Grade
der Breite entdeckte Befaria wächst sogar auf niedrigen Hügeln.
So rücken denn auf einer Strecke von 2700 km der Breite
diese Sträucher immer weiter gegen das Tiefland herab, je
weiter vom Aequator sie vorkommen. Ebenso wächst die lapp-
ländische Alpenrose 1560 bis 1750 m tiefer als die der Alpen
oder Pyrenäen. Wir wunderten uns, daß wir in den Ge-
birgen von Mexiko, zwischen den Alpenrosen von Santa Fe
und Caracas einerseits und denen von Florida andererseits,
keine Befariaart fanden.

Im kleinen Buschwalde auf der Silla ist die Befaria
ledifolia
nur 1 bis 1,3 m hoch. Der Stamm teilt sich gleich
am Boden in viele zerbrechliche, fast quirlförmig gestellte Aeste.
Die Blätter sind eiförmig, zugespitzt, an der Unterfläche grau-
grün und an den Rändern aufgerollt. Die ganze Pflanze
ist mit langen, klebrigen Haaren bedeckt und hat einen sehr
angenehmen Harzgeruch. Die Bienen besuchen ihre schönen,
purpurroten Blüten, die, wie bei allen Alpenpflanzen, un-

1 Rhododendrum laponicum, R. caucasicum, R. ferrugi-
neum, R. hirsutum.
2 Befaria glauca, B. ledifolia.
3 B. aestuans, B. resinosa.

Fichten Mexikos fehlen auf den Kordilleren von Peru; auf
der Silla von Caracas wachſen nicht die Eichen, die man in
Neugranada in derſelben Höhe findet. Die Uebereinſtimmung
in den Bildungen deutet auf analoges Klima; aber in ana-
logen Klimaten können die Arten bedeutend voneinander
abweichen.

Die herrliche Alpenroſe der Anden, die Befaria, wurde
zuerſt von Mutis beſchrieben, der ſie bei Pamplona und
Santa Fé de Bogota unter dem 4. bis 7. Grad nördlicher
Breite gefunden. Sie war vor unſerer Beſteigung der Silla
ſo wenig bekannt, daß ſie ſich faſt in keinem Herbarium in
Europa fand. Wie die Alpenroſen Lapplands, des Kau-
kaſus und der Alpen 1 voneinander abweichen, ſo ſind auch
die beiden Befariaarten, die wir von der Silla mitgebracht, 2
von denen bei Santa Fé de Bogota 3 ſpezifiſch verſchieden.
In der Nähe des Aequators bedecken die Alpenroſen der
Anden die Berge bis in die höchſten Paramos hinauf, in
3120 bis 3312 m Meereshöhe. Weiter gegen Norden, auf
der Silla von Caracas, findet man ſie weit tiefer, in etwas
über 1950 m Höhe; die kürzlich in Florida unter dem 30. Grade
der Breite entdeckte Befaria wächſt ſogar auf niedrigen Hügeln.
So rücken denn auf einer Strecke von 2700 km der Breite
dieſe Sträucher immer weiter gegen das Tiefland herab, je
weiter vom Aequator ſie vorkommen. Ebenſo wächſt die lapp-
ländiſche Alpenroſe 1560 bis 1750 m tiefer als die der Alpen
oder Pyrenäen. Wir wunderten uns, daß wir in den Ge-
birgen von Mexiko, zwiſchen den Alpenroſen von Santa Fé
und Caracas einerſeits und denen von Florida andererſeits,
keine Befariaart fanden.

Im kleinen Buſchwalde auf der Silla iſt die Befaria
ledifolia
nur 1 bis 1,3 m hoch. Der Stamm teilt ſich gleich
am Boden in viele zerbrechliche, faſt quirlförmig geſtellte Aeſte.
Die Blätter ſind eiförmig, zugeſpitzt, an der Unterfläche grau-
grün und an den Rändern aufgerollt. Die ganze Pflanze
iſt mit langen, klebrigen Haaren bedeckt und hat einen ſehr
angenehmen Harzgeruch. Die Bienen beſuchen ihre ſchönen,
purpurroten Blüten, die, wie bei allen Alpenpflanzen, un-

1 Rhododendrum laponicum, R. caucasicum, R. ferrugi-
neum, R. hirsutum.
2 Befaria glauca, B. ledifolia.
3 B. aestuans, B. resinosa.
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[134/0142] Fichten Mexikos fehlen auf den Kordilleren von Peru; auf der Silla von Caracas wachſen nicht die Eichen, die man in Neugranada in derſelben Höhe findet. Die Uebereinſtimmung in den Bildungen deutet auf analoges Klima; aber in ana- logen Klimaten können die Arten bedeutend voneinander abweichen. Die herrliche Alpenroſe der Anden, die Befaria, wurde zuerſt von Mutis beſchrieben, der ſie bei Pamplona und Santa Fé de Bogota unter dem 4. bis 7. Grad nördlicher Breite gefunden. Sie war vor unſerer Beſteigung der Silla ſo wenig bekannt, daß ſie ſich faſt in keinem Herbarium in Europa fand. Wie die Alpenroſen Lapplands, des Kau- kaſus und der Alpen 1 voneinander abweichen, ſo ſind auch die beiden Befariaarten, die wir von der Silla mitgebracht, 2 von denen bei Santa Fé de Bogota 3 ſpezifiſch verſchieden. In der Nähe des Aequators bedecken die Alpenroſen der Anden die Berge bis in die höchſten Paramos hinauf, in 3120 bis 3312 m Meereshöhe. Weiter gegen Norden, auf der Silla von Caracas, findet man ſie weit tiefer, in etwas über 1950 m Höhe; die kürzlich in Florida unter dem 30. Grade der Breite entdeckte Befaria wächſt ſogar auf niedrigen Hügeln. So rücken denn auf einer Strecke von 2700 km der Breite dieſe Sträucher immer weiter gegen das Tiefland herab, je weiter vom Aequator ſie vorkommen. Ebenſo wächſt die lapp- ländiſche Alpenroſe 1560 bis 1750 m tiefer als die der Alpen oder Pyrenäen. Wir wunderten uns, daß wir in den Ge- birgen von Mexiko, zwiſchen den Alpenroſen von Santa Fé und Caracas einerſeits und denen von Florida andererſeits, keine Befariaart fanden. Im kleinen Buſchwalde auf der Silla iſt die Befaria ledifolia nur 1 bis 1,3 m hoch. Der Stamm teilt ſich gleich am Boden in viele zerbrechliche, faſt quirlförmig geſtellte Aeſte. Die Blätter ſind eiförmig, zugeſpitzt, an der Unterfläche grau- grün und an den Rändern aufgerollt. Die ganze Pflanze iſt mit langen, klebrigen Haaren bedeckt und hat einen ſehr angenehmen Harzgeruch. Die Bienen beſuchen ihre ſchönen, purpurroten Blüten, die, wie bei allen Alpenpflanzen, un- 1 Rhododendrum laponicum, R. caucasicum, R. ferrugi- neum, R. hirsutum. 2 Befaria glauca, B. ledifolia. 3 B. aestuans, B. resinosa.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/142>, abgerufen am 24.11.2024.