Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: [Über die Hochebene von Bogota]. In: Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin, 1838, S. 38-43.

Bild:
<< vorherige Seite

Missions-Geschäft vollbracht, enden auf einsamen Bergen, wie
Buddha, in selbstaufgelegten strengen Büssungen. Überall hat sich
die symbolisirende Menschheit Personificirungen, Repräsentanten
der Gesittung, grosse historische Gestalten gedacht, um ihnen,
einfach und bequem, als plötzliche Erfindung, Fortschritte der Cul-
tur, geistliche und bürgerliche Einrichtungen, technische Künste
und Verbesserung der Mondjahre zuzuschreiben. Was sich allmä-
lig entwickelt hat, wird gedacht als simultan, wie durch fremde
Wundermänner oder Ankömmlinge hervorgerufen.

Der Salto de Tequendama, um dessen Ursprung sich
der geognostische Theil der Mythe dreht, verdankt seinen im-
ponirenden Anblick dem Verhältniss seiner Höhe (870 Fuss nach
Roulin) zur herabstürzenden Wassermasse. Nahe bei dem Salto
liegt das Steinkohlenflöz von Canoas, wohl eines der höchsten in
der bekannten Welt, aber eben so wenig, als die Steinsalz-Massen
von Zipaquira, am entgegengesetzten nordöstlichen Endpunkte der
Hoch-Ebene, ein isolirtes Phänomen. Steinkohlen und Steinsalz
wiederholen sich an beiden Abhängen der Cordilleren in sehr
verschiedenen Höhen. Sie zeugen, wie die Sandstein-Formation,
welche ununterbrochen vom Magdalena-Strome auf das Plateau
von Bogota
hinauf-, und dann gegen Osten über dem Rücken
(Paramo de Chiguachi) in die Ebenen des Meta und Orinoco
hinabsteigt, für die Hebung der ganzen Andes-Kette. Unter dem
Sandstein, der bei Bogota gelblich-weiss, feinkörnig-quarzig und
von thonigem Bindemittel ist, in tieferen Punkten aber mit Con-
glomerat-Schichten wechselt, die eckige Stücke von Lydischem
Stein, Thonschiefer und Gneis einschliessen, ist bis jetzt keine
andere Flöz-Formation gesehen worden. Er ruht unmittelbar
bald auf Übergangs-Thonschiefer, bald auf Gneis. Der Sandstein
ist mit schwefelhaltigem Gyps, Salzthon und Steinsalz, an andern
Punkten mit Schieferthon und Steinkohlen-Flözen bedeckt. Wenn
man die Steinsalz-Niederlagen und Salzquellen auf der Hochebene
von Bogota
, in der smaragdreichen Provinz Muzo und am öst-
lichen Abhange gegen die Llanos von Casanare hin in einem
Blicke geographisch zusammenfasst, so zeigen sich gangartige
Spalten, die in einer eigenen, aber breiten Zone, von Westen
nach Osten, die ganze mächtige östliche Andes-Kette durchziehen
und in sehr verschiedenen Höhen Steinsalz, gypshaltigen Salzthon

Missions-Geschäft vollbracht, enden auf einsamen Bergen, wie
Buddha, in selbstaufgelegten strengen Büſsungen. Überall hat sich
die symbolisirende Menschheit Personificirungen, Repräsentanten
der Gesittung, groſse historische Gestalten gedacht, um ihnen,
einfach und bequem, als plötzliche Erfindung, Fortschritte der Cul-
tur, geistliche und bürgerliche Einrichtungen, technische Künste
und Verbesserung der Mondjahre zuzuschreiben. Was sich allmä-
lig entwickelt hat, wird gedacht als simultan, wie durch fremde
Wundermänner oder Ankömmlinge hervorgerufen.

Der Salto de Tequendama, um dessen Ursprung sich
der geognostische Theil der Mythe dreht, verdankt seinen im-
ponirenden Anblick dem Verhältniſs seiner Höhe (870 Fuſs nach
Roulin) zur herabstürzenden Wassermasse. Nahe bei dem Salto
liegt das Steinkohlenflöz von Canoas, wohl eines der höchsten in
der bekannten Welt, aber eben so wenig, als die Steinsalz-Massen
von Zipaquira, am entgegengesetzten nordöstlichen Endpunkte der
Hoch-Ebene, ein isolirtes Phänomen. Steinkohlen und Steinsalz
wiederholen sich an beiden Abhängen der Cordilleren in sehr
verschiedenen Höhen. Sie zeugen, wie die Sandstein-Formation,
welche ununterbrochen vom Magdalena-Strome auf das Plateau
von Bogota
hinauf-, und dann gegen Osten über dem Rücken
(Paramo de Chiguachi) in die Ebenen des Meta und Orinoco
hinabsteigt, für die Hebung der ganzen Andes-Kette. Unter dem
Sandstein, der bei Bogota gelblich-weiſs, feinkörnig-quarzig und
von thonigem Bindemittel ist, in tieferen Punkten aber mit Con-
glomerat-Schichten wechselt, die eckige Stücke von Lydischem
Stein, Thonschiefer und Gneis einschlieſsen, ist bis jetzt keine
andere Flöz-Formation gesehen worden. Er ruht unmittelbar
bald auf Übergangs-Thonschiefer, bald auf Gneis. Der Sandstein
ist mit schwefelhaltigem Gyps, Salzthon und Steinsalz, an andern
Punkten mit Schieferthon und Steinkohlen-Flözen bedeckt. Wenn
man die Steinsalz-Niederlagen und Salzquellen auf der Hochebene
von Bogota
, in der smaragdreichen Provinz Muzo und am öst-
lichen Abhange gegen die Llanos von Casanare hin in einem
Blicke geographisch zusammenfaſst, so zeigen sich gangartige
Spalten, die in einer eigenen, aber breiten Zone, von Westen
nach Osten, die ganze mächtige östliche Andes-Kette durchziehen
und in sehr verschiedenen Höhen Steinsalz, gypshaltigen Salzthon

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0006" n="42"/>
Missions-Geschäft vollbracht, enden auf einsamen Bergen, wie<lb/>
Buddha, in selbstaufgelegten strengen Bü&#x017F;sungen. Überall hat sich<lb/>
die symbolisirende Menschheit Personificirungen, Repräsentanten<lb/>
der Gesittung, gro&#x017F;se historische Gestalten gedacht, um ihnen,<lb/>
einfach und bequem, als plötzliche Erfindung, Fortschritte der Cul-<lb/>
tur, geistliche und bürgerliche Einrichtungen, technische Künste<lb/>
und Verbesserung der Mondjahre zuzuschreiben. Was sich allmä-<lb/>
lig entwickelt hat, wird gedacht als simultan, wie durch fremde<lb/>
Wundermänner oder Ankömmlinge hervorgerufen.</p><lb/>
        <p>Der <hi rendition="#g"><placeName>Salto de Tequendama</placeName></hi>, um dessen Ursprung sich<lb/>
der geognostische Theil der Mythe dreht, verdankt seinen im-<lb/>
ponirenden Anblick dem Verhältni&#x017F;s seiner Höhe (870 Fu&#x017F;s nach<lb/><hi rendition="#g"><persName>Roulin</persName></hi>) zur herabstürzenden Wassermasse. Nahe bei dem <placeName>Salto</placeName><lb/>
liegt das Steinkohlenflöz von <placeName>Canoas</placeName>, wohl eines der höchsten in<lb/>
der bekannten Welt, aber eben so wenig, als die Steinsalz-Massen<lb/>
von <placeName>Zipaquira</placeName>, am entgegengesetzten nordöstlichen Endpunkte der<lb/>
Hoch-Ebene, ein isolirtes Phänomen. Steinkohlen und Steinsalz<lb/>
wiederholen sich an beiden Abhängen der <placeName>Cordilleren</placeName> in sehr<lb/>
verschiedenen Höhen. Sie zeugen, wie die Sandstein-Formation,<lb/>
welche ununterbrochen vom <placeName>Magdalena-Strome</placeName> auf das <placeName>Plateau<lb/>
von Bogota</placeName> hinauf-, und dann gegen Osten über dem Rücken<lb/>
(<placeName>Paramo de Chiguachi</placeName>) in die <placeName>Ebenen des Meta</placeName> und <placeName>Orinoco</placeName><lb/>
hinabsteigt, für die Hebung der ganzen <placeName>Andes-Kette</placeName>. Unter dem<lb/>
Sandstein, der bei <placeName>Bogota</placeName> gelblich-wei&#x017F;s, feinkörnig-quarzig und<lb/>
von thonigem Bindemittel ist, in tieferen Punkten aber mit Con-<lb/>
glomerat-Schichten wechselt, die eckige Stücke von Lydischem<lb/>
Stein, Thonschiefer und Gneis einschlie&#x017F;sen, ist bis jetzt keine<lb/>
andere Flöz-Formation gesehen worden. Er ruht unmittelbar<lb/>
bald auf Übergangs-Thonschiefer, bald auf Gneis. Der Sandstein<lb/>
ist mit schwefelhaltigem Gyps, Salzthon und Steinsalz, an andern<lb/>
Punkten mit Schieferthon und Steinkohlen-Flözen bedeckt. Wenn<lb/>
man die Steinsalz-Niederlagen und Salzquellen auf der <placeName>Hochebene<lb/>
von Bogota</placeName>, in der smaragdreichen <placeName>Provinz Muzo</placeName> und am öst-<lb/>
lichen Abhange gegen die <placeName><hi rendition="#g">Llanos</hi> von Casanare</placeName> hin in einem<lb/>
Blicke geographisch zusammenfa&#x017F;st, so zeigen sich gangartige<lb/>
Spalten, die in einer eigenen, aber breiten Zone, von Westen<lb/>
nach Osten, die ganze mächtige östliche <placeName>Andes-Kette</placeName> durchziehen<lb/>
und in sehr verschiedenen Höhen Steinsalz, gypshaltigen Salzthon<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0006] Missions-Geschäft vollbracht, enden auf einsamen Bergen, wie Buddha, in selbstaufgelegten strengen Büſsungen. Überall hat sich die symbolisirende Menschheit Personificirungen, Repräsentanten der Gesittung, groſse historische Gestalten gedacht, um ihnen, einfach und bequem, als plötzliche Erfindung, Fortschritte der Cul- tur, geistliche und bürgerliche Einrichtungen, technische Künste und Verbesserung der Mondjahre zuzuschreiben. Was sich allmä- lig entwickelt hat, wird gedacht als simultan, wie durch fremde Wundermänner oder Ankömmlinge hervorgerufen. Der Salto de Tequendama, um dessen Ursprung sich der geognostische Theil der Mythe dreht, verdankt seinen im- ponirenden Anblick dem Verhältniſs seiner Höhe (870 Fuſs nach Roulin) zur herabstürzenden Wassermasse. Nahe bei dem Salto liegt das Steinkohlenflöz von Canoas, wohl eines der höchsten in der bekannten Welt, aber eben so wenig, als die Steinsalz-Massen von Zipaquira, am entgegengesetzten nordöstlichen Endpunkte der Hoch-Ebene, ein isolirtes Phänomen. Steinkohlen und Steinsalz wiederholen sich an beiden Abhängen der Cordilleren in sehr verschiedenen Höhen. Sie zeugen, wie die Sandstein-Formation, welche ununterbrochen vom Magdalena-Strome auf das Plateau von Bogota hinauf-, und dann gegen Osten über dem Rücken (Paramo de Chiguachi) in die Ebenen des Meta und Orinoco hinabsteigt, für die Hebung der ganzen Andes-Kette. Unter dem Sandstein, der bei Bogota gelblich-weiſs, feinkörnig-quarzig und von thonigem Bindemittel ist, in tieferen Punkten aber mit Con- glomerat-Schichten wechselt, die eckige Stücke von Lydischem Stein, Thonschiefer und Gneis einschlieſsen, ist bis jetzt keine andere Flöz-Formation gesehen worden. Er ruht unmittelbar bald auf Übergangs-Thonschiefer, bald auf Gneis. Der Sandstein ist mit schwefelhaltigem Gyps, Salzthon und Steinsalz, an andern Punkten mit Schieferthon und Steinkohlen-Flözen bedeckt. Wenn man die Steinsalz-Niederlagen und Salzquellen auf der Hochebene von Bogota, in der smaragdreichen Provinz Muzo und am öst- lichen Abhange gegen die Llanos von Casanare hin in einem Blicke geographisch zusammenfaſst, so zeigen sich gangartige Spalten, die in einer eigenen, aber breiten Zone, von Westen nach Osten, die ganze mächtige östliche Andes-Kette durchziehen und in sehr verschiedenen Höhen Steinsalz, gypshaltigen Salzthon

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_bogota_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_bogota_1838/6
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: [Über die Hochebene von Bogota]. In: Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin, 1838, S. 38-43, hier S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_bogota_1838/6>, abgerufen am 21.11.2024.