Horizont erschien, ihr Bild durch die Strahlenbrechung sich verdoppelte, ihre Abplattung nach kurzer Frist verschwand, und sie nun rasch gerade zum Zenith aufstieg.
Sonnenaufgang ist auch in den Ebenen der kühlste Zeit- punkt am Tage; aber dieser Temperaturwechsel macht keinen bedeutenden Eindruck auf die Organe. Wir sahen den Thermo- meter meist nicht unter 27,5° 1 fallen, während bei Acapulco in Mexiko auf gleichfalls sehr tiefem Boden die Temperatur um Mittag oft 32°, bei Sonnenaufgang 17 bis 18° beträgt. In den Llanos absorbiert die ebene, bei Tag niemals be- schattete Fläche so viel Wärme, daß Erde und Luft, trotz der nächtlichen Strahlung gegen einen wolkenlosen Himmel, von Mitternacht bis zu Sonnenaufgang sich nicht merkbar ab- kühlen können. In Calabozo war im März die Temperatur bei Tag 31 bis 32,5°, bei Nacht 28 bis 29°. Die mittlere Temperatur dieses Monates, der nicht der heißeste im Jahre ist, mag etwa 30,6° sein, eine ungeheure Hitze für ein Land unter den Tropen, wo Tage und Nächte fast immer gleich lang sind. In Kairo ist die mittlere Temperatur des heißesten Monats nur 29,9°, in Madras 31,8°, und zu Abuschär im persischen Meerbusen, von wo Reihen von Beobachtungen vor- liegen, 34°; aber die mittleren Temperaturen des ganzen Jahres sind in Madras und Abuschär niedriger als in Cala- bozo. Obgleich ein Teil der Llanos, gleich den fruchtbaren Steppen Sibiriens, von kleinen Flüssen durchströmt wird, und ganz dürre Striche von Land umgeben sind, das in der Regen- zeit unter Wasser steht, so ist die Luft dennoch im allgemeinen äußerst trocken. Delucs Hygrometer zeigte bei Tag 34°, bei Nacht 36°.
Wie die Sonne zum Zenith aufstieg und die Erde und die übereinander gelagerten Luftschichten verschiedene Tempera- turen annahmen, zeigte sich das Phänomen der Luftspiege- lung mit seinen mannigfaltigen Abänderungen. Es ist dies in allen Zonen eine ganz gewöhnliche Erscheinung, und ich erwähne hier derselben nur, weil wir Halt machten, um die Breite des Luftraumes zwischen dem Horizonte und dem auf- gezogenen Bilde mit einiger Genauigkeit zu messen. Das Bild war immer hinaufgezogen, aber nicht verkehrt. Die kleinen, über die Bodenfläche wegstreichenden Luftströme hatten eine so
1 22° R.
Horizont erſchien, ihr Bild durch die Strahlenbrechung ſich verdoppelte, ihre Abplattung nach kurzer Friſt verſchwand, und ſie nun raſch gerade zum Zenith aufſtieg.
Sonnenaufgang iſt auch in den Ebenen der kühlſte Zeit- punkt am Tage; aber dieſer Temperaturwechſel macht keinen bedeutenden Eindruck auf die Organe. Wir ſahen den Thermo- meter meiſt nicht unter 27,5° 1 fallen, während bei Acapulco in Mexiko auf gleichfalls ſehr tiefem Boden die Temperatur um Mittag oft 32°, bei Sonnenaufgang 17 bis 18° beträgt. In den Llanos abſorbiert die ebene, bei Tag niemals be- ſchattete Fläche ſo viel Wärme, daß Erde und Luft, trotz der nächtlichen Strahlung gegen einen wolkenloſen Himmel, von Mitternacht bis zu Sonnenaufgang ſich nicht merkbar ab- kühlen können. In Calabozo war im März die Temperatur bei Tag 31 bis 32,5°, bei Nacht 28 bis 29°. Die mittlere Temperatur dieſes Monates, der nicht der heißeſte im Jahre iſt, mag etwa 30,6° ſein, eine ungeheure Hitze für ein Land unter den Tropen, wo Tage und Nächte faſt immer gleich lang ſind. In Kairo iſt die mittlere Temperatur des heißeſten Monats nur 29,9°, in Madras 31,8°, und zu Abuſchär im perſiſchen Meerbuſen, von wo Reihen von Beobachtungen vor- liegen, 34°; aber die mittleren Temperaturen des ganzen Jahres ſind in Madras und Abuſchär niedriger als in Cala- bozo. Obgleich ein Teil der Llanos, gleich den fruchtbaren Steppen Sibiriens, von kleinen Flüſſen durchſtrömt wird, und ganz dürre Striche von Land umgeben ſind, das in der Regen- zeit unter Waſſer ſteht, ſo iſt die Luft dennoch im allgemeinen äußerſt trocken. Delucs Hygrometer zeigte bei Tag 34°, bei Nacht 36°.
Wie die Sonne zum Zenith aufſtieg und die Erde und die übereinander gelagerten Luftſchichten verſchiedene Tempera- turen annahmen, zeigte ſich das Phänomen der Luftſpiege- lung mit ſeinen mannigfaltigen Abänderungen. Es iſt dies in allen Zonen eine ganz gewöhnliche Erſcheinung, und ich erwähne hier derſelben nur, weil wir Halt machten, um die Breite des Luftraumes zwiſchen dem Horizonte und dem auf- gezogenen Bilde mit einiger Genauigkeit zu meſſen. Das Bild war immer hinaufgezogen, aber nicht verkehrt. Die kleinen, über die Bodenfläche wegſtreichenden Luftſtröme hatten eine ſo
1 22° R.
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Horizont erſchien, ihr Bild durch die Strahlenbrechung ſich
verdoppelte, ihre Abplattung nach kurzer Friſt verſchwand,
und ſie nun raſch gerade zum Zenith aufſtieg.
Sonnenaufgang iſt auch in den Ebenen der kühlſte Zeit-
punkt am Tage; aber dieſer Temperaturwechſel macht keinen
bedeutenden Eindruck auf die Organe. Wir ſahen den Thermo-
meter meiſt nicht unter 27,5° 1 fallen, während bei Acapulco
in Mexiko auf gleichfalls ſehr tiefem Boden die Temperatur
um Mittag oft 32°, bei Sonnenaufgang 17 bis 18° beträgt.
In den Llanos abſorbiert die ebene, bei Tag niemals be-
ſchattete Fläche ſo viel Wärme, daß Erde und Luft, trotz der
nächtlichen Strahlung gegen einen wolkenloſen Himmel, von
Mitternacht bis zu Sonnenaufgang ſich nicht merkbar ab-
kühlen können. In Calabozo war im März die Temperatur
bei Tag 31 bis 32,5°, bei Nacht 28 bis 29°. Die mittlere
Temperatur dieſes Monates, der nicht der heißeſte im Jahre
iſt, mag etwa 30,6° ſein, eine ungeheure Hitze für ein Land
unter den Tropen, wo Tage und Nächte faſt immer gleich
lang ſind. In Kairo iſt die mittlere Temperatur des heißeſten
Monats nur 29,9°, in Madras 31,8°, und zu Abuſchär im
perſiſchen Meerbuſen, von wo Reihen von Beobachtungen vor-
liegen, 34°; aber die mittleren Temperaturen des ganzen
Jahres ſind in Madras und Abuſchär niedriger als in Cala-
bozo. Obgleich ein Teil der Llanos, gleich den fruchtbaren
Steppen Sibiriens, von kleinen Flüſſen durchſtrömt wird, und
ganz dürre Striche von Land umgeben ſind, das in der Regen-
zeit unter Waſſer ſteht, ſo iſt die Luft dennoch im allgemeinen
äußerſt trocken. Delucs Hygrometer zeigte bei Tag 34°, bei
Nacht 36°.
Wie die Sonne zum Zenith aufſtieg und die Erde und
die übereinander gelagerten Luftſchichten verſchiedene Tempera-
turen annahmen, zeigte ſich das Phänomen der Luftſpiege-
lung mit ſeinen mannigfaltigen Abänderungen. Es iſt dies
in allen Zonen eine ganz gewöhnliche Erſcheinung, und ich
erwähne hier derſelben nur, weil wir Halt machten, um die
Breite des Luftraumes zwiſchen dem Horizonte und dem auf-
gezogenen Bilde mit einiger Genauigkeit zu meſſen. Das Bild
war immer hinaufgezogen, aber nicht verkehrt. Die kleinen,
über die Bodenfläche wegſtreichenden Luftſtröme hatten eine ſo
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/292>, abgerufen am 20.06.2024.
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