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Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.

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führung möglich gewesen; statt der Untersuchung unerforsch-
barer Gesetze der Bildung des Keims, hätte die Psychologie
vielleicht eine reichere Belehrung erhalten, wenn das geistige
Schaffen gleichsam als eine feinere Blüthe des körperlichen
Erzeugens näher gezeigt worden wäre.

Um auch in dem moralischen Leben von demjenigen zuerst
zu reden, was am meisten blosses Werk der kalten Vernunft
scheint; so macht es die Idee des Erhabenen allein möglich,
dem unbedingt gebietenden Gesetze zwar allerdings, durch das
Medium des Gefühls, auf eine menschliche, und doch, durch
den völligen Mangel der Rücksicht auf Glückseligkeit oder
Unglück, auf eine göttlich uneigennützige Weise zu gehorchen.
Das Gefühl der Unangemessenheit der menschlichen Kräfte
zum moralischen Gesetz, das tiefe Bewusstsein, dass der Tugend-
hafteste nur der ist, welcher am innigsten empfindet, wie uner-
reichbar hoch das Gesetz über ihn erhaben ist, erzeugt die
Achtung -- eine Empfindung, welche nicht mehr körperliche
Hülle zu umgeben scheint, als nöthig ist, sterbliche Augen
nicht durch den reinen Glanz zu verblenden. Wenn nun das
moralische Gesetz jeden Menschen, als einen Zweck in sich zu
betrachten nöthigt, so vereint sich mit ihm das Schönheits-
gefühl, das gern jedem Staube Leben einhaucht, um, auch in
ihm, an einer eignen Existenz sich zu freuen, und das um so
viel voller und schöner den Menschen aufnimmt und umfasst,
als es, unabhängig vom Begriff, nicht auf die kleine Anzahl der
Merkmale beschränkt ist, welche der Begriff, und noch dazu
nur abgeschnitten und einzeln, allein zu umfassen vermag.

Die Beimischung des Schönheitsgefühls scheint der Rein-
heit des moralischen Willens Abbruch zu thun, und sie könnte
es allerdings, und würde es auch in der That, wenn dies Gefühl
eigentlich dem Menschen Antrieb zur Moralität sein sollte.
Allein es soll blos die Pflicht auf sich haben, gleichsam mannig-
faltigere Anwendungen für das moralische Gesetz aufzufinden,

führung möglich gewesen; statt der Untersuchung unerforsch-
barer Gesetze der Bildung des Keims, hätte die Psychologie
vielleicht eine reichere Belehrung erhalten, wenn das geistige
Schaffen gleichsam als eine feinere Blüthe des körperlichen
Erzeugens näher gezeigt worden wäre.

Um auch in dem moralischen Leben von demjenigen zuerst
zu reden, was am meisten blosses Werk der kalten Vernunft
scheint; so macht es die Idee des Erhabenen allein möglich,
dem unbedingt gebietenden Gesetze zwar allerdings, durch das
Medium des Gefühls, auf eine menschliche, und doch, durch
den völligen Mangel der Rücksicht auf Glückseligkeit oder
Unglück, auf eine göttlich uneigennützige Weise zu gehorchen.
Das Gefühl der Unangemessenheit der menschlichen Kräfte
zum moralischen Gesetz, das tiefe Bewusstsein, dass der Tugend-
hafteste nur der ist, welcher am innigsten empfindet, wie uner-
reichbar hoch das Gesetz über ihn erhaben ist, erzeugt die
Achtung — eine Empfindung, welche nicht mehr körperliche
Hülle zu umgeben scheint, als nöthig ist, sterbliche Augen
nicht durch den reinen Glanz zu verblenden. Wenn nun das
moralische Gesetz jeden Menschen, als einen Zweck in sich zu
betrachten nöthigt, so vereint sich mit ihm das Schönheits-
gefühl, das gern jedem Staube Leben einhaucht, um, auch in
ihm, an einer eignen Existenz sich zu freuen, und das um so
viel voller und schöner den Menschen aufnimmt und umfasst,
als es, unabhängig vom Begriff, nicht auf die kleine Anzahl der
Merkmale beschränkt ist, welche der Begriff, und noch dazu
nur abgeschnitten und einzeln, allein zu umfassen vermag.

Die Beimischung des Schönheitsgefühls scheint der Rein-
heit des moralischen Willens Abbruch zu thun, und sie könnte
es allerdings, und würde es auch in der That, wenn dies Gefühl
eigentlich dem Menschen Antrieb zur Moralität sein sollte.
Allein es soll blos die Pflicht auf sich haben, gleichsam mannig-
faltigere Anwendungen für das moralische Gesetz aufzufinden,

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[94/0130] führung möglich gewesen; statt der Untersuchung unerforsch- barer Gesetze der Bildung des Keims, hätte die Psychologie vielleicht eine reichere Belehrung erhalten, wenn das geistige Schaffen gleichsam als eine feinere Blüthe des körperlichen Erzeugens näher gezeigt worden wäre. Um auch in dem moralischen Leben von demjenigen zuerst zu reden, was am meisten blosses Werk der kalten Vernunft scheint; so macht es die Idee des Erhabenen allein möglich, dem unbedingt gebietenden Gesetze zwar allerdings, durch das Medium des Gefühls, auf eine menschliche, und doch, durch den völligen Mangel der Rücksicht auf Glückseligkeit oder Unglück, auf eine göttlich uneigennützige Weise zu gehorchen. Das Gefühl der Unangemessenheit der menschlichen Kräfte zum moralischen Gesetz, das tiefe Bewusstsein, dass der Tugend- hafteste nur der ist, welcher am innigsten empfindet, wie uner- reichbar hoch das Gesetz über ihn erhaben ist, erzeugt die Achtung — eine Empfindung, welche nicht mehr körperliche Hülle zu umgeben scheint, als nöthig ist, sterbliche Augen nicht durch den reinen Glanz zu verblenden. Wenn nun das moralische Gesetz jeden Menschen, als einen Zweck in sich zu betrachten nöthigt, so vereint sich mit ihm das Schönheits- gefühl, das gern jedem Staube Leben einhaucht, um, auch in ihm, an einer eignen Existenz sich zu freuen, und das um so viel voller und schöner den Menschen aufnimmt und umfasst, als es, unabhängig vom Begriff, nicht auf die kleine Anzahl der Merkmale beschränkt ist, welche der Begriff, und noch dazu nur abgeschnitten und einzeln, allein zu umfassen vermag. Die Beimischung des Schönheitsgefühls scheint der Rein- heit des moralischen Willens Abbruch zu thun, und sie könnte es allerdings, und würde es auch in der That, wenn dies Gefühl eigentlich dem Menschen Antrieb zur Moralität sein sollte. Allein es soll blos die Pflicht auf sich haben, gleichsam mannig- faltigere Anwendungen für das moralische Gesetz aufzufinden,

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Zitationshilfe: Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/130>, abgerufen am 21.11.2024.