Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Wenn sich die Otomaken in Uruana durch den Genuß Wir fanden in Uruana in den Hütten der Indianer den- Ungern schieden wir (am 7. Juni) vom Pater Ramon In den Ländern, wie wir eben bereist, zwischen dem Wenn ſich die Otomaken in Uruana durch den Genuß Wir fanden in Uruana in den Hütten der Indianer den- Ungern ſchieden wir (am 7. Juni) vom Pater Ramon In den Ländern, wie wir eben bereiſt, zwiſchen dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0146" n="138"/> <p>Wenn ſich die Otomaken in Uruana durch den Genuß<lb/> des Niopo (ihres Baumtabaks) und gegorener Getränke in<lb/> einen Zuſtand von Trunkenheit verſetzt haben, der mehrere<lb/> Tage dauert, ſo bringen ſie einander um, ohne ſich mit Waffen<lb/> zu ſchlagen. Die bösartigſten vergiften ſich den Daumennagel<lb/> mit Curare, und nach der Ausſage der Miſſionäre kann der<lb/> geringſte Ritz mit dieſem vergifteten Nagel tödlich werden,<lb/> wenn das Curare ſehr ſtark iſt und unmittelbar in die Blut-<lb/> maſſe gelangt. Begehen die Indianer bei Nacht infolge eines<lb/> Zankes einen Totſchlag, ſo werfen ſie den Leichnam in den<lb/> Fluß, weil ſie fürchten, es möchten Spuren der erlittenen<lb/> Gewalt an ihm zu bemerken ſein. „So oft ich,“ äußerte<lb/> Pater Bueno gegen uns, „die Weiber an einer anderen Stelle<lb/> des Ufers als gewöhnlich Waſſer ſchöpfen ſehe, vermute ich,<lb/> daß ein Mord in meiner Miſſion begangen worden.“</p><lb/> <p>Wir fanden in Uruana in den Hütten der Indianer den-<lb/> ſelben vegetabiliſchen Stoff (<hi rendition="#aq">Yesca de hormigas,</hi> Ameiſen-<lb/> zunder), den wir bei den großen Katarakten hatten kennen<lb/> lernen und den man zum Blutſtillen braucht. Dieſer Zunder,<lb/> der weniger uneigentlich <hi rendition="#g">Ameiſenneſter</hi> hieße, iſt in einem<lb/> Lande, deſſen Bewohner nichts weniger als friedfertig ſind,<lb/> ſehr geſucht. Eine neue ſchön ſmaragdgrüne Art Ameiſen<lb/><hi rendition="#aq">(Formica spinicollis)</hi> ſammelt auf den Blättern einer Mela-<lb/> ſtomenart zu ihrem Neſte einen baumwollenartigen, gelbbraunen,<lb/> ſehr zart anzufühlenden Flaum. Ich glaube, daß der „Yesca<lb/> oder Ameiſenzunder“ vom oberen Orinoko (das Tier kommt,<lb/> wie verſichert wird, nur ſüdlich von Apures vor) einmal<lb/> ein Handelsartikel werden kann. Der Stoff iſt weit vor-<lb/> züglicher als die „Ameiſenneſter“ von Cayenne, die man in<lb/> Europa in den Hoſpitälern verwendet, die aber ſchwer zu be-<lb/> kommen ſind.</p><lb/> <p>Ungern ſchieden wir (am 7. Juni) vom Pater Ramon<lb/> Bueno. Unter den zehn Miſſionären, die wir auf dem un-<lb/> geheuren Gebiete von Guyana kennen gelernt, ſchien mir nur<lb/> er auf alle Verhältniſſe der eingeborenen Völkerſchaften zu<lb/> achten. Er hoffte in kurzem nach Madrid zurückkehren und<lb/> das Ergebnis ſeiner Unterſuchungen über die Bilder und<lb/> Züge auf den Felſen bei Uruana bekannt machen zu können.</p><lb/> <p>In den Ländern, wie wir eben bereiſt, zwiſchen dem<lb/> Meta, Arauca und Apure, fand man bei den erſten Ent-<lb/> deckungszügen an den Orinoko, z. B. bei dem des Alonzo<lb/> de Herrera im Jahre 1535, <hi rendition="#g">ſtumme Hunde</hi>, von den Ein-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [138/0146]
Wenn ſich die Otomaken in Uruana durch den Genuß
des Niopo (ihres Baumtabaks) und gegorener Getränke in
einen Zuſtand von Trunkenheit verſetzt haben, der mehrere
Tage dauert, ſo bringen ſie einander um, ohne ſich mit Waffen
zu ſchlagen. Die bösartigſten vergiften ſich den Daumennagel
mit Curare, und nach der Ausſage der Miſſionäre kann der
geringſte Ritz mit dieſem vergifteten Nagel tödlich werden,
wenn das Curare ſehr ſtark iſt und unmittelbar in die Blut-
maſſe gelangt. Begehen die Indianer bei Nacht infolge eines
Zankes einen Totſchlag, ſo werfen ſie den Leichnam in den
Fluß, weil ſie fürchten, es möchten Spuren der erlittenen
Gewalt an ihm zu bemerken ſein. „So oft ich,“ äußerte
Pater Bueno gegen uns, „die Weiber an einer anderen Stelle
des Ufers als gewöhnlich Waſſer ſchöpfen ſehe, vermute ich,
daß ein Mord in meiner Miſſion begangen worden.“
Wir fanden in Uruana in den Hütten der Indianer den-
ſelben vegetabiliſchen Stoff (Yesca de hormigas, Ameiſen-
zunder), den wir bei den großen Katarakten hatten kennen
lernen und den man zum Blutſtillen braucht. Dieſer Zunder,
der weniger uneigentlich Ameiſenneſter hieße, iſt in einem
Lande, deſſen Bewohner nichts weniger als friedfertig ſind,
ſehr geſucht. Eine neue ſchön ſmaragdgrüne Art Ameiſen
(Formica spinicollis) ſammelt auf den Blättern einer Mela-
ſtomenart zu ihrem Neſte einen baumwollenartigen, gelbbraunen,
ſehr zart anzufühlenden Flaum. Ich glaube, daß der „Yesca
oder Ameiſenzunder“ vom oberen Orinoko (das Tier kommt,
wie verſichert wird, nur ſüdlich von Apures vor) einmal
ein Handelsartikel werden kann. Der Stoff iſt weit vor-
züglicher als die „Ameiſenneſter“ von Cayenne, die man in
Europa in den Hoſpitälern verwendet, die aber ſchwer zu be-
kommen ſind.
Ungern ſchieden wir (am 7. Juni) vom Pater Ramon
Bueno. Unter den zehn Miſſionären, die wir auf dem un-
geheuren Gebiete von Guyana kennen gelernt, ſchien mir nur
er auf alle Verhältniſſe der eingeborenen Völkerſchaften zu
achten. Er hoffte in kurzem nach Madrid zurückkehren und
das Ergebnis ſeiner Unterſuchungen über die Bilder und
Züge auf den Felſen bei Uruana bekannt machen zu können.
In den Ländern, wie wir eben bereiſt, zwiſchen dem
Meta, Arauca und Apure, fand man bei den erſten Ent-
deckungszügen an den Orinoko, z. B. bei dem des Alonzo
de Herrera im Jahre 1535, ſtumme Hunde, von den Ein-
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