Sobald der klebrige Saft des Ciracaguerobaums dem eingedickten, kochenden Gift zugegossen wird, schwärzt sich dieser und gerinnt zu einer Masse von der Konsistenz des Teers oder eines dicken Sirups. Diese Masse ist nun das Curare, wie es in den Handel kommt. Hört man die Indianer sagen, zur Bereitung des Giftes sei der Ciracaguero so not- wendig als der Bejuco de Mavacure, so kann man auf die falsche Vermutung kommen, auch ersterer enthalte einen schäd- lichen Stoff, während er nur dazu dient, dem eingedickten Curaresaft mehr Körper zu geben (was auch der Algarobbo und jede gummiartige Substanz thäten). Der Farbenwechsel der Mischung rührt von der Zersetzung einer Verbindung von Kohlenstoff und Wasserstoff her. Der Wasserstoff verbrennt und der Kohlenstoff wird frei. Das Curare wird in den Früchten der Crescentia verkauft; da aber die Bereitung des- selben in den Händen weniger Familien ist und an jedem Pfeile nur unendlich wenig Gift haftet, so ist das Curare bester Qualität, das von Esmeralda und Mandavaca, sehr teuer. Ich sah für zwei Unzen 5 bis 6 Frank bezahlen. Ge- trocknet gleicht der Stoff dem Opium; er zieht aber die Feuch- tigkeit stark an, wenn er der Luft ausgesetzt wird. Er schmeckt sehr angenehm bitter, und Bonpland und ich haben oft kleine Mengen verschluckt. Gefahr ist keine dabei, wenn man nur sicher ist, daß man an den Lippen oder am Zahnfleisch nicht blutet. Bei Mangilis neuen Versuchen mit dem Viperngift verschluckte einer der Anwesenden alles Gift, das von vier großen italienischen Vipern gesammelt werden konnte, ohne etwas darauf zu spüren. Bei den Indianern gilt das Curare innerlich genommen als ein treffliches Magenmittel. Die Piraoa- und Saliva-Indianer bereiten dasselbe Gift; es hat auch ziemlichen Ruf, ist aber doch nicht so gesucht wie das von Esmeralda. Die Bereitungsart scheint überall un- gefähr dieselbe; es liegt aber kein Beweis vor, daß die ver- schiedenen Gifte, welche unter demselben Namen am Orinoko und am Amazonenstrom verkauft werden, identisch sind und von derselben Pflanze herrühren. Orfila hat daher sehr wohl gethan, wenn er in seiner Toxicologie generale das Woorara aus Holländisch-Guyana, das Curare vom Orinoko, das Ticuna vom Amazonenstrom und all die Substanzen, welche man unter dem unbestimmten Namen "amerikanische Gifte" zu- sammenwirft, für sich betrachtet. Vielleicht findet man ein- mal in Giftpflanzen aus verschiedenen Gattungen eine gemein-
Sobald der klebrige Saft des Ciracaguerobaums dem eingedickten, kochenden Gift zugegoſſen wird, ſchwärzt ſich dieſer und gerinnt zu einer Maſſe von der Konſiſtenz des Teers oder eines dicken Sirups. Dieſe Maſſe iſt nun das Curare, wie es in den Handel kommt. Hört man die Indianer ſagen, zur Bereitung des Giftes ſei der Ciracaguero ſo not- wendig als der Bejuco de Mavacure, ſo kann man auf die falſche Vermutung kommen, auch erſterer enthalte einen ſchäd- lichen Stoff, während er nur dazu dient, dem eingedickten Curareſaft mehr Körper zu geben (was auch der Algarobbo und jede gummiartige Subſtanz thäten). Der Farbenwechſel der Miſchung rührt von der Zerſetzung einer Verbindung von Kohlenſtoff und Waſſerſtoff her. Der Waſſerſtoff verbrennt und der Kohlenſtoff wird frei. Das Curare wird in den Früchten der Crescentia verkauft; da aber die Bereitung des- ſelben in den Händen weniger Familien iſt und an jedem Pfeile nur unendlich wenig Gift haftet, ſo iſt das Curare beſter Qualität, das von Esmeralda und Mandavaca, ſehr teuer. Ich ſah für zwei Unzen 5 bis 6 Frank bezahlen. Ge- trocknet gleicht der Stoff dem Opium; er zieht aber die Feuch- tigkeit ſtark an, wenn er der Luft ausgeſetzt wird. Er ſchmeckt ſehr angenehm bitter, und Bonpland und ich haben oft kleine Mengen verſchluckt. Gefahr iſt keine dabei, wenn man nur ſicher iſt, daß man an den Lippen oder am Zahnfleiſch nicht blutet. Bei Mangilis neuen Verſuchen mit dem Viperngift verſchluckte einer der Anweſenden alles Gift, das von vier großen italieniſchen Vipern geſammelt werden konnte, ohne etwas darauf zu ſpüren. Bei den Indianern gilt das Curare innerlich genommen als ein treffliches Magenmittel. Die Piraoa- und Saliva-Indianer bereiten dasſelbe Gift; es hat auch ziemlichen Ruf, iſt aber doch nicht ſo geſucht wie das von Esmeralda. Die Bereitungsart ſcheint überall un- gefähr dieſelbe; es liegt aber kein Beweis vor, daß die ver- ſchiedenen Gifte, welche unter demſelben Namen am Orinoko und am Amazonenſtrom verkauft werden, identiſch ſind und von derſelben Pflanze herrühren. Orfila hat daher ſehr wohl gethan, wenn er in ſeiner Toxicologie générale das Woorara aus Holländiſch-Guyana, das Curare vom Orinoko, das Ticuna vom Amazonenſtrom und all die Subſtanzen, welche man unter dem unbeſtimmten Namen „amerikaniſche Gifte“ zu- ſammenwirft, für ſich betrachtet. Vielleicht findet man ein- mal in Giftpflanzen aus verſchiedenen Gattungen eine gemein-
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Sobald der klebrige Saft des Ciracaguerobaums dem
eingedickten, kochenden Gift zugegoſſen wird, ſchwärzt ſich dieſer
und gerinnt zu einer Maſſe von der Konſiſtenz des Teers
oder eines dicken Sirups. Dieſe Maſſe iſt nun das Curare,
wie es in den Handel kommt. Hört man die Indianer
ſagen, zur Bereitung des Giftes ſei der Ciracaguero ſo not-
wendig als der Bejuco de Mavacure, ſo kann man auf die
falſche Vermutung kommen, auch erſterer enthalte einen ſchäd-
lichen Stoff, während er nur dazu dient, dem eingedickten
Curareſaft mehr Körper zu geben (was auch der Algarobbo
und jede gummiartige Subſtanz thäten). Der Farbenwechſel
der Miſchung rührt von der Zerſetzung einer Verbindung von
Kohlenſtoff und Waſſerſtoff her. Der Waſſerſtoff verbrennt
und der Kohlenſtoff wird frei. Das Curare wird in den
Früchten der Crescentia verkauft; da aber die Bereitung des-
ſelben in den Händen weniger Familien iſt und an jedem
Pfeile nur unendlich wenig Gift haftet, ſo iſt das Curare
beſter Qualität, das von Esmeralda und Mandavaca, ſehr
teuer. Ich ſah für zwei Unzen 5 bis 6 Frank bezahlen. Ge-
trocknet gleicht der Stoff dem Opium; er zieht aber die Feuch-
tigkeit ſtark an, wenn er der Luft ausgeſetzt wird. Er ſchmeckt
ſehr angenehm bitter, und Bonpland und ich haben oft kleine
Mengen verſchluckt. Gefahr iſt keine dabei, wenn man nur
ſicher iſt, daß man an den Lippen oder am Zahnfleiſch nicht
blutet. Bei Mangilis neuen Verſuchen mit dem Viperngift
verſchluckte einer der Anweſenden alles Gift, das von vier
großen italieniſchen Vipern geſammelt werden konnte, ohne
etwas darauf zu ſpüren. Bei den Indianern gilt das Curare
innerlich genommen als ein treffliches Magenmittel. Die
Piraoa- und Saliva-Indianer bereiten dasſelbe Gift; es
hat auch ziemlichen Ruf, iſt aber doch nicht ſo geſucht wie
das von Esmeralda. Die Bereitungsart ſcheint überall un-
gefähr dieſelbe; es liegt aber kein Beweis vor, daß die ver-
ſchiedenen Gifte, welche unter demſelben Namen am Orinoko
und am Amazonenſtrom verkauft werden, identiſch ſind und
von derſelben Pflanze herrühren. Orfila hat daher ſehr wohl
gethan, wenn er in ſeiner Toxicologie générale das Woorara
aus Holländiſch-Guyana, das Curare vom Orinoko, das Ticuna
vom Amazonenſtrom und all die Subſtanzen, welche man
unter dem unbeſtimmten Namen „amerikaniſche Gifte“ zu-
ſammenwirft, für ſich betrachtet. Vielleicht findet man ein-
mal in Giftpflanzen aus verſchiedenen Gattungen eine gemein-
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/72>, abgerufen am 21.11.2024.
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