Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.gar nicht. Pater Gili versichert, den Indianern am unteren Weder aus Virginien, noch aus Südamerika, wie irrtüm- 1 Die Spanier lernten den Tabak am Ende des 16. Jahr- hunderts auf den Antillen kennen. Ich habe oben bemerkt, daß der Anbau dieses narkotischen Gewächses um 120 bis 140 Jahre älter ist als die segensreiche Anpflanzung der Kartoffel. Als Ralegh im Jahre 1586 den Tabak aus Virginien nach England brachte, gab es in Portugal bereits ganze Felder voll davon. 2 Die merkwürdige Stelle lautet bei Camden, Annal. Elizab.
p. 143 (1585) wie folgt: "Ex illo sane tempore (tabacum) usu cepit esse creberrimo in Anglia et magno pretio, dum quam- plurimi graveolentem illius fumum per tubulum testaceum hauriunt et mox e naribus afflant, adeo ut Anglorum corpora in barbarorum naturam degenerasse videantur, quum iidem ac barbari delectentur." Man sieht aus dieser Stelle, daß man durch die Nase rauchte, während man am Hofe Montezumas in der einen Hand die Pfeife hatte und mit der anderen die Nase zuhielt, um den Rauch leichter schlucken zu können. gar nicht. Pater Gili verſichert, den Indianern am unteren Weder aus Virginien, noch aus Südamerika, wie irrtüm- 1 Die Spanier lernten den Tabak am Ende des 16. Jahr- hunderts auf den Antillen kennen. Ich habe oben bemerkt, daß der Anbau dieſes narkotiſchen Gewächſes um 120 bis 140 Jahre älter iſt als die ſegensreiche Anpflanzung der Kartoffel. Als Ralegh im Jahre 1586 den Tabak aus Virginien nach England brachte, gab es in Portugal bereits ganze Felder voll davon. 2 Die merkwürdige Stelle lautet bei Camden, Annal. Elizab.
p. 143 (1585) wie folgt: „Ex illo sane tempore (tabacum) usu cepit esse creberrimo in Anglia et magno pretio, dum quam- plurimi graveolentem illius fumum per tubulum testaceum hauriunt et mox e naribus afflant, adeo ut Anglorum corpora in barbarorum naturam degenerasse videantur, quum iidem ac barbari delectentur.“ Man ſieht aus dieſer Stelle, daß man durch die Naſe rauchte, während man am Hofe Montezumas in der einen Hand die Pfeife hatte und mit der anderen die Naſe zuhielt, um den Rauch leichter ſchlucken zu können. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0145" n="137"/> gar nicht. Pater Gili verſichert, den Indianern am unteren<lb/> Orinoko ſei die Sitte des Tabakkauens unbekannt. Ich<lb/> möchte die Richtigkeit dieſer Behauptung bezweifeln; denn<lb/> die Sercucuma am Erevato und Caura, Nachbarn der weiß-<lb/> lichen Paparitos, verſchlucken, wie man mir ſagte, zerhackten<lb/> und mit anderen ſtark reizenden Säften getränkten Tabak,<lb/> wenn ſie ſich zum Gefechte anſchicken. Von den vier Nikotiana-<lb/> arten, die in Europa gebaut werden (<hi rendition="#aq">N. tabacum, N. rustica,<lb/> N. paniculata</hi> und <hi rendition="#aq">N. glutinosa</hi>) ſahen wir nur die beiden<lb/> letzteren wild; aber <hi rendition="#aq">Nicotiana lolaxensis</hi> und <hi rendition="#aq">N. Andicola,</hi><lb/> die ich in 3605 <hi rendition="#aq">m</hi> Meereshöhe auf dem Rücken der Anden<lb/> gefunden, ſtehen <hi rendition="#aq">Nicotiana tabacum</hi> und <hi rendition="#aq">rustica</hi> ſehr nahe.<lb/> Die ganze Gattung iſt übrigens faſt ausſchließlich amerika-<lb/> niſch und die meiſten Arten ſchienen mir dem gebirgigen und<lb/> gemäßigten Landſtriche unter den Tropen anzugehören.</p><lb/> <p>Weder aus Virginien, noch aus Südamerika, wie irrtüm-<lb/> lich in mehreren agronomiſchen und botaniſchen Schriften ſteht,<lb/> ſondern aus der mexikaniſchen Provinz Yucatan iſt um das<lb/> Jahr 1559 der erſte Tabakſamen nach Europa gekommen. <note place="foot" n="1">Die Spanier lernten den Tabak am Ende des 16. Jahr-<lb/> hunderts auf den Antillen kennen. Ich habe oben bemerkt, daß<lb/> der Anbau dieſes narkotiſchen Gewächſes um 120 bis 140 Jahre<lb/> älter iſt als die ſegensreiche Anpflanzung der Kartoffel. Als Ralegh<lb/> im Jahre 1586 den Tabak aus Virginien nach England brachte,<lb/> gab es in Portugal bereits ganze Felder voll davon.</note><lb/> Der Mann, der die Fruchtbarkeit der Ufer des Orinoko am<lb/> lauteſten geprieſen, der berühmte Ralegh, hat auch die Sitte<lb/> des Rauchens unter den nordiſchen Völkern am meiſten be-<lb/> fördert. Bereits am Schluſſe des 16. Jahrhunderts be-<lb/> ſchwerte man ſich in England bitter über „dieſe Nachahmung<lb/> der Gebräuche eines barbariſchen Volkes“. Man fürchtete bei<lb/> dem überhandnehmenden Tabakrauchen, <hi rendition="#aq">„ne Anglorum cor-<lb/> pora in barbarorum naturam degenerent“.</hi> <note place="foot" n="2">Die merkwürdige Stelle lautet bei <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Camden</hi>, Annal. Elizab.<lb/> p.</hi> 143 (1585) wie folgt: <hi rendition="#aq">„Ex illo sane tempore (tabacum) usu<lb/> cepit esse creberrimo in Anglia et magno pretio, dum quam-<lb/> plurimi graveolentem illius fumum per tubulum testaceum<lb/> hauriunt et mox e naribus afflant, adeo ut Anglorum corpora<lb/> in barbarorum naturam degenerasse videantur, quum iidem<lb/> ac barbari delectentur.“</hi> Man ſieht aus dieſer Stelle, daß man<lb/> durch die Naſe rauchte, während man am Hofe Montezumas in der<lb/> einen Hand die Pfeife hatte und mit der anderen die Naſe zuhielt,<lb/> um den Rauch leichter ſchlucken zu können.</note></p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [137/0145]
gar nicht. Pater Gili verſichert, den Indianern am unteren
Orinoko ſei die Sitte des Tabakkauens unbekannt. Ich
möchte die Richtigkeit dieſer Behauptung bezweifeln; denn
die Sercucuma am Erevato und Caura, Nachbarn der weiß-
lichen Paparitos, verſchlucken, wie man mir ſagte, zerhackten
und mit anderen ſtark reizenden Säften getränkten Tabak,
wenn ſie ſich zum Gefechte anſchicken. Von den vier Nikotiana-
arten, die in Europa gebaut werden (N. tabacum, N. rustica,
N. paniculata und N. glutinosa) ſahen wir nur die beiden
letzteren wild; aber Nicotiana lolaxensis und N. Andicola,
die ich in 3605 m Meereshöhe auf dem Rücken der Anden
gefunden, ſtehen Nicotiana tabacum und rustica ſehr nahe.
Die ganze Gattung iſt übrigens faſt ausſchließlich amerika-
niſch und die meiſten Arten ſchienen mir dem gebirgigen und
gemäßigten Landſtriche unter den Tropen anzugehören.
Weder aus Virginien, noch aus Südamerika, wie irrtüm-
lich in mehreren agronomiſchen und botaniſchen Schriften ſteht,
ſondern aus der mexikaniſchen Provinz Yucatan iſt um das
Jahr 1559 der erſte Tabakſamen nach Europa gekommen. 1
Der Mann, der die Fruchtbarkeit der Ufer des Orinoko am
lauteſten geprieſen, der berühmte Ralegh, hat auch die Sitte
des Rauchens unter den nordiſchen Völkern am meiſten be-
fördert. Bereits am Schluſſe des 16. Jahrhunderts be-
ſchwerte man ſich in England bitter über „dieſe Nachahmung
der Gebräuche eines barbariſchen Volkes“. Man fürchtete bei
dem überhandnehmenden Tabakrauchen, „ne Anglorum cor-
pora in barbarorum naturam degenerent“. 2
1 Die Spanier lernten den Tabak am Ende des 16. Jahr-
hunderts auf den Antillen kennen. Ich habe oben bemerkt, daß
der Anbau dieſes narkotiſchen Gewächſes um 120 bis 140 Jahre
älter iſt als die ſegensreiche Anpflanzung der Kartoffel. Als Ralegh
im Jahre 1586 den Tabak aus Virginien nach England brachte,
gab es in Portugal bereits ganze Felder voll davon.
2 Die merkwürdige Stelle lautet bei Camden, Annal. Elizab.
p. 143 (1585) wie folgt: „Ex illo sane tempore (tabacum) usu
cepit esse creberrimo in Anglia et magno pretio, dum quam-
plurimi graveolentem illius fumum per tubulum testaceum
hauriunt et mox e naribus afflant, adeo ut Anglorum corpora
in barbarorum naturam degenerasse videantur, quum iidem
ac barbari delectentur.“ Man ſieht aus dieſer Stelle, daß man
durch die Naſe rauchte, während man am Hofe Montezumas in der
einen Hand die Pfeife hatte und mit der anderen die Naſe zuhielt,
um den Rauch leichter ſchlucken zu können.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |