verfolgt zu werden, was uns bei unseren Wanderungen auf dem Rücken der Kordilleren oft begegnet ist. Dort ist das Klima rauh, zu heftigen Stürmen geneigt, die Landschaft hat einen wilderen Charakter und das Futter ist nicht so reichlich. In der Nähe von Calabozo sahen wir Herden von Rehen friedlich unter Pferden und Rindern weiden. Sie heißen Matacani; ihr Fleisch ist sehr gut. Sie sind etwas größer als unsere Rehe und gleichen Damhirschen mit sehr glattem, fahlbraunem, weiß getupftem Fell. Ihre Geweihe schienen mir einfache Spieße. Sie waren fast gar nicht scheu und in Rudeln von 30 bis 40 Stück bemerkten wir mehrere ganz weiße. Diese Spielart kommt bei den großen Hirschen in den kalten Landstrichen der Anden häufig vor; in diesen tiefen, heißen Ebenen mußten wir sie auffallend finden. Ich habe seitdem gehört, daß selbst beim Jaguar in den heißen Land- strichen von Paraguay zuweilen Albinos vorkommen, mit so gleichförmig weißem Fell, daß man die Flecke oder Ringe nur im Reflex der Sonne bemerkt. Die Matacani oder kleinen Damhirsche sind so häufig in den Llanos, daß ihre Häute einen Handelsartikel abgeben könnten. Ein gewandter Jäger könnte über zwanzig im Tage schießen. Aber die Einwohner sind so träge, daß man sich oft gar nicht die Mühe nimmt, dem Tiere die Haut abzuziehen. Ebenso ist es mit der Jagd auf den Jaguar oder großen ameri- kanischen Tiger. Ein Jaguarfell, für das man in den Steppen von Varinas nur 1 Piaster bezahlt, kostet in Cadiz 4 bis 5 Piaster.
Die Steppen, die wir durchzogen, sind haupsächlich mit Gräsern bewachsen, mit Killingia, Cenchrus, Paspalum. Diese Gräser waren in dieser Jahreszeit bei Calabozo und San Ge- ronimo del Pirital kaum 23 bis 26 cm hoch. An den Flüssen Apure und Portuguesa wachsen sie bis 1,3 m hoch, so daß der Jaguar sich darin verstecken und die Pferde und Maul- tiere in der Ebene überfallen kann. Unter die Gräser mischen sich einige Dikotyledonen, wie Turnera, Malvenarten und, was sehr auffallend ist, kleine Mimosen mit reizbaren Blättern von den Spaniern Dormideras genannt. Derselbe Rinder- stamm, der in Spanien mit Klee und Espen gemästet wird, findet hier ein treffliches Futter an den krautartigen Sensi- tiven. Die Weiden, wo diese Sensitiven besonders häufig vorkommen, werden teurer als andere verkauft. Im Ost, in den Llanos von Cari und Barcelona, sieht man Cypura
verfolgt zu werden, was uns bei unſeren Wanderungen auf dem Rücken der Kordilleren oft begegnet iſt. Dort iſt das Klima rauh, zu heftigen Stürmen geneigt, die Landſchaft hat einen wilderen Charakter und das Futter iſt nicht ſo reichlich. In der Nähe von Calabozo ſahen wir Herden von Rehen friedlich unter Pferden und Rindern weiden. Sie heißen Matacani; ihr Fleiſch iſt ſehr gut. Sie ſind etwas größer als unſere Rehe und gleichen Damhirſchen mit ſehr glattem, fahlbraunem, weiß getupftem Fell. Ihre Geweihe ſchienen mir einfache Spieße. Sie waren faſt gar nicht ſcheu und in Rudeln von 30 bis 40 Stück bemerkten wir mehrere ganz weiße. Dieſe Spielart kommt bei den großen Hirſchen in den kalten Landſtrichen der Anden häufig vor; in dieſen tiefen, heißen Ebenen mußten wir ſie auffallend finden. Ich habe ſeitdem gehört, daß ſelbſt beim Jaguar in den heißen Land- ſtrichen von Paraguay zuweilen Albinos vorkommen, mit ſo gleichförmig weißem Fell, daß man die Flecke oder Ringe nur im Reflex der Sonne bemerkt. Die Matacani oder kleinen Damhirſche ſind ſo häufig in den Llanos, daß ihre Häute einen Handelsartikel abgeben könnten. Ein gewandter Jäger könnte über zwanzig im Tage ſchießen. Aber die Einwohner ſind ſo träge, daß man ſich oft gar nicht die Mühe nimmt, dem Tiere die Haut abzuziehen. Ebenſo iſt es mit der Jagd auf den Jaguar oder großen ameri- kaniſchen Tiger. Ein Jaguarfell, für das man in den Steppen von Varinas nur 1 Piaſter bezahlt, koſtet in Cadiz 4 bis 5 Piaſter.
Die Steppen, die wir durchzogen, ſind haupſächlich mit Gräſern bewachſen, mit Killingia, Cenchrus, Paspalum. Dieſe Gräſer waren in dieſer Jahreszeit bei Calabozo und San Ge- ronimo del Pirital kaum 23 bis 26 cm hoch. An den Flüſſen Apure und Portugueſa wachſen ſie bis 1,3 m hoch, ſo daß der Jaguar ſich darin verſtecken und die Pferde und Maul- tiere in der Ebene überfallen kann. Unter die Gräſer miſchen ſich einige Dikotyledonen, wie Turnera, Malvenarten und, was ſehr auffallend iſt, kleine Mimoſen mit reizbaren Blättern von den Spaniern Dormideras genannt. Derſelbe Rinder- ſtamm, der in Spanien mit Klee und Eſpen gemäſtet wird, findet hier ein treffliches Futter an den krautartigen Senſi- tiven. Die Weiden, wo dieſe Senſitiven beſonders häufig vorkommen, werden teurer als andere verkauft. Im Oſt, in den Llanos von Cari und Barcelona, ſieht man Cypura
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verfolgt zu werden, was uns bei unſeren Wanderungen auf
dem Rücken der Kordilleren oft begegnet iſt. Dort iſt das
Klima rauh, zu heftigen Stürmen geneigt, die Landſchaft hat
einen wilderen Charakter und das Futter iſt nicht ſo reichlich.
In der Nähe von Calabozo ſahen wir Herden von Rehen
friedlich unter Pferden und Rindern weiden. Sie heißen
Matacani; ihr Fleiſch iſt ſehr gut. Sie ſind etwas größer
als unſere Rehe und gleichen Damhirſchen mit ſehr glattem,
fahlbraunem, weiß getupftem Fell. Ihre Geweihe ſchienen
mir einfache Spieße. Sie waren faſt gar nicht ſcheu und in
Rudeln von 30 bis 40 Stück bemerkten wir mehrere ganz
weiße. Dieſe Spielart kommt bei den großen Hirſchen in
den kalten Landſtrichen der Anden häufig vor; in dieſen tiefen,
heißen Ebenen mußten wir ſie auffallend finden. Ich habe
ſeitdem gehört, daß ſelbſt beim Jaguar in den heißen Land-
ſtrichen von Paraguay zuweilen Albinos vorkommen, mit
ſo gleichförmig weißem Fell, daß man die Flecke oder Ringe
nur im Reflex der Sonne bemerkt. Die Matacani oder
kleinen Damhirſche ſind ſo häufig in den Llanos, daß ihre
Häute einen Handelsartikel abgeben könnten. Ein gewandter
Jäger könnte über zwanzig im Tage ſchießen. Aber die
Einwohner ſind ſo träge, daß man ſich oft gar nicht die
Mühe nimmt, dem Tiere die Haut abzuziehen. Ebenſo
iſt es mit der Jagd auf den Jaguar oder großen ameri-
kaniſchen Tiger. Ein Jaguarfell, für das man in den
Steppen von Varinas nur 1 Piaſter bezahlt, koſtet in Cadiz
4 bis 5 Piaſter.
Die Steppen, die wir durchzogen, ſind haupſächlich mit
Gräſern bewachſen, mit Killingia, Cenchrus, Paspalum. Dieſe
Gräſer waren in dieſer Jahreszeit bei Calabozo und San Ge-
ronimo del Pirital kaum 23 bis 26 cm hoch. An den Flüſſen
Apure und Portugueſa wachſen ſie bis 1,3 m hoch, ſo daß
der Jaguar ſich darin verſtecken und die Pferde und Maul-
tiere in der Ebene überfallen kann. Unter die Gräſer miſchen
ſich einige Dikotyledonen, wie Turnera, Malvenarten und,
was ſehr auffallend iſt, kleine Mimoſen mit reizbaren Blättern
von den Spaniern Dormideras genannt. Derſelbe Rinder-
ſtamm, der in Spanien mit Klee und Eſpen gemäſtet wird,
findet hier ein treffliches Futter an den krautartigen Senſi-
tiven. Die Weiden, wo dieſe Senſitiven beſonders häufig
vorkommen, werden teurer als andere verkauft. Im Oſt,
in den Llanos von Cari und Barcelona, ſieht man Cypura
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/294>, abgerufen am 15.06.2024.
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