Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.sigtes, Gehaltnes, auf Einen Punkt hin Gerichtetes. Wo er Forschen und Schaffen -- darum drehen und darauf beziehen +) 2. Aufl. (Berlin 1793) p. 172. Kant nennt die Modificationen des Lichts
in der Farbengebung eine Sprache, die die Natur zu uns führt und die einen höheren Sinn zu haben scheint. "So scheint die weisse Farbe der Lilie das Gemüth zu Ideen der Unschuld, und nach der Ordnung der sieben Farben, von der rothen an bis zur violetten, 1) zur Idee der Erhabenheit, 2) der Kühnheit, 3) der Freimüthigkeit, 4) der Freundlichkeit, 5) der Bescheidenheit, 6) der Standhaftigkeit, und 7) der Zärtlichkeit zu stimmen." sigtes, Gehaltnes, auf Einen Punkt hin Gerichtetes. Wo er Forschen und Schaffen — darum drehen und darauf beziehen †) 2. Aufl. (Berlin 1793) p. 172. Kant nennt die Modificationen des Lichts
in der Farbengebung eine Sprache, die die Natur zu uns führt und die einen höheren Sinn zu haben scheint. „So scheint die weisse Farbe der Lilie das Gemüth zu Ideen der Unschuld, und nach der Ordnung der sieben Farben, von der rothen an bis zur violetten, 1) zur Idee der Erhabenheit, 2) der Kühnheit, 3) der Freimüthigkeit, 4) der Freundlichkeit, 5) der Bescheidenheit, 6) der Standhaftigkeit, und 7) der Zärtlichkeit zu stimmen.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0128" n="92"/> sigtes, Gehaltnes, auf Einen Punkt hin Gerichtetes. Wo er<lb/> fehlt, da ist die sinnliche Begierde roh und ungebändigt, da<lb/> haben selbst wissenschaftliche Untersuchungen vielleicht Scharf-<lb/> sinn und Tiefsinn, aber nicht Feinheit, nicht Politur, nicht<lb/> Fruchtbarkeit in der Anwendung. Ueberhaupt sind ohne ihn<lb/> die Tiefen des Geistes, wie die Schätze des Wissens todt und<lb/> unfruchtbar, ohne ihn der Adel und die Stärke des moralischen<lb/> Willens selbst rauh und ohne erwärmende Segenskraft.</p><lb/> <p>Forschen und Schaffen — darum drehen und darauf beziehen<lb/> sich wenigstens, wenn gleich mittelbarer oder unmittelbarer,<lb/> alle Beschäftigungen des Menschen. Das Forschen, wenn es<lb/> die Gründe der Dinge, oder die Schranken der Vernunft erreichen<lb/> soll, setzt, ausser der Tiefe, einen mannigfaltigen Reichthum<lb/> und eine innige Erwärmung des Geistes, eine Anstrengung der<lb/> vereinten menschlichen Kräfte voraus. Nur der blos analy-<lb/> tische Philosoph kann vielleicht durch die einfachen Opera-<lb/> tionen der, nicht blos ruhigen, sondern auch kalten Vernunft<lb/> seinen Endzweck erreichen. Allein um das Band zu entdecken,<lb/> welches synthetische Sätze verknüpft, ist eigentliche Tiefe und<lb/> ein Geist erforderlich, welcher allen seinen Kräften gleiche<lb/> Stärke zu verschaffen gewusst hat. So wird Kants — man<lb/> kann wohl mit Wahrheit sagen — nie übertroffener Tiefsinn<lb/> noch oft in der Moral und Aesthetik der Schwärmerei beschul-<lb/> digt werden, wie er es schon wurde, und — wenn mir das<lb/> Geständniss erlaubt ist — wenn mir selbst einige, obgleich<lb/> seltne Stellen (ich führe hier, als ein Beispiel, die Deutung der<lb/> Regenbogenfarben in der Kritik der Urtheilskraft an <note place="foot" n="†)">2. Aufl. (Berlin 1793) p. 172. Kant nennt die Modificationen des Lichts<lb/> in der Farbengebung eine Sprache, die die Natur zu uns führt und die einen<lb/> höheren Sinn zu haben scheint. „So scheint die weisse Farbe der Lilie das<lb/> Gemüth zu Ideen der Unschuld, und nach der Ordnung der sieben Farben, von<lb/> der rothen an bis zur violetten, 1) zur Idee der Erhabenheit, 2) der Kühnheit,<lb/> 3) der Freimüthigkeit, 4) der Freundlichkeit, 5) der Bescheidenheit, 6) der<lb/> Standhaftigkeit, und 7) der Zärtlichkeit zu stimmen.“</note> darauf<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [92/0128]
sigtes, Gehaltnes, auf Einen Punkt hin Gerichtetes. Wo er
fehlt, da ist die sinnliche Begierde roh und ungebändigt, da
haben selbst wissenschaftliche Untersuchungen vielleicht Scharf-
sinn und Tiefsinn, aber nicht Feinheit, nicht Politur, nicht
Fruchtbarkeit in der Anwendung. Ueberhaupt sind ohne ihn
die Tiefen des Geistes, wie die Schätze des Wissens todt und
unfruchtbar, ohne ihn der Adel und die Stärke des moralischen
Willens selbst rauh und ohne erwärmende Segenskraft.
Forschen und Schaffen — darum drehen und darauf beziehen
sich wenigstens, wenn gleich mittelbarer oder unmittelbarer,
alle Beschäftigungen des Menschen. Das Forschen, wenn es
die Gründe der Dinge, oder die Schranken der Vernunft erreichen
soll, setzt, ausser der Tiefe, einen mannigfaltigen Reichthum
und eine innige Erwärmung des Geistes, eine Anstrengung der
vereinten menschlichen Kräfte voraus. Nur der blos analy-
tische Philosoph kann vielleicht durch die einfachen Opera-
tionen der, nicht blos ruhigen, sondern auch kalten Vernunft
seinen Endzweck erreichen. Allein um das Band zu entdecken,
welches synthetische Sätze verknüpft, ist eigentliche Tiefe und
ein Geist erforderlich, welcher allen seinen Kräften gleiche
Stärke zu verschaffen gewusst hat. So wird Kants — man
kann wohl mit Wahrheit sagen — nie übertroffener Tiefsinn
noch oft in der Moral und Aesthetik der Schwärmerei beschul-
digt werden, wie er es schon wurde, und — wenn mir das
Geständniss erlaubt ist — wenn mir selbst einige, obgleich
seltne Stellen (ich führe hier, als ein Beispiel, die Deutung der
Regenbogenfarben in der Kritik der Urtheilskraft an †) darauf
†) 2. Aufl. (Berlin 1793) p. 172. Kant nennt die Modificationen des Lichts
in der Farbengebung eine Sprache, die die Natur zu uns führt und die einen
höheren Sinn zu haben scheint. „So scheint die weisse Farbe der Lilie das
Gemüth zu Ideen der Unschuld, und nach der Ordnung der sieben Farben, von
der rothen an bis zur violetten, 1) zur Idee der Erhabenheit, 2) der Kühnheit,
3) der Freimüthigkeit, 4) der Freundlichkeit, 5) der Bescheidenheit, 6) der
Standhaftigkeit, und 7) der Zärtlichkeit zu stimmen.“
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