und Craniolaria mit der schönen weißen 16 bis 21 cm langen Blüte sich einzeln über die Gräser erheben. Am fettesten sind die Weiden nicht nur an den Flüssen, welche häufig aus- treten, sondern überall, wo die Palmen dichter stehen. Ganz baumlose Flecke sind die unfruchtbarsten, und es wäre wohl vergebliche Mühe, sie anbauen zu wollen. Dieser Unterschied kann nicht daher rühren, daß die Palmen Schatten geben und den Boden von der Sonne weniger ausdörren lassen. In den Wäldern am Orinoko habe ich allerdings Bäume aus dieser Familie mit dicht belaubten Kronen gesehen; aber am Palmbaum der Llanos, der Palma de Cobija, 1 ist der Schatten eben nicht sehr zu rühmen. Diese Palme hat sehr kleine, gefaltete, handförmige Blätter, gleich denen des Chamärops, und die unteren sind immer vertrocknet. Es befremdete uns, daß fast alle diese Coryphastämme gleich groß waren, 7 bis 8 m hoch, bei 21 bis 26 cm Durchmesser unten am Stamm. Nur wenige Palmarten bringt die Natur in so ungeheuren Mengen hervor. Unter Tausenden mit olivenförmigen Früchten be- ladenen Stämmen fanden wir etwa ein Hundert ohne Früchte. Sollten unter den Stämmen mit hermaphroditischer Blüte einige mit einhäusigen Blüten vorkommen? Die Llaneros, die Bewohner der Ebenen, schreiben allen diesen Bäumen von unbedeutender Höhe ein Alter von mehreren Jahrhunderten zu. Ihr Wachstum ist fast unmerklich, nach 20 bis 30 Jahren fällt es kaum auf. Die Palma de Cobija liefert übrigens ein treffliches Bauholz. Es ist so hart, daß man nur mit Mühe einen Nagel einschlägt. Die fächerförmig gefalteten Blätter dienen zum Decken der zerstreuten Hütten in den Llanos, und diese Dächer halten über 20 Jahre aus. Man befestigt die Blätter dadurch, daß man die Enden der Blattstiele umbiegt, nachdem man dieselben zwi- schen zwei Steinen geschlagen, damit sie sich biegen, ohne zu brechen.
Außer den einzelnen Stämmen dieser Palme findet man hie und da in der Steppe Gruppen von Palmen, wahre Ge- büsche (Palmares), wo sich zur Corypha ein Baum aus der Familie der Proteaceen gesellt, den die Eingeborenen Cha- parro nennen, eine neue Art Rhopala, mit harten, rasselnden Blättern. Die kleineren Rhopalagebüsche heißen Chaparrales,
1 Dachpalme, Corypha tectorum.
und Craniolaria mit der ſchönen weißen 16 bis 21 cm langen Blüte ſich einzeln über die Gräſer erheben. Am fetteſten ſind die Weiden nicht nur an den Flüſſen, welche häufig aus- treten, ſondern überall, wo die Palmen dichter ſtehen. Ganz baumloſe Flecke ſind die unfruchtbarſten, und es wäre wohl vergebliche Mühe, ſie anbauen zu wollen. Dieſer Unterſchied kann nicht daher rühren, daß die Palmen Schatten geben und den Boden von der Sonne weniger ausdörren laſſen. In den Wäldern am Orinoko habe ich allerdings Bäume aus dieſer Familie mit dicht belaubten Kronen geſehen; aber am Palmbaum der Llanos, der Palma de Cobija, 1 iſt der Schatten eben nicht ſehr zu rühmen. Dieſe Palme hat ſehr kleine, gefaltete, handförmige Blätter, gleich denen des Chamärops, und die unteren ſind immer vertrocknet. Es befremdete uns, daß faſt alle dieſe Coryphaſtämme gleich groß waren, 7 bis 8 m hoch, bei 21 bis 26 cm Durchmeſſer unten am Stamm. Nur wenige Palmarten bringt die Natur in ſo ungeheuren Mengen hervor. Unter Tauſenden mit olivenförmigen Früchten be- ladenen Stämmen fanden wir etwa ein Hundert ohne Früchte. Sollten unter den Stämmen mit hermaphroditiſcher Blüte einige mit einhäuſigen Blüten vorkommen? Die Llaneros, die Bewohner der Ebenen, ſchreiben allen dieſen Bäumen von unbedeutender Höhe ein Alter von mehreren Jahrhunderten zu. Ihr Wachstum iſt faſt unmerklich, nach 20 bis 30 Jahren fällt es kaum auf. Die Palma de Cobija liefert übrigens ein treffliches Bauholz. Es iſt ſo hart, daß man nur mit Mühe einen Nagel einſchlägt. Die fächerförmig gefalteten Blätter dienen zum Decken der zerſtreuten Hütten in den Llanos, und dieſe Dächer halten über 20 Jahre aus. Man befeſtigt die Blätter dadurch, daß man die Enden der Blattſtiele umbiegt, nachdem man dieſelben zwi- ſchen zwei Steinen geſchlagen, damit ſie ſich biegen, ohne zu brechen.
Außer den einzelnen Stämmen dieſer Palme findet man hie und da in der Steppe Gruppen von Palmen, wahre Ge- büſche (Palmares), wo ſich zur Corypha ein Baum aus der Familie der Proteaceen geſellt, den die Eingeborenen Cha- parro nennen, eine neue Art Rhopala, mit harten, raſſelnden Blättern. Die kleineren Rhopalagebüſche heißen Chaparrales,
1 Dachpalme, Corypha tectorum.
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und Craniolaria mit der ſchönen weißen 16 bis 21 cm langen
Blüte ſich einzeln über die Gräſer erheben. Am fetteſten
ſind die Weiden nicht nur an den Flüſſen, welche häufig aus-
treten, ſondern überall, wo die Palmen dichter ſtehen. Ganz
baumloſe Flecke ſind die unfruchtbarſten, und es wäre wohl
vergebliche Mühe, ſie anbauen zu wollen. Dieſer Unterſchied
kann nicht daher rühren, daß die Palmen Schatten geben und
den Boden von der Sonne weniger ausdörren laſſen. In
den Wäldern am Orinoko habe ich allerdings Bäume aus
dieſer Familie mit dicht belaubten Kronen geſehen; aber am
Palmbaum der Llanos, der Palma de Cobija, 1 iſt der Schatten
eben nicht ſehr zu rühmen. Dieſe Palme hat ſehr kleine,
gefaltete, handförmige Blätter, gleich denen des Chamärops,
und die unteren ſind immer vertrocknet. Es befremdete uns,
daß faſt alle dieſe Coryphaſtämme gleich groß waren, 7 bis 8 m
hoch, bei 21 bis 26 cm Durchmeſſer unten am Stamm. Nur
wenige Palmarten bringt die Natur in ſo ungeheuren Mengen
hervor. Unter Tauſenden mit olivenförmigen Früchten be-
ladenen Stämmen fanden wir etwa ein Hundert ohne Früchte.
Sollten unter den Stämmen mit hermaphroditiſcher Blüte
einige mit einhäuſigen Blüten vorkommen? Die Llaneros,
die Bewohner der Ebenen, ſchreiben allen dieſen Bäumen von
unbedeutender Höhe ein Alter von mehreren Jahrhunderten
zu. Ihr Wachstum iſt faſt unmerklich, nach 20 bis 30
Jahren fällt es kaum auf. Die Palma de Cobija liefert
übrigens ein treffliches Bauholz. Es iſt ſo hart, daß man
nur mit Mühe einen Nagel einſchlägt. Die fächerförmig
gefalteten Blätter dienen zum Decken der zerſtreuten Hütten
in den Llanos, und dieſe Dächer halten über 20 Jahre
aus. Man befeſtigt die Blätter dadurch, daß man die
Enden der Blattſtiele umbiegt, nachdem man dieſelben zwi-
ſchen zwei Steinen geſchlagen, damit ſie ſich biegen, ohne
zu brechen.
Außer den einzelnen Stämmen dieſer Palme findet man
hie und da in der Steppe Gruppen von Palmen, wahre Ge-
büſche (Palmares), wo ſich zur Corypha ein Baum aus der
Familie der Proteaceen geſellt, den die Eingeborenen Cha-
parro nennen, eine neue Art Rhopala, mit harten, raſſelnden
Blättern. Die kleineren Rhopalagebüſche heißen Chaparrales,
1 Dachpalme, Corypha tectorum.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/295>, abgerufen am 15.06.2024.
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