von 3,9 km genommen wurden, erheben sich die Kuppen nicht mehr als 304 m über dem Dorfe San Juan und 682 m über dem Meere. Die warmen Quellen entspringen am Fuße der Kuppen, die aus Uebergangskalkstein bestehen; sie sind mit Schwefelwasserstoff geschwängert, wie die Wasser von Mariara, und bilden einen kleinen Teich oder eine Lagune, in der ich den Thermometer nur auf 31,3° steigen sah.
In der Nacht vom 9. zum 10. März fand ich durch sehr befriedigende Sternbeobachtungen die Breite von Villa de Cura 10° 2' 47". Die spanischen Offiziere, welche im Jahre 1755 bei der Grenzexpedition mit astronomischen In- strumenten an den Orinoko gekommen sind, können zu Cura nicht beobachtet haben, denn die Karte von Caulin und die von Cruz Olmedilla setzen diese Stadt einen Viertelsgrad zu weit südwärts.
Villa de Cura ist im Lande berühmt wegen eines wunder- thätigen Marienbildes, das Nuestra Sennora de los Valencianos genannt wird. Dieses Bild, das um die Mitte des 18. Jahr- hunderts von einem Indianer in einer Schlucht gefunden wurde, gab Anlaß zu einem Rechtshandel zwischen den Städten Cura und San Sebastiano de los Reyes. Die Geistlichen der letzteren Stadt behaupteten, die heil. Jungfrau sei zuerst in ihrem Sprengel erschienen. Der Bischof von Caracas, dem langen ärgerlichen Streite ein Ende zu machen, ließ das Bild in das bischöfliche Archiv schaffen und behielt es daselbst dreißig Jahre unter Siegel; es wurde den Einwohnern von Cura erst im Jahre 1802 zurückgegeben. Depons gibt umständliche Nach- richt von diesem seltsamen Handel.
Nachdem wir im kleinen Flusse San Juan auf einem Bette von basaltischem Grünstein, in frischem, klarem Wasser ge- badet, setzten wir um 2 Uhr in der Nacht unseren Weg über Ortiz und Parapara nach Mesa de Paja fort. Die Llanos waren damals durch Raubgesindel unsicher, weshalb sich mehrere Reisende an uns anschlossen, so daß wir eine Art Karawane bildeten. Sechs bis sieben Stunden lang ging es fortwährend abwärts; wir kamen am Cerro de Flores vorbei, wo die Straße zum großen Dorfe San Jose de Tisnao abgeht. An den Höfen Luque und Juncalito vorüber gelangt man in die Gründe, die wegen des schlechten Weges und der blauen Farbe der Schiefer Malpaso und Piedras Azules heißen. Wir standen hier auf dem alten Gestade des großen Beckens der Steppen, auf einem geologisch interessanten Boden.
von 3,9 km genommen wurden, erheben ſich die Kuppen nicht mehr als 304 m über dem Dorfe San Juan und 682 m über dem Meere. Die warmen Quellen entſpringen am Fuße der Kuppen, die aus Uebergangskalkſtein beſtehen; ſie ſind mit Schwefelwaſſerſtoff geſchwängert, wie die Waſſer von Mariara, und bilden einen kleinen Teich oder eine Lagune, in der ich den Thermometer nur auf 31,3° ſteigen ſah.
In der Nacht vom 9. zum 10. März fand ich durch ſehr befriedigende Sternbeobachtungen die Breite von Villa de Cura 10° 2′ 47″. Die ſpaniſchen Offiziere, welche im Jahre 1755 bei der Grenzexpedition mit aſtronomiſchen In- ſtrumenten an den Orinoko gekommen ſind, können zu Cura nicht beobachtet haben, denn die Karte von Caulin und die von Cruz Olmedilla ſetzen dieſe Stadt einen Viertelsgrad zu weit ſüdwärts.
Villa de Cura iſt im Lande berühmt wegen eines wunder- thätigen Marienbildes, das Nueſtra Señora de los Valencianos genannt wird. Dieſes Bild, das um die Mitte des 18. Jahr- hunderts von einem Indianer in einer Schlucht gefunden wurde, gab Anlaß zu einem Rechtshandel zwiſchen den Städten Cura und San Sebaſtiano de los Reyes. Die Geiſtlichen der letzteren Stadt behaupteten, die heil. Jungfrau ſei zuerſt in ihrem Sprengel erſchienen. Der Biſchof von Caracas, dem langen ärgerlichen Streite ein Ende zu machen, ließ das Bild in das biſchöfliche Archiv ſchaffen und behielt es daſelbſt dreißig Jahre unter Siegel; es wurde den Einwohnern von Cura erſt im Jahre 1802 zurückgegeben. Depons gibt umſtändliche Nach- richt von dieſem ſeltſamen Handel.
Nachdem wir im kleinen Fluſſe San Juan auf einem Bette von baſaltiſchem Grünſtein, in friſchem, klarem Waſſer ge- badet, ſetzten wir um 2 Uhr in der Nacht unſeren Weg über Ortiz und Parapara nach Meſa de Paja fort. Die Llanos waren damals durch Raubgeſindel unſicher, weshalb ſich mehrere Reiſende an uns anſchloſſen, ſo daß wir eine Art Karawane bildeten. Sechs bis ſieben Stunden lang ging es fortwährend abwärts; wir kamen am Cerro de Flores vorbei, wo die Straße zum großen Dorfe San Joſé de Tisnao abgeht. An den Höfen Luque und Juncalito vorüber gelangt man in die Gründe, die wegen des ſchlechten Weges und der blauen Farbe der Schiefer Malpaſo und Piedras Azules heißen. Wir ſtanden hier auf dem alten Geſtade des großen Beckens der Steppen, auf einem geologiſch intereſſanten Boden.
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von 3,9 km genommen wurden, erheben ſich die Kuppen nicht
mehr als 304 m über dem Dorfe San Juan und 682 m über
dem Meere. Die warmen Quellen entſpringen am Fuße der
Kuppen, die aus Uebergangskalkſtein beſtehen; ſie ſind mit
Schwefelwaſſerſtoff geſchwängert, wie die Waſſer von Mariara,
und bilden einen kleinen Teich oder eine Lagune, in der ich
den Thermometer nur auf 31,3° ſteigen ſah.
In der Nacht vom 9. zum 10. März fand ich durch
ſehr befriedigende Sternbeobachtungen die Breite von Villa
de Cura 10° 2′ 47″. Die ſpaniſchen Offiziere, welche im
Jahre 1755 bei der Grenzexpedition mit aſtronomiſchen In-
ſtrumenten an den Orinoko gekommen ſind, können zu Cura
nicht beobachtet haben, denn die Karte von Caulin und die
von Cruz Olmedilla ſetzen dieſe Stadt einen Viertelsgrad zu
weit ſüdwärts.
Villa de Cura iſt im Lande berühmt wegen eines wunder-
thätigen Marienbildes, das Nueſtra Señora de los Valencianos
genannt wird. Dieſes Bild, das um die Mitte des 18. Jahr-
hunderts von einem Indianer in einer Schlucht gefunden
wurde, gab Anlaß zu einem Rechtshandel zwiſchen den Städten
Cura und San Sebaſtiano de los Reyes. Die Geiſtlichen
der letzteren Stadt behaupteten, die heil. Jungfrau ſei zuerſt
in ihrem Sprengel erſchienen. Der Biſchof von Caracas, dem
langen ärgerlichen Streite ein Ende zu machen, ließ das Bild
in das biſchöfliche Archiv ſchaffen und behielt es daſelbſt dreißig
Jahre unter Siegel; es wurde den Einwohnern von Cura erſt
im Jahre 1802 zurückgegeben. Depons gibt umſtändliche Nach-
richt von dieſem ſeltſamen Handel.
Nachdem wir im kleinen Fluſſe San Juan auf einem Bette
von baſaltiſchem Grünſtein, in friſchem, klarem Waſſer ge-
badet, ſetzten wir um 2 Uhr in der Nacht unſeren Weg über
Ortiz und Parapara nach Meſa de Paja fort. Die Llanos
waren damals durch Raubgeſindel unſicher, weshalb ſich mehrere
Reiſende an uns anſchloſſen, ſo daß wir eine Art Karawane
bildeten. Sechs bis ſieben Stunden lang ging es fortwährend
abwärts; wir kamen am Cerro de Flores vorbei, wo die
Straße zum großen Dorfe San Joſé de Tisnao abgeht. An
den Höfen Luque und Juncalito vorüber gelangt man in die
Gründe, die wegen des ſchlechten Weges und der blauen Farbe
der Schiefer Malpaſo und Piedras Azules heißen. Wir
ſtanden hier auf dem alten Geſtade des großen Beckens der
Steppen, auf einem geologiſch intereſſanten Boden.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/274>, abgerufen am 15.06.2024.
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