erschöpfen, nothwendig, die einzelnen Theile der gewöhn- lichen oder möglichen Wirksamkeit der Staaten genau durch- zugehen.
Der Zweck des Staats kann nämlich ein doppelter sein; er kann Glück befördern, oder nur Uebel verhindern wollen, und im letzteren Fall Uebel der Natur oder Uebel der Menschen. Schränkt er sich auf das letztere ein, so sucht er nur Sicher- heit, und diese Sicherheit sei es mir erlaubt, einmal allen übrigen möglichen Zwecken, unter dem Namen des positiven Wohlstandes vereint entgegen zu setzen. Auch die Verschie- denheit der vom Staat angewendeten Mittel giebt seiner Wirk- samkeit eine verschiedene Ausdehnung. Er sucht nämlich seinen Zweck entweder unmittelbar zu erreichen, sei's durch Zwang -- befehlende und verbietende Gesetze, Strafen -- oder durch Ermunterung und Beispiel; oder mit allen, indem er entweder der Lage der Bürger eine demselben günstige Gestalt giebt, und sie gleichsam anders zu handeln hindert, oder end- lich, indem er sogar ihre Neigung mit demselben übereinstim- mend zu machen, auf ihren Kopf oder ihr Herz zu wirken strebt. Im ersten Falle bestimmt er zunächst nur einzelne Handlungen; im zweiten schon mehr die ganze Handlungs- weise; und im dritten endlich, Charakter und Denkungsart. Auch ist die Wirkung der Einschränkung im ersten Falle am kleinsten, im zweiten grösser, im dritten am grössesten, theils weil auf Quellen gewirkt wird, aus welchen mehrere Handlungen entspringen, theils weil die Möglichkeit der Wirkung selbst mehrere Veranstaltungen erfordert. So verschieden indess hier gleichsam die Zweige der Wirksamkeit des Staats scheinen, so giebt es schwerlich eine Staatseinrichtung, welche nicht zu mehreren zugleich gehörte, da z. B. Sicherheit und Wohlstand so sehr von einander abhängen, und was auch nur einzelne Handlungen bestimmt, wenn es durch öftere Wiederkehr Gewohnheit hervorbringt, auf den Charakter wirkt. Es ist
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erschöpfen, nothwendig, die einzelnen Theile der gewöhn- lichen oder möglichen Wirksamkeit der Staaten genau durch- zugehen.
Der Zweck des Staats kann nämlich ein doppelter sein; er kann Glück befördern, oder nur Uebel verhindern wollen, und im letzteren Fall Uebel der Natur oder Uebel der Menschen. Schränkt er sich auf das letztere ein, so sucht er nur Sicher- heit, und diese Sicherheit sei es mir erlaubt, einmal allen übrigen möglichen Zwecken, unter dem Namen des positiven Wohlstandes vereint entgegen zu setzen. Auch die Verschie- denheit der vom Staat angewendeten Mittel giebt seiner Wirk- samkeit eine verschiedene Ausdehnung. Er sucht nämlich seinen Zweck entweder unmittelbar zu erreichen, sei’s durch Zwang — befehlende und verbietende Gesetze, Strafen — oder durch Ermunterung und Beispiel; oder mit allen, indem er entweder der Lage der Bürger eine demselben günstige Gestalt giebt, und sie gleichsam anders zu handeln hindert, oder end- lich, indem er sogar ihre Neigung mit demselben übereinstim- mend zu machen, auf ihren Kopf oder ihr Herz zu wirken strebt. Im ersten Falle bestimmt er zunächst nur einzelne Handlungen; im zweiten schon mehr die ganze Handlungs- weise; und im dritten endlich, Charakter und Denkungsart. Auch ist die Wirkung der Einschränkung im ersten Falle am kleinsten, im zweiten grösser, im dritten am grössesten, theils weil auf Quellen gewirkt wird, aus welchen mehrere Handlungen entspringen, theils weil die Möglichkeit der Wirkung selbst mehrere Veranstaltungen erfordert. So verschieden indess hier gleichsam die Zweige der Wirksamkeit des Staats scheinen, so giebt es schwerlich eine Staatseinrichtung, welche nicht zu mehreren zugleich gehörte, da z. B. Sicherheit und Wohlstand so sehr von einander abhängen, und was auch nur einzelne Handlungen bestimmt, wenn es durch öftere Wiederkehr Gewohnheit hervorbringt, auf den Charakter wirkt. Es ist
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erschöpfen, nothwendig, die einzelnen Theile der gewöhn-
lichen oder möglichen Wirksamkeit der Staaten genau durch-
zugehen.
Der Zweck des Staats kann nämlich ein doppelter sein; er
kann Glück befördern, oder nur Uebel verhindern wollen, und
im letzteren Fall Uebel der Natur oder Uebel der Menschen.
Schränkt er sich auf das letztere ein, so sucht er nur Sicher-
heit, und diese Sicherheit sei es mir erlaubt, einmal allen
übrigen möglichen Zwecken, unter dem Namen des positiven
Wohlstandes vereint entgegen zu setzen. Auch die Verschie-
denheit der vom Staat angewendeten Mittel giebt seiner Wirk-
samkeit eine verschiedene Ausdehnung. Er sucht nämlich
seinen Zweck entweder unmittelbar zu erreichen, sei’s durch
Zwang — befehlende und verbietende Gesetze, Strafen — oder
durch Ermunterung und Beispiel; oder mit allen, indem er
entweder der Lage der Bürger eine demselben günstige Gestalt
giebt, und sie gleichsam anders zu handeln hindert, oder end-
lich, indem er sogar ihre Neigung mit demselben übereinstim-
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strebt. Im ersten Falle bestimmt er zunächst nur einzelne
Handlungen; im zweiten schon mehr die ganze Handlungs-
weise; und im dritten endlich, Charakter und Denkungsart.
Auch ist die Wirkung der Einschränkung im ersten Falle am
kleinsten, im zweiten grösser, im dritten am grössesten, theils
weil auf Quellen gewirkt wird, aus welchen mehrere Handlungen
entspringen, theils weil die Möglichkeit der Wirkung selbst
mehrere Veranstaltungen erfordert. So verschieden indess hier
gleichsam die Zweige der Wirksamkeit des Staats scheinen, so
giebt es schwerlich eine Staatseinrichtung, welche nicht zu
mehreren zugleich gehörte, da z. B. Sicherheit und Wohlstand
so sehr von einander abhängen, und was auch nur einzelne
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen' zwischen März und Mai des Jahres 1792 nieder. Einzelne Abschnitte wurden im selben Jahr in Friedrich Schillers Thalia bzw. in der Berlinischen Monatsschrift gedruckt. Der gesamte Text wurde jedoch erst postum, 1851, aus dem Nachlass publiziert (Wilhelm von Humboldt † 8. April 1835). Gemäß den Richtlinien des DTA wurde diese Ausgabe digitalisiert.
Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/53>, abgerufen am 16.02.2025.
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