dungen. Wenn das letzte Streben alles unsres menschlichsten Bemühens nur auf das Entdecken, Nähren und Erschaffen des einzig wahrhaft Existirenden, obgleich in seiner Urgestalt ewig Unsichtbaren, in uns und andren gerichtet ist, wenn es allein das ist, dessen Ahnung uns jedes seiner Symbole so theuer und heilig macht; so treten wir ihm einen Schritt näher, wenn wir das Bild seiner ewig regen Energie anschauen. Wir reden gleichsam mit ihm in schwerer und oft unverstandner, aber auch oft mit der gewissesten Wahrheitsahnung über- raschender Sprache, indess die Gestalt -- wieder, wenn ich so sagen darf, das Bild jener Energie -- weiter von der Wahrheit entfernt ist.
Auf diesem Boden, wenn nicht allein, doch vorzüglich, blüht auch das Schöne, und noch weit mehr das Erhabene auf, das die Menschen der Gottheit gleichsam noch näher bringt. Die Nothwendigkeit eines reinen, von allen Zwecken entfernten Wohlgefallens an einem Gegenstande, ohne Begriff, bewährt ihm gleichsam seine Abstammung von dem Unsichtbaren, und seine Verwandtschaft damit; und das Gefühl seiner Unange- messenheit zu dem überschwenglichen Gegenstande verbindet, auf die menschlich göttlichste Weise, unendliche Grösse mit hingebender Demuth. Ohne das Schöne, fehlte dem Menschen die Liebe der Dinge um ihrer selbst willen; ohne das Erhabene, der Gehorsam, welcher jede Belohnung verschmäht, und nie- drige Furcht nicht kennt. Das Studium des Schönen gewährt Geschmack, des Erhabnen -- wenn es auch hiefür ein Studium giebt, und nicht Gefühl und Darstellung des Erhabenen allein Frucht des Genies ist -- richtig abgewägte Grösse. Der Ge- schmack allein aber, dem allemal Grösse zum Grunde liegen muss, weil nur das Grosse des Maasses, und nur das Gewaltige der Haltung bedarf, vereint alle Töne des vollgestimmten We- sens in eine reizende Harmonie. Er bringt in alle unsre, auch blos geistigen Empfindungen und Neigungen, so etwas Gemäs-
dungen. Wenn das letzte Streben alles unsres menschlichsten Bemühens nur auf das Entdecken, Nähren und Erschaffen des einzig wahrhaft Existirenden, obgleich in seiner Urgestalt ewig Unsichtbaren, in uns und andren gerichtet ist, wenn es allein das ist, dessen Ahnung uns jedes seiner Symbole so theuer und heilig macht; so treten wir ihm einen Schritt näher, wenn wir das Bild seiner ewig regen Energie anschauen. Wir reden gleichsam mit ihm in schwerer und oft unverstandner, aber auch oft mit der gewissesten Wahrheitsahnung über- raschender Sprache, indess die Gestalt — wieder, wenn ich so sagen darf, das Bild jener Energie — weiter von der Wahrheit entfernt ist.
Auf diesem Boden, wenn nicht allein, doch vorzüglich, blüht auch das Schöne, und noch weit mehr das Erhabene auf, das die Menschen der Gottheit gleichsam noch näher bringt. Die Nothwendigkeit eines reinen, von allen Zwecken entfernten Wohlgefallens an einem Gegenstande, ohne Begriff, bewährt ihm gleichsam seine Abstammung von dem Unsichtbaren, und seine Verwandtschaft damit; und das Gefühl seiner Unange- messenheit zu dem überschwenglichen Gegenstande verbindet, auf die menschlich göttlichste Weise, unendliche Grösse mit hingebender Demuth. Ohne das Schöne, fehlte dem Menschen die Liebe der Dinge um ihrer selbst willen; ohne das Erhabene, der Gehorsam, welcher jede Belohnung verschmäht, und nie- drige Furcht nicht kennt. Das Studium des Schönen gewährt Geschmack, des Erhabnen — wenn es auch hiefür ein Studium giebt, und nicht Gefühl und Darstellung des Erhabenen allein Frucht des Genies ist — richtig abgewägte Grösse. Der Ge- schmack allein aber, dem allemal Grösse zum Grunde liegen muss, weil nur das Grosse des Maasses, und nur das Gewaltige der Haltung bedarf, vereint alle Töne des vollgestimmten We- sens in eine reizende Harmonie. Er bringt in alle unsre, auch blos geistigen Empfindungen und Neigungen, so etwas Gemäs-
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dungen. Wenn das letzte Streben alles unsres menschlichsten
Bemühens nur auf das Entdecken, Nähren und Erschaffen des
einzig wahrhaft Existirenden, obgleich in seiner Urgestalt
ewig Unsichtbaren, in uns und andren gerichtet ist, wenn es
allein das ist, dessen Ahnung uns jedes seiner Symbole so
theuer und heilig macht; so treten wir ihm einen Schritt näher,
wenn wir das Bild seiner ewig regen Energie anschauen. Wir
reden gleichsam mit ihm in schwerer und oft unverstandner,
aber auch oft mit der gewissesten Wahrheitsahnung über-
raschender Sprache, indess die Gestalt — wieder, wenn ich so
sagen darf, das Bild jener Energie — weiter von der Wahrheit
entfernt ist.
Auf diesem Boden, wenn nicht allein, doch vorzüglich, blüht
auch das Schöne, und noch weit mehr das Erhabene auf, das
die Menschen der Gottheit gleichsam noch näher bringt. Die
Nothwendigkeit eines reinen, von allen Zwecken entfernten
Wohlgefallens an einem Gegenstande, ohne Begriff, bewährt
ihm gleichsam seine Abstammung von dem Unsichtbaren, und
seine Verwandtschaft damit; und das Gefühl seiner Unange-
messenheit zu dem überschwenglichen Gegenstande verbindet,
auf die menschlich göttlichste Weise, unendliche Grösse mit
hingebender Demuth. Ohne das Schöne, fehlte dem Menschen
die Liebe der Dinge um ihrer selbst willen; ohne das Erhabene,
der Gehorsam, welcher jede Belohnung verschmäht, und nie-
drige Furcht nicht kennt. Das Studium des Schönen gewährt
Geschmack, des Erhabnen — wenn es auch hiefür ein Studium
giebt, und nicht Gefühl und Darstellung des Erhabenen allein
Frucht des Genies ist — richtig abgewägte Grösse. Der Ge-
schmack allein aber, dem allemal Grösse zum Grunde liegen
muss, weil nur das Grosse des Maasses, und nur das Gewaltige
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen' zwischen März und Mai des Jahres 1792 nieder. Einzelne Abschnitte wurden im selben Jahr in Friedrich Schillers Thalia bzw. in der Berlinischen Monatsschrift gedruckt. Der gesamte Text wurde jedoch erst postum, 1851, aus dem Nachlass publiziert (Wilhelm von Humboldt † 8. April 1835). Gemäß den Richtlinien des DTA wurde diese Ausgabe digitalisiert.
Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/127>, abgerufen am 16.02.2025.
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