Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.wendet (verschiedene Arzneimittel, kleine Mengen Opium, Wir haben oben gesehen, daß Negerstämme am Gambia 1 Bucaro, vas fictile odoriferum. Man trinkt gern aus
diesen Gefäßen wegen des Geruches des Thones. Die Weiber in der Provinz Alemtejo gewöhnen sich an, die Bucaroerde zu kauen, und sie empfinden es als eine große Entbehrung, wenn sie dieses abnorme Gelüste nicht befriedigen können. wendet (verſchiedene Arzneimittel, kleine Mengen Opium, Wir haben oben geſehen, daß Negerſtämme am Gambia 1 Bucaro, vas fictile odoriferum. Man trinkt gern aus
dieſen Gefäßen wegen des Geruches des Thones. Die Weiber in der Provinz Alemtejo gewöhnen ſich an, die Bucaroerde zu kauen, und ſie empfinden es als eine große Entbehrung, wenn ſie dieſes abnorme Gelüſte nicht befriedigen können. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0139" n="131"/> wendet (verſchiedene Arzneimittel, kleine Mengen Opium,<lb/> Betel, Tabak, Cocablätter), oder wenn er von zeit zu Zeit<lb/> den Magen mit erdigen, geſchmackloſen, für ſich nicht nähren-<lb/> den Stoffen anfüllt. Gleich dem wilden Menſchen verſchlucken<lb/> auch manche Tiere im Winter aus Hunger Thon oder zerreib-<lb/> lichen Speckſtein, namentlich die Wölfe im nordöſtlichen Europa,<lb/> die Renntiere, und, nach Patrins Beobachtung, die Rehe in<lb/> Sibirien. Am Jeniſei und Amur brauchen die ruſſiſchen Jäger<lb/> einen Thon, den ſie <hi rendition="#g">Felsbutter</hi> nennen, als Köder. Die<lb/> Tiere wittern den Thon von weitem; ſie riechen ihn gern, wie<lb/> die Weiber in Spanien und Portugal den <hi rendition="#g">Bucarosthon</hi>, <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Bucaro, vas fictile odoriferum.</hi> Man trinkt gern aus<lb/> dieſen Gefäßen wegen des Geruches des Thones. Die Weiber in<lb/> der Provinz Alemtejo gewöhnen ſich an, die Bucaroerde zu kauen,<lb/> und ſie empfinden es als eine große Entbehrung, wenn ſie dieſes<lb/> abnorme Gelüſte nicht befriedigen können.</note> die<lb/> ſogenannten wohlriechenden Erden <hi rendition="#aq">(Tierras olorosas).</hi> Brown<lb/> erzählt in ſeiner Geſchichte von Jamaika, die Krokodile in Süd-<lb/> amerika verſchlingen kleine Steine oder Stücke ſehr harten Holzes,<lb/> wenn die Seen, in denen ſie leben, ausgetrocknet ſind, oder ſie<lb/> ſonſt keine Nahrung finden. Im Magen eines 3,6 <hi rendition="#aq">m</hi> langen<lb/> Krokodils, das Bonpland und ich in Batallez am Magdalenen-<lb/> ſtrome zergliederten, fanden wir halbverdaute Fiſche und runde,<lb/> 8 bis 10 <hi rendition="#aq">cm</hi> ſtarke Granitſtücke. Es iſt nicht anzunehmen, daß<lb/> die Krokodile dieſe Steine zufällig verſchlucken, denn, wenn ſie<lb/> die Fiſche unten im Strome packen, ruht ihre untere Kinnlade<lb/> nicht auf dem Boden. Die Indianer haben die abgeſchmackte<lb/> Idee ausgeheckt, dieſe trägen Tiere machen ſich ſo gern<lb/> ſchwerer, um leichter zu tauchen. Ich glaube vielmehr, ſie<lb/> nehmen große Kieſel in den Magen auf, um dadurch eine<lb/> reichliche Abſonderung des Magenſaftes herbeizuführen. Ma-<lb/> gendies Verſuche ſprechen für dieſe Auffaſſung. Was die Ge-<lb/> wohnheit der körnerfreſſenden Vögel, namentlich der hühner-<lb/> artigen und der Strauße betrifft, Sand und kleine Steine<lb/> zu verſchlucken, ſo hat man ſie bisher dem inſtinktmäßigen<lb/> Triebe der Tiere zugeſchrieben, die Zerreibung der Nahrung<lb/> in ihrem dicken Muskelmagen zu beſchleunigen.</p><lb/> <p>Wir haben oben geſehen, daß Negerſtämme am Gambia<lb/> Thon unter ihren Reis miſchen; vielleicht hatten früher manche<lb/> Familien der Otomaken den Brauch, Mais und andere meh-<lb/> lige Samen in ihrer <hi rendition="#g">Poya</hi> „faulen“ zu laſſen, um Erde<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [131/0139]
wendet (verſchiedene Arzneimittel, kleine Mengen Opium,
Betel, Tabak, Cocablätter), oder wenn er von zeit zu Zeit
den Magen mit erdigen, geſchmackloſen, für ſich nicht nähren-
den Stoffen anfüllt. Gleich dem wilden Menſchen verſchlucken
auch manche Tiere im Winter aus Hunger Thon oder zerreib-
lichen Speckſtein, namentlich die Wölfe im nordöſtlichen Europa,
die Renntiere, und, nach Patrins Beobachtung, die Rehe in
Sibirien. Am Jeniſei und Amur brauchen die ruſſiſchen Jäger
einen Thon, den ſie Felsbutter nennen, als Köder. Die
Tiere wittern den Thon von weitem; ſie riechen ihn gern, wie
die Weiber in Spanien und Portugal den Bucarosthon, 1 die
ſogenannten wohlriechenden Erden (Tierras olorosas). Brown
erzählt in ſeiner Geſchichte von Jamaika, die Krokodile in Süd-
amerika verſchlingen kleine Steine oder Stücke ſehr harten Holzes,
wenn die Seen, in denen ſie leben, ausgetrocknet ſind, oder ſie
ſonſt keine Nahrung finden. Im Magen eines 3,6 m langen
Krokodils, das Bonpland und ich in Batallez am Magdalenen-
ſtrome zergliederten, fanden wir halbverdaute Fiſche und runde,
8 bis 10 cm ſtarke Granitſtücke. Es iſt nicht anzunehmen, daß
die Krokodile dieſe Steine zufällig verſchlucken, denn, wenn ſie
die Fiſche unten im Strome packen, ruht ihre untere Kinnlade
nicht auf dem Boden. Die Indianer haben die abgeſchmackte
Idee ausgeheckt, dieſe trägen Tiere machen ſich ſo gern
ſchwerer, um leichter zu tauchen. Ich glaube vielmehr, ſie
nehmen große Kieſel in den Magen auf, um dadurch eine
reichliche Abſonderung des Magenſaftes herbeizuführen. Ma-
gendies Verſuche ſprechen für dieſe Auffaſſung. Was die Ge-
wohnheit der körnerfreſſenden Vögel, namentlich der hühner-
artigen und der Strauße betrifft, Sand und kleine Steine
zu verſchlucken, ſo hat man ſie bisher dem inſtinktmäßigen
Triebe der Tiere zugeſchrieben, die Zerreibung der Nahrung
in ihrem dicken Muskelmagen zu beſchleunigen.
Wir haben oben geſehen, daß Negerſtämme am Gambia
Thon unter ihren Reis miſchen; vielleicht hatten früher manche
Familien der Otomaken den Brauch, Mais und andere meh-
lige Samen in ihrer Poya „faulen“ zu laſſen, um Erde
1 Bucaro, vas fictile odoriferum. Man trinkt gern aus
dieſen Gefäßen wegen des Geruches des Thones. Die Weiber in
der Provinz Alemtejo gewöhnen ſich an, die Bucaroerde zu kauen,
und ſie empfinden es als eine große Entbehrung, wenn ſie dieſes
abnorme Gelüſte nicht befriedigen können.
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