Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.eine blühende Landwirtschaft keineswegs unverträglich sind; Zur Vervollständigung der Beschreibung des Orinoko 1 El Dorado, d. h. el rey o hombre dorado.
eine blühende Landwirtſchaft keineswegs unverträglich ſind; Zur Vervollſtändigung der Beſchreibung des Orinoko 1 El Dorado, d. h. el rey ó hombre dorado.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0194" n="186"/> eine blühende Landwirtſchaft keineswegs unverträglich ſind;<lb/> aber nach Volksſagen kommt man über die Ufer des Carony<lb/> zum See Dorado und zum Palaſt des <hi rendition="#g">vergoldeten Man-<lb/> nes</hi>,<note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">El Dorado,</hi> d. h. <hi rendition="#aq">el rey ó hombre dorado.</hi></note> und da dieſer See und dieſer Palaſt ein <hi rendition="#g">Lokalmy-<lb/> thus</hi> ſind, ſo wäre es gefährlich, Erinnerungen zu wecken,<lb/> die ſich allmählich zu verwiſchen beginnen. Man hat mich ver-<lb/> ſichert, noch bis zum Jahre 1760 ſeien die freien Kariben<lb/> zum Cerro de Pajarcima, einem Berge ſüdlich von Vieja<lb/> Guyana gekommen, um das verwitterte Geſtein auszuwaſchen.<lb/> Der dabei gewonnene Goldſtaub wurde in Kalebaſſen der<lb/> Crescentia Cujete aufbewahrt und in Eſſequibo an die Hollän-<lb/> der verkauft. Noch ſpäter mißbrauchten mexikaniſche Berg-<lb/> leute die Leichtgläubigkeit des Intendanten von Caracas, Don<lb/> Joſe Avalo, und legten mitten in den Miſſionen am Carony,<lb/> bei der Villa Upata in den Cerros del Potrero und Chirica<lb/> große Hüttenwerke an. Sie erklärten, die ganze Gebirgsart<lb/> ſei goldhaltig, und man baute Werkſtätten und Schmelzöfen.<lb/> Nachdem man beträchtliche Summen verſchleudert, zeigte es<lb/> ſich, daß die Kieſe keine Spur von Gold enthielten. Dieſe<lb/> Verſuche, ſo fruchtlos ſie waren, riefen den alten Aberglauben<lb/> wach, daß in Guyana „jedes glänzende Geſtein <hi rendition="#aq">una madre<lb/> del oro</hi> ſei“. Man begnügte ſich damit, Glimmerſchiefer zu<lb/> ſchmelzen; bei Angoſtura zeigte man mir Schichten von Horn-<lb/> blendeſchiefer ohne fremdartige Beimengung, die man unter<lb/> dem wunderlichen Namen: ſchwarzes Golderz, <hi rendition="#aq">oro negro,</hi><lb/> ausbeutete.</p><lb/> <p>Zur Vervollſtändigung der Beſchreibung des Orinoko<lb/> teile ich an dieſer Stelle die Hauptergebniſſe meiner Unter-<lb/> ſuchungen über den <hi rendition="#g">Dorado</hi>, über das <hi rendition="#g">Weiße Meer</hi> oder<lb/><hi rendition="#g">Laguna Parime</hi> und die Quellen des Orinoko mit, wie<lb/> ſie auf den neueſten Karten gezeichnet ſind. Die Vorſtellung<lb/> von einem überſchwenglich reichen Goldlande war ſeit dem<lb/> Ende des 16. Jahrhunderts mit der anderen verbunden, daß<lb/> ein großer Binnenſee den Orinoko, den Rio Branco und den<lb/> Rio Eſſequibo zugleich mit Waſſer ſpeiſe. Ich glaube durch<lb/> genauere Kenntnis der Oertlichkeiten, durch langes mühſames<lb/> Studium der ſpaniſchen Schriftſteller, die vom <hi rendition="#g">Dorado</hi> han-<lb/> deln, beſonders aber durch Vergleichung ſehr vieler alten,<lb/> chronologiſch geordneten Karten den Quellen dieſes Irrtums<lb/> auf die Spur gekommen zu ſein. Allen Märchen liegt etwas<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [186/0194]
eine blühende Landwirtſchaft keineswegs unverträglich ſind;
aber nach Volksſagen kommt man über die Ufer des Carony
zum See Dorado und zum Palaſt des vergoldeten Man-
nes, 1 und da dieſer See und dieſer Palaſt ein Lokalmy-
thus ſind, ſo wäre es gefährlich, Erinnerungen zu wecken,
die ſich allmählich zu verwiſchen beginnen. Man hat mich ver-
ſichert, noch bis zum Jahre 1760 ſeien die freien Kariben
zum Cerro de Pajarcima, einem Berge ſüdlich von Vieja
Guyana gekommen, um das verwitterte Geſtein auszuwaſchen.
Der dabei gewonnene Goldſtaub wurde in Kalebaſſen der
Crescentia Cujete aufbewahrt und in Eſſequibo an die Hollän-
der verkauft. Noch ſpäter mißbrauchten mexikaniſche Berg-
leute die Leichtgläubigkeit des Intendanten von Caracas, Don
Joſe Avalo, und legten mitten in den Miſſionen am Carony,
bei der Villa Upata in den Cerros del Potrero und Chirica
große Hüttenwerke an. Sie erklärten, die ganze Gebirgsart
ſei goldhaltig, und man baute Werkſtätten und Schmelzöfen.
Nachdem man beträchtliche Summen verſchleudert, zeigte es
ſich, daß die Kieſe keine Spur von Gold enthielten. Dieſe
Verſuche, ſo fruchtlos ſie waren, riefen den alten Aberglauben
wach, daß in Guyana „jedes glänzende Geſtein una madre
del oro ſei“. Man begnügte ſich damit, Glimmerſchiefer zu
ſchmelzen; bei Angoſtura zeigte man mir Schichten von Horn-
blendeſchiefer ohne fremdartige Beimengung, die man unter
dem wunderlichen Namen: ſchwarzes Golderz, oro negro,
ausbeutete.
Zur Vervollſtändigung der Beſchreibung des Orinoko
teile ich an dieſer Stelle die Hauptergebniſſe meiner Unter-
ſuchungen über den Dorado, über das Weiße Meer oder
Laguna Parime und die Quellen des Orinoko mit, wie
ſie auf den neueſten Karten gezeichnet ſind. Die Vorſtellung
von einem überſchwenglich reichen Goldlande war ſeit dem
Ende des 16. Jahrhunderts mit der anderen verbunden, daß
ein großer Binnenſee den Orinoko, den Rio Branco und den
Rio Eſſequibo zugleich mit Waſſer ſpeiſe. Ich glaube durch
genauere Kenntnis der Oertlichkeiten, durch langes mühſames
Studium der ſpaniſchen Schriftſteller, die vom Dorado han-
deln, beſonders aber durch Vergleichung ſehr vieler alten,
chronologiſch geordneten Karten den Quellen dieſes Irrtums
auf die Spur gekommen zu ſein. Allen Märchen liegt etwas
1 El Dorado, d. h. el rey ó hombre dorado.
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