Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

steige; Pons, der bei seinem Aufenthalte in Caracas im all-
gemeinen sehr genaue Notizen gesammelt hat, bleibt bei 25,3 m
stehen. Der Wasserstand wechselt natürlich nach der Breite
des Bettes und der Zahl der Nebenflüsse, die in den Haupt-
stamm des Stromes hereinkommen. Der Nil steigt in Ober-
ägypten um 9,7 bis 11,3 m, bei Kairo um 8,1, an der Nord-
seite des Deltas um 1,3 m. Bei Angostura scheint der Strom
im Durchschnitt nicht über 7,8 bis 8 m zu steigen. Es liegt
hier mitten im Flusse eine Insel, wo man den Wasserstand
so bequem beobachten könnte wie am Nilmesser (Megyas)
an der Spitze der Insel Rudah. Ein ausgezeichneter Ge-
lehrter, der sich in neuester Zeit am Orinoko aufgehalten hat,
Zea, wird meine Beobachtungen über einen so wichtigen
Punkt ergänzen. Das Volk glaubt, alle 25 Jahre steige der
Orinoko um 1 m höher als sonst; auf diesen Cyklus ist man
aber keineswegs durch genaue Messungen gekommen. Aus
den Zeugnissen des Altertums geht hervor, daß die Niveau-
schwankungen des Nil nach Höhe und Dauer seit Jahr-
tausenden sich gleich geblieben sind. Es ist dies ein sehr
beachtenswerter Beweis, daß der mittlere Feuchtigkeits- und
Wärmezustand im weiten Nilbecken sich verändert. Wird diese
Stetigkeit der physikalischen Erscheinungen, dieses Gleichgewicht
der Elemente sich auch in der Neuen Welt erhalten, wenn
einmal die Kultur ein paar hundert Jahre alt ist? Ich denke,
man kann die Frage bejahen, denn alles, was die Gesamt-
kraft des Menschen vermag, kann auf die allgemeinen
Ursachen, von denen das Klima Guyanas abhängt, keinen
Einfluß äußern.

Nach der Barometerhöhe von San Fernando de Apure
finde ich, daß der Fall des Apure und unteren Orinoko von
dieser Stadt bis zur Boca de Navios 49 mm auf den Kilo-
meter beträgt.1 Man könnte sich wundern, daß bei einem
solchen kaum merklichen Falle die Strömung so stark ist; ich
erinnere aber bei dieser Gelegenheit daran, daß nach Messun-
gen, die von Hastings angeordnet worden, der Ganges auf
einer Strecke von 111 km (die Krümmungen eingerechnet)
auch nur 2,2 cm auf den Kilometer fällt und daß die mitt-
lere Geschwindigkeit dieses Stromes in der trockenen Jahres-

1 Der Apure für sich hat einen Fall von 18,8 cm auf den
Kilometer.

ſteige; Pons, der bei ſeinem Aufenthalte in Caracas im all-
gemeinen ſehr genaue Notizen geſammelt hat, bleibt bei 25,3 m
ſtehen. Der Waſſerſtand wechſelt natürlich nach der Breite
des Bettes und der Zahl der Nebenflüſſe, die in den Haupt-
ſtamm des Stromes hereinkommen. Der Nil ſteigt in Ober-
ägypten um 9,7 bis 11,3 m, bei Kairo um 8,1, an der Nord-
ſeite des Deltas um 1,3 m. Bei Angoſtura ſcheint der Strom
im Durchſchnitt nicht über 7,8 bis 8 m zu ſteigen. Es liegt
hier mitten im Fluſſe eine Inſel, wo man den Waſſerſtand
ſo bequem beobachten könnte wie am Nilmeſſer (Megyas)
an der Spitze der Inſel Rudah. Ein ausgezeichneter Ge-
lehrter, der ſich in neueſter Zeit am Orinoko aufgehalten hat,
Zea, wird meine Beobachtungen über einen ſo wichtigen
Punkt ergänzen. Das Volk glaubt, alle 25 Jahre ſteige der
Orinoko um 1 m höher als ſonſt; auf dieſen Cyklus iſt man
aber keineswegs durch genaue Meſſungen gekommen. Aus
den Zeugniſſen des Altertums geht hervor, daß die Niveau-
ſchwankungen des Nil nach Höhe und Dauer ſeit Jahr-
tauſenden ſich gleich geblieben ſind. Es iſt dies ein ſehr
beachtenswerter Beweis, daß der mittlere Feuchtigkeits- und
Wärmezuſtand im weiten Nilbecken ſich verändert. Wird dieſe
Stetigkeit der phyſikaliſchen Erſcheinungen, dieſes Gleichgewicht
der Elemente ſich auch in der Neuen Welt erhalten, wenn
einmal die Kultur ein paar hundert Jahre alt iſt? Ich denke,
man kann die Frage bejahen, denn alles, was die Geſamt-
kraft des Menſchen vermag, kann auf die allgemeinen
Urſachen, von denen das Klima Guyanas abhängt, keinen
Einfluß äußern.

Nach der Barometerhöhe von San Fernando de Apure
finde ich, daß der Fall des Apure und unteren Orinoko von
dieſer Stadt bis zur Boca de Navios 49 mm auf den Kilo-
meter beträgt.1 Man könnte ſich wundern, daß bei einem
ſolchen kaum merklichen Falle die Strömung ſo ſtark iſt; ich
erinnere aber bei dieſer Gelegenheit daran, daß nach Meſſun-
gen, die von Haſtings angeordnet worden, der Ganges auf
einer Strecke von 111 km (die Krümmungen eingerechnet)
auch nur 2,2 cm auf den Kilometer fällt und daß die mitt-
lere Geſchwindigkeit dieſes Stromes in der trockenen Jahres-

1 Der Apure für ſich hat einen Fall von 18,8 cm auf den
Kilometer.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0184" n="176"/>
&#x017F;teige; Pons, der bei &#x017F;einem Aufenthalte in Caracas im all-<lb/>
gemeinen &#x017F;ehr genaue Notizen ge&#x017F;ammelt hat, bleibt bei 25,3 <hi rendition="#aq">m</hi><lb/>
&#x017F;tehen. Der Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;tand wech&#x017F;elt natürlich nach der Breite<lb/>
des Bettes und der Zahl der Nebenflü&#x017F;&#x017F;e, die in den Haupt-<lb/>
&#x017F;tamm des Stromes hereinkommen. Der Nil &#x017F;teigt in Ober-<lb/>
ägypten um 9,7 bis 11,3 <hi rendition="#aq">m</hi>, bei Kairo um 8,1, an der Nord-<lb/>
&#x017F;eite des Deltas um 1,3 <hi rendition="#aq">m.</hi> Bei Ango&#x017F;tura &#x017F;cheint der Strom<lb/>
im Durch&#x017F;chnitt nicht über 7,8 bis 8 <hi rendition="#aq">m</hi> zu &#x017F;teigen. Es liegt<lb/>
hier mitten im Flu&#x017F;&#x017F;e eine In&#x017F;el, wo man den Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;tand<lb/>
&#x017F;o bequem beobachten könnte wie am Nilme&#x017F;&#x017F;er (Megyas)<lb/>
an der Spitze der In&#x017F;el Rudah. Ein ausgezeichneter Ge-<lb/>
lehrter, der &#x017F;ich in neue&#x017F;ter Zeit am Orinoko aufgehalten hat,<lb/><hi rendition="#g">Zea</hi>, wird meine Beobachtungen über einen &#x017F;o wichtigen<lb/>
Punkt ergänzen. Das Volk glaubt, alle 25 Jahre &#x017F;teige der<lb/>
Orinoko um 1 <hi rendition="#aq">m</hi> höher als &#x017F;on&#x017F;t; auf die&#x017F;en Cyklus i&#x017F;t man<lb/>
aber keineswegs durch genaue Me&#x017F;&#x017F;ungen gekommen. Aus<lb/>
den Zeugni&#x017F;&#x017F;en des Altertums geht hervor, daß die Niveau-<lb/>
&#x017F;chwankungen des Nil nach Höhe und Dauer &#x017F;eit Jahr-<lb/>
tau&#x017F;enden &#x017F;ich gleich geblieben &#x017F;ind. Es i&#x017F;t dies ein &#x017F;ehr<lb/>
beachtenswerter Beweis, daß der mittlere Feuchtigkeits- und<lb/>
Wärmezu&#x017F;tand im weiten Nilbecken &#x017F;ich verändert. Wird die&#x017F;e<lb/>
Stetigkeit der phy&#x017F;ikali&#x017F;chen Er&#x017F;cheinungen, die&#x017F;es Gleichgewicht<lb/>
der Elemente &#x017F;ich auch in der Neuen Welt erhalten, wenn<lb/>
einmal die Kultur ein paar hundert Jahre alt i&#x017F;t? Ich denke,<lb/>
man kann die Frage bejahen, denn alles, was die Ge&#x017F;amt-<lb/>
kraft des Men&#x017F;chen vermag, kann auf die allgemeinen<lb/>
Ur&#x017F;achen, von denen das Klima Guyanas abhängt, keinen<lb/>
Einfluß äußern.</p><lb/>
          <p>Nach der Barometerhöhe von San Fernando de Apure<lb/>
finde ich, daß der Fall des Apure und unteren Orinoko von<lb/>
die&#x017F;er Stadt bis zur Boca de Navios 49 <hi rendition="#aq">mm</hi> auf den Kilo-<lb/>
meter beträgt.<note place="foot" n="1">Der Apure für &#x017F;ich hat einen Fall von 18,8 <hi rendition="#aq">cm</hi> auf den<lb/>
Kilometer.</note> Man könnte &#x017F;ich wundern, daß bei einem<lb/>
&#x017F;olchen kaum merklichen Falle die Strömung &#x017F;o &#x017F;tark i&#x017F;t; ich<lb/>
erinnere aber bei die&#x017F;er Gelegenheit daran, daß nach Me&#x017F;&#x017F;un-<lb/>
gen, die von Ha&#x017F;tings angeordnet worden, der Ganges auf<lb/>
einer Strecke von 111 <hi rendition="#aq">km</hi> (die Krümmungen eingerechnet)<lb/>
auch nur 2,2 <hi rendition="#aq">cm</hi> auf den Kilometer fällt und daß die mitt-<lb/>
lere Ge&#x017F;chwindigkeit die&#x017F;es Stromes in der trockenen Jahres-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0184] ſteige; Pons, der bei ſeinem Aufenthalte in Caracas im all- gemeinen ſehr genaue Notizen geſammelt hat, bleibt bei 25,3 m ſtehen. Der Waſſerſtand wechſelt natürlich nach der Breite des Bettes und der Zahl der Nebenflüſſe, die in den Haupt- ſtamm des Stromes hereinkommen. Der Nil ſteigt in Ober- ägypten um 9,7 bis 11,3 m, bei Kairo um 8,1, an der Nord- ſeite des Deltas um 1,3 m. Bei Angoſtura ſcheint der Strom im Durchſchnitt nicht über 7,8 bis 8 m zu ſteigen. Es liegt hier mitten im Fluſſe eine Inſel, wo man den Waſſerſtand ſo bequem beobachten könnte wie am Nilmeſſer (Megyas) an der Spitze der Inſel Rudah. Ein ausgezeichneter Ge- lehrter, der ſich in neueſter Zeit am Orinoko aufgehalten hat, Zea, wird meine Beobachtungen über einen ſo wichtigen Punkt ergänzen. Das Volk glaubt, alle 25 Jahre ſteige der Orinoko um 1 m höher als ſonſt; auf dieſen Cyklus iſt man aber keineswegs durch genaue Meſſungen gekommen. Aus den Zeugniſſen des Altertums geht hervor, daß die Niveau- ſchwankungen des Nil nach Höhe und Dauer ſeit Jahr- tauſenden ſich gleich geblieben ſind. Es iſt dies ein ſehr beachtenswerter Beweis, daß der mittlere Feuchtigkeits- und Wärmezuſtand im weiten Nilbecken ſich verändert. Wird dieſe Stetigkeit der phyſikaliſchen Erſcheinungen, dieſes Gleichgewicht der Elemente ſich auch in der Neuen Welt erhalten, wenn einmal die Kultur ein paar hundert Jahre alt iſt? Ich denke, man kann die Frage bejahen, denn alles, was die Geſamt- kraft des Menſchen vermag, kann auf die allgemeinen Urſachen, von denen das Klima Guyanas abhängt, keinen Einfluß äußern. Nach der Barometerhöhe von San Fernando de Apure finde ich, daß der Fall des Apure und unteren Orinoko von dieſer Stadt bis zur Boca de Navios 49 mm auf den Kilo- meter beträgt. 1 Man könnte ſich wundern, daß bei einem ſolchen kaum merklichen Falle die Strömung ſo ſtark iſt; ich erinnere aber bei dieſer Gelegenheit daran, daß nach Meſſun- gen, die von Haſtings angeordnet worden, der Ganges auf einer Strecke von 111 km (die Krümmungen eingerechnet) auch nur 2,2 cm auf den Kilometer fällt und daß die mitt- lere Geſchwindigkeit dieſes Stromes in der trockenen Jahres- 1 Der Apure für ſich hat einen Fall von 18,8 cm auf den Kilometer.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/184
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/184>, abgerufen am 09.11.2024.