Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Apure spricht jedermann von der Geophagie als von etwas Die Einwohner von Uruana gehören zu den Savannen- Die Otomaken essen nicht jede Art Thon ohne Unterschied; Apure ſpricht jedermann von der Geophagie als von etwas Die Einwohner von Uruana gehören zu den Savannen- Die Otomaken eſſen nicht jede Art Thon ohne Unterſchied; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0131" n="123"/> Apure ſpricht jedermann von der <hi rendition="#g">Geophagie</hi> als von etwas<lb/> Altbekanntem. Ich teile hier nur mit, was wir mit eigenen<lb/> Augen geſehen oder aus dem Munde des Miſſionärs vernom-<lb/> men, den ein ſchlimmes Geſchick dazu verurteilt hat, zwölf<lb/> Jahre unter dem wilden, unruhigen Volke der Otomaken zu<lb/> leben.</p><lb/> <p>Die Einwohner von Uruana gehören zu den <hi rendition="#g">Savannen-<lb/> völkern</hi> (<hi rendition="#aq">Indios andantes</hi>), die ſchwerer zu civiliſieren ſind<lb/> als die <hi rendition="#g">Waldvölker</hi> (<hi rendition="#aq">Indios del monte</hi>), ſtarke Abneigung<lb/> gegen den Landbau haben und faſt ausſchließlich von Jagd<lb/> und Fiſchfang leben. Es ſind Menſchen von ſehr ſtarkem<lb/> Körperbau, aber häßlich, wild, rachſüchtig, den gegorenen Ge-<lb/> tränken leidenſchaftlich ergeben. Sie ſind im höchſten Grad<lb/> „omnivore Tiere“; die anderen Indianer, die ſie als Bar-<lb/> baren anſehen, ſagen daher auch, „nichts ſei ſo ekelhaft, das<lb/> ein Otomake nicht eſſe“. Solange das Waſſer im Orinoko<lb/> und ſeinen Nebenflüſſen tief ſteht, leben die Otomaken von<lb/> Fiſchen und Schildkröten. Sie ſchießen jene mit überraſchender<lb/> Fertigkeit mit Pfeilen, wenn ſie ſich an der Waſſerfläche<lb/> blicken laſſen. Sobald die Anſchwellungen der Flüſſe erfolgen,<lb/> die man in Südamerika wie in Aegypten und Nubien irr-<lb/> tümlich dem Schmelzen des Schnees zuſchreibt, und die in der<lb/> ganzen heißen Zone periodiſch eintreten, iſt es mit dem Fiſch-<lb/> fang faſt ganz vorbei. Es iſt dann ſo ſchwer, in den tiefen<lb/> Flüſſen Fiſche zu bekommen, als auf offener See. Die armen<lb/> Miſſionäre am Orinoko haben oft gar keine, weder an Faſt-<lb/> tagen, noch an Nichtfaſttagen, obgleich alle jungen Indianer<lb/> im Dorfe verpflichtet ſind, „für das Kloſter zu fiſchen“. Zur<lb/> Zeit der Ueberſchwemmungen nun, die zwei bis drei Monate<lb/> dauern, verſchlingen die Otomaken Erde in unglaublicher Maſſe.<lb/> Wir fanden in ihren Hütten pyramidaliſch aufgeſetzte, 1 bis<lb/> 1,3 <hi rendition="#aq">m</hi> Kugelhaufen; die Kugeln hatten 8 bis 10 <hi rendition="#aq">cm</hi> im<lb/> Durchmeſſer. Die Erde, welche die Otomaken eſſen, iſt ein<lb/> ſehr feiner, ſehr fetter Letten; er iſt gelbgrau, und da er ein<lb/> wenig am Feuer gebrannt wird, ſo ſticht die harte Kruſte<lb/> etwas ins Rote, was vom darin enthaltenen Eiſenoxyd her-<lb/> rührt. Wir haben von dieſer Erde, die wir vom Wintervor-<lb/> rat der Indianer genommen, mitgebracht. Daß ſie ſpeckſtein-<lb/> artig ſei und Magneſia enthalte, iſt durchaus unrichtig. Vau-<lb/> quelin fand keine Spur davon darin, dagegen mehr Kieſelerde<lb/> als Alaunerde und 3 bis 4 Prozent Kalk.</p><lb/> <p>Die Otomaken eſſen nicht jede Art Thon ohne Unterſchied;<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [123/0131]
Apure ſpricht jedermann von der Geophagie als von etwas
Altbekanntem. Ich teile hier nur mit, was wir mit eigenen
Augen geſehen oder aus dem Munde des Miſſionärs vernom-
men, den ein ſchlimmes Geſchick dazu verurteilt hat, zwölf
Jahre unter dem wilden, unruhigen Volke der Otomaken zu
leben.
Die Einwohner von Uruana gehören zu den Savannen-
völkern (Indios andantes), die ſchwerer zu civiliſieren ſind
als die Waldvölker (Indios del monte), ſtarke Abneigung
gegen den Landbau haben und faſt ausſchließlich von Jagd
und Fiſchfang leben. Es ſind Menſchen von ſehr ſtarkem
Körperbau, aber häßlich, wild, rachſüchtig, den gegorenen Ge-
tränken leidenſchaftlich ergeben. Sie ſind im höchſten Grad
„omnivore Tiere“; die anderen Indianer, die ſie als Bar-
baren anſehen, ſagen daher auch, „nichts ſei ſo ekelhaft, das
ein Otomake nicht eſſe“. Solange das Waſſer im Orinoko
und ſeinen Nebenflüſſen tief ſteht, leben die Otomaken von
Fiſchen und Schildkröten. Sie ſchießen jene mit überraſchender
Fertigkeit mit Pfeilen, wenn ſie ſich an der Waſſerfläche
blicken laſſen. Sobald die Anſchwellungen der Flüſſe erfolgen,
die man in Südamerika wie in Aegypten und Nubien irr-
tümlich dem Schmelzen des Schnees zuſchreibt, und die in der
ganzen heißen Zone periodiſch eintreten, iſt es mit dem Fiſch-
fang faſt ganz vorbei. Es iſt dann ſo ſchwer, in den tiefen
Flüſſen Fiſche zu bekommen, als auf offener See. Die armen
Miſſionäre am Orinoko haben oft gar keine, weder an Faſt-
tagen, noch an Nichtfaſttagen, obgleich alle jungen Indianer
im Dorfe verpflichtet ſind, „für das Kloſter zu fiſchen“. Zur
Zeit der Ueberſchwemmungen nun, die zwei bis drei Monate
dauern, verſchlingen die Otomaken Erde in unglaublicher Maſſe.
Wir fanden in ihren Hütten pyramidaliſch aufgeſetzte, 1 bis
1,3 m Kugelhaufen; die Kugeln hatten 8 bis 10 cm im
Durchmeſſer. Die Erde, welche die Otomaken eſſen, iſt ein
ſehr feiner, ſehr fetter Letten; er iſt gelbgrau, und da er ein
wenig am Feuer gebrannt wird, ſo ſticht die harte Kruſte
etwas ins Rote, was vom darin enthaltenen Eiſenoxyd her-
rührt. Wir haben von dieſer Erde, die wir vom Wintervor-
rat der Indianer genommen, mitgebracht. Daß ſie ſpeckſtein-
artig ſei und Magneſia enthalte, iſt durchaus unrichtig. Vau-
quelin fand keine Spur davon darin, dagegen mehr Kieſelerde
als Alaunerde und 3 bis 4 Prozent Kalk.
Die Otomaken eſſen nicht jede Art Thon ohne Unterſchied;
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