Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.richtung gleich einem Krahn. Auf dem Schiffe stehen sie in Wir verließen Porto Cabello am 1. März mit Sonnen- Wir gingen von Porto Cabello in die Thäler von Aragua richtung gleich einem Krahn. Auf dem Schiffe ſtehen ſie in Wir verließen Porto Cabello am 1. März mit Sonnen- Wir gingen von Porto Cabello in die Thäler von Aragua <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0248" n="240"/> richtung gleich einem Krahn. Auf dem Schiffe ſtehen ſie in<lb/> zwei Reihen und können ſich beim Schlingern und Stampfen<lb/> kaum auf den Beinen halten. Um ſie zu ſchrecken und füg-<lb/> ſamer zu machen, wird faſt fortwährend Tag und Nacht die<lb/> Trommel gerührt. Man kann ſich denken, wie ſanft ein Paſ-<lb/> ſagier ruht, der den Mut hat, ſich auf einer ſolchen mit Maul-<lb/> tieren beladenen Goelette nach Jamaika einzuſchiffen.</p><lb/> <p>Wir verließen Porto Cabello am 1. März mit Sonnen-<lb/> aufgang. Mit Verwunderung ſahen wir die Maſſe von Kähnen,<lb/> welche Früchte zu Markte brachten. Es mahnte mich an einen<lb/> ſchönen Morgen in Venedig. Vom Meere aus geſehen, liegt<lb/> die Stadt im ganzen freundlich und angenehm da. Dicht be-<lb/> wachſene Berge, über denen Gipfel aufſteigen, die man nach<lb/> ihren Umriſſen der Trappformation zuſchreiben könnte, bilden<lb/> den Hintergrund der Landſchaft. In der Nähe der Küſte iſt<lb/> alles nackt, weiß, ſtark beleuchtet, die Bergwand dagegen mit<lb/> dicht belaubten Bäumen bedeckt, die ihre gewaltigen Schatten<lb/> über braunes ſteiniges Erdreich werfen. Vor der Stadt be-<lb/> ſahen wir die eben fertig gewordene Waſſerleitung. Sie iſt<lb/> 4180 <hi rendition="#aq">m</hi> lang und führt in einer Rinne das Waſſer des Rio<lb/> Eſtevan in die Stadt. Dieſes Werk hat 30000 Piaſter ge-<lb/> koſtet, das Waſſer ſpringt aber auch in allen Straßen.</p><lb/> <p>Wir gingen von Porto Cabello in die Thäler von Aragua<lb/> zurück und hielten wieder auf der Pflanzung von Barbula an,<lb/> über welche die neue Straße nach Valencia geführt wird.<lb/> Wir hatten ſchon ſeit mehreren Wochen von einem Baume<lb/> ſprechen hören, deſſen Saft eine nährende Milch iſt. Man<lb/> nennt ihn den <hi rendition="#g">Kuhbaum</hi>, und man verſicherte uns, die Neger<lb/> auf dem Hofe trinken viel von dieſer vegetabiliſchen Milch<lb/> und halten ſie für ein geſundes Nahrungsmittel. Da alle<lb/> milchigen Pflanzenſäfte ſcharf, bitter und mehr oder weniger<lb/> giftig ſind, ſo ſchien uns dieſe Behauptung ſehr ſonder-<lb/> bar; aber die Erfahrung lehrte uns während unſeres Aufent-<lb/> haltes in Barbula, daß, was man uns von den Eigenſchaften<lb/> des <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Palo de Vaca</hi></hi> erzählt hatte, nicht übertrieben war. Der<lb/> ſchöne Baum hat den Habitus des <hi rendition="#aq">Chrysophyllum Cainito</hi><lb/> oder Sternapfelbaumes; die länglichen, zugeſpitzten, lederartigen,<lb/> abwechſelnden Blätter haben unten vorſpringende, parallele<lb/> Seitenrippen und werden 26 <hi rendition="#aq">cm</hi> lang. Die Blüte bekamen<lb/> wir nicht zu ſehen; die Frucht hat wenig Fleiſch und enthält<lb/> eine, bisweilen zwei Nüſſe. Macht man Einſchnitte in den<lb/> Stamm des Kuhbaumes, ſo fließt ſehr reichlich eine klebrige<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [240/0248]
richtung gleich einem Krahn. Auf dem Schiffe ſtehen ſie in
zwei Reihen und können ſich beim Schlingern und Stampfen
kaum auf den Beinen halten. Um ſie zu ſchrecken und füg-
ſamer zu machen, wird faſt fortwährend Tag und Nacht die
Trommel gerührt. Man kann ſich denken, wie ſanft ein Paſ-
ſagier ruht, der den Mut hat, ſich auf einer ſolchen mit Maul-
tieren beladenen Goelette nach Jamaika einzuſchiffen.
Wir verließen Porto Cabello am 1. März mit Sonnen-
aufgang. Mit Verwunderung ſahen wir die Maſſe von Kähnen,
welche Früchte zu Markte brachten. Es mahnte mich an einen
ſchönen Morgen in Venedig. Vom Meere aus geſehen, liegt
die Stadt im ganzen freundlich und angenehm da. Dicht be-
wachſene Berge, über denen Gipfel aufſteigen, die man nach
ihren Umriſſen der Trappformation zuſchreiben könnte, bilden
den Hintergrund der Landſchaft. In der Nähe der Küſte iſt
alles nackt, weiß, ſtark beleuchtet, die Bergwand dagegen mit
dicht belaubten Bäumen bedeckt, die ihre gewaltigen Schatten
über braunes ſteiniges Erdreich werfen. Vor der Stadt be-
ſahen wir die eben fertig gewordene Waſſerleitung. Sie iſt
4180 m lang und führt in einer Rinne das Waſſer des Rio
Eſtevan in die Stadt. Dieſes Werk hat 30000 Piaſter ge-
koſtet, das Waſſer ſpringt aber auch in allen Straßen.
Wir gingen von Porto Cabello in die Thäler von Aragua
zurück und hielten wieder auf der Pflanzung von Barbula an,
über welche die neue Straße nach Valencia geführt wird.
Wir hatten ſchon ſeit mehreren Wochen von einem Baume
ſprechen hören, deſſen Saft eine nährende Milch iſt. Man
nennt ihn den Kuhbaum, und man verſicherte uns, die Neger
auf dem Hofe trinken viel von dieſer vegetabiliſchen Milch
und halten ſie für ein geſundes Nahrungsmittel. Da alle
milchigen Pflanzenſäfte ſcharf, bitter und mehr oder weniger
giftig ſind, ſo ſchien uns dieſe Behauptung ſehr ſonder-
bar; aber die Erfahrung lehrte uns während unſeres Aufent-
haltes in Barbula, daß, was man uns von den Eigenſchaften
des Palo de Vaca erzählt hatte, nicht übertrieben war. Der
ſchöne Baum hat den Habitus des Chrysophyllum Cainito
oder Sternapfelbaumes; die länglichen, zugeſpitzten, lederartigen,
abwechſelnden Blätter haben unten vorſpringende, parallele
Seitenrippen und werden 26 cm lang. Die Blüte bekamen
wir nicht zu ſehen; die Frucht hat wenig Fleiſch und enthält
eine, bisweilen zwei Nüſſe. Macht man Einſchnitte in den
Stamm des Kuhbaumes, ſo fließt ſehr reichlich eine klebrige
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