Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Schätze versteckt, Anlaß gegeben, gehörten wahrscheinlich por- Wir nahmen aus der Höhle von Ataruipe mehrere A. v. Humboldt, Reise. IV. 8
Schätze verſteckt, Anlaß gegeben, gehörten wahrſcheinlich por- Wir nahmen aus der Höhle von Ataruipe mehrere A. v. Humboldt, Reiſe. IV. 8
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0121" n="113"/> Schätze verſteckt, Anlaß gegeben, gehörten wahrſcheinlich por-<lb/> tugieſiſchen Handelsleuten, die ſich in dieſe wilden Länder<lb/> herausgewagt. Läßt ſich nun wohl auch annehmen, daß die<lb/> Schädel von europäiſcher Bildung, die wir unter den Skeletten<lb/> der Eingeborenen und ebenſo ſorgfältig aufbewahrt gefunden,<lb/> portugieſiſchen Reiſenden angehörten, die hier einer Krankheit<lb/> unterlagen oder im Kampfe erſchlagen worden? Der Wider-<lb/> willen der Eingeborenen gegen alles, was nicht ihres Stammes<lb/> iſt, macht dies nicht wahrſcheinlich; vielleicht hatten ſich Me-<lb/> ſtizen, die aus den Miſſionen am Meta und Apure entlaufen,<lb/> an den Katarakten niedergelaſſen und Weiber aus dem Stamme<lb/> der Atures genommen. Dergleichen Verbindungen kommen<lb/> in dieſer Zone zuweilen vor, freilich nicht ſo häufig wie in<lb/> Kanada und in Nordamerika überhaupt, wo Jäger euro-<lb/> päiſcher Abkunft unter die Wilden gehen, ihre Sitten an-<lb/> nehmen und es oft zu großen Ehren unter ihnen bringen.</p><lb/> <p>Wir nahmen aus der Höhle von Ataruipe mehrere<lb/> Schädel, das Skelett eines Kindes von ſechs bis ſieben Jahren<lb/> und die Skelette zweier Erwachſenen von der Nation der<lb/> Atures mit. Alle dieſe zum Teil rot bemalten, zum Teil<lb/> mit Harz überzogenen Gebeine lagen in den oben beſchriebenen<lb/> Körben (<hi rendition="#aq">Mapires</hi> oder <hi rendition="#aq">Canastos</hi>). Sie machten faſt eine<lb/> ganze Maultierladung aus, und da uns der abergläubiſche<lb/> Widerwillen der Indianer gegen einmal beigeſetzte Leichen wohl-<lb/> bekannt war, hatten wir die „Canaſtos“ in friſch geflochtene<lb/> Matten einwickeln laſſen. Bei dem Spürſinn der Indianer<lb/> und ihrem feinen Geruch half aber dieſe Vorſicht leider zu<lb/> nichts. Ueberall, wo wir in den Miſſionen der Kariben, auf<lb/> den Llanos zwiſchen Angoſtura und Nueva Barcelona Halt<lb/> machten, liefen die Eingeborenen um unſere Maultiere zu-<lb/> ſammen, um die Affen zu bewundern, die wir am Orinoko<lb/> gekauft. Kaum aber hatten die guten Leute unſer Gepäck<lb/> angerührt, ſo prophezeiten ſie, daß das Laſttier, „das den<lb/> Toten trage“, zu Grunde gehen werde. Umſonſt verſicherten<lb/> wir, ſie irren ſich, in den Körben ſeien Krokodil- und See-<lb/> kuhknochen; ſie blieben dabei, ſie riechen das Harz, womit die<lb/> Skelette überzogen ſeien, und „das ſeien ihre <hi rendition="#g">alten Ver-<lb/> wandten</hi>“. Wir mußten die Autorität der Mönche in An-<lb/> ſpruch nehmen, um des Widerwillens der Eingeborenen Herr<lb/> zu werden und friſche Maultiere zu bekommen. Einer der<lb/> Schädel, den wir aus der Höhle von Ataruipe mitgenommen,<lb/> iſt in meines alten Lehrers Blumenbach ſchönem Werke über<lb/> <fw place="bottom" type="sig">A. v. <hi rendition="#g">Humboldt</hi>, Reiſe. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 8</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [113/0121]
Schätze verſteckt, Anlaß gegeben, gehörten wahrſcheinlich por-
tugieſiſchen Handelsleuten, die ſich in dieſe wilden Länder
herausgewagt. Läßt ſich nun wohl auch annehmen, daß die
Schädel von europäiſcher Bildung, die wir unter den Skeletten
der Eingeborenen und ebenſo ſorgfältig aufbewahrt gefunden,
portugieſiſchen Reiſenden angehörten, die hier einer Krankheit
unterlagen oder im Kampfe erſchlagen worden? Der Wider-
willen der Eingeborenen gegen alles, was nicht ihres Stammes
iſt, macht dies nicht wahrſcheinlich; vielleicht hatten ſich Me-
ſtizen, die aus den Miſſionen am Meta und Apure entlaufen,
an den Katarakten niedergelaſſen und Weiber aus dem Stamme
der Atures genommen. Dergleichen Verbindungen kommen
in dieſer Zone zuweilen vor, freilich nicht ſo häufig wie in
Kanada und in Nordamerika überhaupt, wo Jäger euro-
päiſcher Abkunft unter die Wilden gehen, ihre Sitten an-
nehmen und es oft zu großen Ehren unter ihnen bringen.
Wir nahmen aus der Höhle von Ataruipe mehrere
Schädel, das Skelett eines Kindes von ſechs bis ſieben Jahren
und die Skelette zweier Erwachſenen von der Nation der
Atures mit. Alle dieſe zum Teil rot bemalten, zum Teil
mit Harz überzogenen Gebeine lagen in den oben beſchriebenen
Körben (Mapires oder Canastos). Sie machten faſt eine
ganze Maultierladung aus, und da uns der abergläubiſche
Widerwillen der Indianer gegen einmal beigeſetzte Leichen wohl-
bekannt war, hatten wir die „Canaſtos“ in friſch geflochtene
Matten einwickeln laſſen. Bei dem Spürſinn der Indianer
und ihrem feinen Geruch half aber dieſe Vorſicht leider zu
nichts. Ueberall, wo wir in den Miſſionen der Kariben, auf
den Llanos zwiſchen Angoſtura und Nueva Barcelona Halt
machten, liefen die Eingeborenen um unſere Maultiere zu-
ſammen, um die Affen zu bewundern, die wir am Orinoko
gekauft. Kaum aber hatten die guten Leute unſer Gepäck
angerührt, ſo prophezeiten ſie, daß das Laſttier, „das den
Toten trage“, zu Grunde gehen werde. Umſonſt verſicherten
wir, ſie irren ſich, in den Körben ſeien Krokodil- und See-
kuhknochen; ſie blieben dabei, ſie riechen das Harz, womit die
Skelette überzogen ſeien, und „das ſeien ihre alten Ver-
wandten“. Wir mußten die Autorität der Mönche in An-
ſpruch nehmen, um des Widerwillens der Eingeborenen Herr
zu werden und friſche Maultiere zu bekommen. Einer der
Schädel, den wir aus der Höhle von Ataruipe mitgenommen,
iſt in meines alten Lehrers Blumenbach ſchönem Werke über
A. v. Humboldt, Reiſe. IV. 8
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