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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Granite sind nun aber nicht so arm an Metallen, und manche
goldführende Flüsse und Bäche in den Anden, im Salzburgi-
schen, im Fichtelgebirge und auf der Hochebene beider Kastilien
machen es wahrscheinlich, daß diese Granite hin und wieder
gediegenes Gold und in der ganzen Gebirgsmasse goldhaltigen
Schwefelkies und Bleiglanz eingesprengt enthalten, wie Zinn,
Magneteisenstein und Eisenglimmer. Der Bergstock der Parime,
in dem mehrere Gipfel 2530 m Meereshöhe erreichen, war
vor unserer Reise an den Orinoko fast ganz unbekannt, und
doch ist er gegen 650 km lang und 360 km breit, und wenn
er auch überall, wo Bonpland und ich darüber gekommen
sind, uns in seinem Bau sehr gleichförmig schien, so läßt sich
doch keineswegs behaupten, daß nicht im Inneren dieses ge-
waltigen Bergstockes sehr metallreiche Glimmerschiefer und
Uebergangsgebirgsarten dem Granit aufgelagert sein könnten.

Wie oben bemerkt, verdankt Guyana seinen hohen Ruf
als metallreiches Land zum Teil dem Silberglanze des so
häufig vorkommenden Glimmers. Der Spitzberg Calitamini,
der jeden Abend bei Sonnenuntergang in rötlichem Feuer
strahlt, nimmt noch jetzt die Aufmerksamkeit der Einwohner
von Maypures in Anspruch. Eilande aus Glimmerschiefer
im See Amucu steigern, wie die Eingeborenen einem vor-
lügen, den Glanz der Nebelflecken am Südhimmel. "Jeder
Berg," sagt Ralegh, "jeder Stein in den Wäldern am Orinoko
glänzt gleich edlen Metallen; ist das kein Gold, so ist es doch
Madre del oro". Er versichert, Stufen von weißem goldhaltigen
Quarz (harde withe spar) mitgebracht zu haben, und zum
Beweise, wie reich diese Erze seien, beruft er sich auf die von
den Münzbeamten zu London angestellten Versuche. Ich habe
keinen Grund zu vermuten, daß die damaligen Scheidekünstler
Königin Elisabeth täuschen wollten; ich will Raleghs An-
denken keineswegs zu nahe treten und mit seinen Zeitgenossen
argwöhnen, der goldhaltige Quarz, den er mitgebracht, sei
gar nicht in Amerika erhoben worden. Ueber Dinge, die in
der Zeit so weit abliegen, läßt sich kein Urteil fällen. Der
Gneis der Küstenkette enthält Spuren von edeln Metallen,
und in den Gebirgen der Parime bei der Mission Encaramada
hat man hin und wieder Goldkörner gefunden. Wie sollte
man nach einem rein negativen Zeugnisse nach dem Umstande,
daß wir auf einer dreimonatlichen Reise keinen Gang gesehen,
der am Ausgehenden goldhaltig gewesen wäre, auf die absolute
Taubheit der Urgebirgsarten in Guyana schließen?


Granite ſind nun aber nicht ſo arm an Metallen, und manche
goldführende Flüſſe und Bäche in den Anden, im Salzburgi-
ſchen, im Fichtelgebirge und auf der Hochebene beider Kaſtilien
machen es wahrſcheinlich, daß dieſe Granite hin und wieder
gediegenes Gold und in der ganzen Gebirgsmaſſe goldhaltigen
Schwefelkies und Bleiglanz eingeſprengt enthalten, wie Zinn,
Magneteiſenſtein und Eiſenglimmer. Der Bergſtock der Parime,
in dem mehrere Gipfel 2530 m Meereshöhe erreichen, war
vor unſerer Reiſe an den Orinoko faſt ganz unbekannt, und
doch iſt er gegen 650 km lang und 360 km breit, und wenn
er auch überall, wo Bonpland und ich darüber gekommen
ſind, uns in ſeinem Bau ſehr gleichförmig ſchien, ſo läßt ſich
doch keineswegs behaupten, daß nicht im Inneren dieſes ge-
waltigen Bergſtockes ſehr metallreiche Glimmerſchiefer und
Uebergangsgebirgsarten dem Granit aufgelagert ſein könnten.

Wie oben bemerkt, verdankt Guyana ſeinen hohen Ruf
als metallreiches Land zum Teil dem Silberglanze des ſo
häufig vorkommenden Glimmers. Der Spitzberg Calitamini,
der jeden Abend bei Sonnenuntergang in rötlichem Feuer
ſtrahlt, nimmt noch jetzt die Aufmerkſamkeit der Einwohner
von Maypures in Anſpruch. Eilande aus Glimmerſchiefer
im See Amucu ſteigern, wie die Eingeborenen einem vor-
lügen, den Glanz der Nebelflecken am Südhimmel. „Jeder
Berg,“ ſagt Ralegh, „jeder Stein in den Wäldern am Orinoko
glänzt gleich edlen Metallen; iſt das kein Gold, ſo iſt es doch
Madre del oro“. Er verſichert, Stufen von weißem goldhaltigen
Quarz (harde withe spar) mitgebracht zu haben, und zum
Beweiſe, wie reich dieſe Erze ſeien, beruft er ſich auf die von
den Münzbeamten zu London angeſtellten Verſuche. Ich habe
keinen Grund zu vermuten, daß die damaligen Scheidekünſtler
Königin Eliſabeth täuſchen wollten; ich will Raleghs An-
denken keineswegs zu nahe treten und mit ſeinen Zeitgenoſſen
argwöhnen, der goldhaltige Quarz, den er mitgebracht, ſei
gar nicht in Amerika erhoben worden. Ueber Dinge, die in
der Zeit ſo weit abliegen, läßt ſich kein Urteil fällen. Der
Gneis der Küſtenkette enthält Spuren von edeln Metallen,
und in den Gebirgen der Parime bei der Miſſion Encaramada
hat man hin und wieder Goldkörner gefunden. Wie ſollte
man nach einem rein negativen Zeugniſſe nach dem Umſtande,
daß wir auf einer dreimonatlichen Reiſe keinen Gang geſehen,
der am Ausgehenden goldhaltig geweſen wäre, auf die abſolute
Taubheit der Urgebirgsarten in Guyana ſchließen?


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[223/0231] Granite ſind nun aber nicht ſo arm an Metallen, und manche goldführende Flüſſe und Bäche in den Anden, im Salzburgi- ſchen, im Fichtelgebirge und auf der Hochebene beider Kaſtilien machen es wahrſcheinlich, daß dieſe Granite hin und wieder gediegenes Gold und in der ganzen Gebirgsmaſſe goldhaltigen Schwefelkies und Bleiglanz eingeſprengt enthalten, wie Zinn, Magneteiſenſtein und Eiſenglimmer. Der Bergſtock der Parime, in dem mehrere Gipfel 2530 m Meereshöhe erreichen, war vor unſerer Reiſe an den Orinoko faſt ganz unbekannt, und doch iſt er gegen 650 km lang und 360 km breit, und wenn er auch überall, wo Bonpland und ich darüber gekommen ſind, uns in ſeinem Bau ſehr gleichförmig ſchien, ſo läßt ſich doch keineswegs behaupten, daß nicht im Inneren dieſes ge- waltigen Bergſtockes ſehr metallreiche Glimmerſchiefer und Uebergangsgebirgsarten dem Granit aufgelagert ſein könnten. Wie oben bemerkt, verdankt Guyana ſeinen hohen Ruf als metallreiches Land zum Teil dem Silberglanze des ſo häufig vorkommenden Glimmers. Der Spitzberg Calitamini, der jeden Abend bei Sonnenuntergang in rötlichem Feuer ſtrahlt, nimmt noch jetzt die Aufmerkſamkeit der Einwohner von Maypures in Anſpruch. Eilande aus Glimmerſchiefer im See Amucu ſteigern, wie die Eingeborenen einem vor- lügen, den Glanz der Nebelflecken am Südhimmel. „Jeder Berg,“ ſagt Ralegh, „jeder Stein in den Wäldern am Orinoko glänzt gleich edlen Metallen; iſt das kein Gold, ſo iſt es doch Madre del oro“. Er verſichert, Stufen von weißem goldhaltigen Quarz (harde withe spar) mitgebracht zu haben, und zum Beweiſe, wie reich dieſe Erze ſeien, beruft er ſich auf die von den Münzbeamten zu London angeſtellten Verſuche. Ich habe keinen Grund zu vermuten, daß die damaligen Scheidekünſtler Königin Eliſabeth täuſchen wollten; ich will Raleghs An- denken keineswegs zu nahe treten und mit ſeinen Zeitgenoſſen argwöhnen, der goldhaltige Quarz, den er mitgebracht, ſei gar nicht in Amerika erhoben worden. Ueber Dinge, die in der Zeit ſo weit abliegen, läßt ſich kein Urteil fällen. Der Gneis der Küſtenkette enthält Spuren von edeln Metallen, und in den Gebirgen der Parime bei der Miſſion Encaramada hat man hin und wieder Goldkörner gefunden. Wie ſollte man nach einem rein negativen Zeugniſſe nach dem Umſtande, daß wir auf einer dreimonatlichen Reiſe keinen Gang geſehen, der am Ausgehenden goldhaltig geweſen wäre, auf die abſolute Taubheit der Urgebirgsarten in Guyana ſchließen?

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/231>, abgerufen am 24.05.2024.