Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.Ist, wie so eben bemerkt, Naturbeschreibung, sei sie Darstellung des Reichthums und der Ueppigkeit tropischer Vegetation, sei sie lebensfrische Schilderung der Sitten der Thiere, gleichsam nur in der neuesten Zeit ein abgesonderter Zweig der Litteratur geworden: so ist es nicht als habe da, wo so viel Sinnlichkeit athmet, die Empfänglichkeit für das Naturschöne gemangelt;9 als müsse man da, wo die schaffende Kraft der Hellenen in der Poesie und der bildenden Kunst unnachahmliche Meisterwerke erzeugte, den lebensfrischen Ausdruck einer anschauenden Dichternatur vermissen. Was wir, nach dieser Richtung hin, im Gefühl unserer modernen Sinnesart, in jenen Regionen der antiken Welt nur zu sparsam auffinden, bezeugt in seiner Negation weniger den Mangel der Empfänglichkeit als den eines regen Bedürfnisses das Gefühl des Naturschönen durch Worte zu offenbaren. Minder der unbelebten Erscheinungswelt als dem handelnden Leben und der inneren, spontaneen Anregung der Gefühle zugewandt, waren die frühesten und auch die edelsten Richtungen des dichterischen Geistes episch und lyrisch. In diesen Kunstformen aber können Naturschilderungen sich nur wie zufällig beigemischt finden. Sie erscheinen nicht als gesonderte Erzeugnisse der Phantasie. Je mehr der Einfluß der alten Welt verhallte, je mehr ihre Blüthen dahinwelkten, ergoß sich die Rhetorik in die beschreibende wie in die belehrende, didactische Poesie. Diese war ernst, großartig und schmucklos in ihrer ältesten philosophischen, halb priesterlichen Form, als Naturgedicht des Empedocles; sie verlor allmälig durch die Rhetorik von ihrer Einfachheit und früheren Würde. Möge es uns erlaubt sein, um das allgemein Gesagte Ist, wie so eben bemerkt, Naturbeschreibung, sei sie Darstellung des Reichthums und der Ueppigkeit tropischer Vegetation, sei sie lebensfrische Schilderung der Sitten der Thiere, gleichsam nur in der neuesten Zeit ein abgesonderter Zweig der Litteratur geworden: so ist es nicht als habe da, wo so viel Sinnlichkeit athmet, die Empfänglichkeit für das Naturschöne gemangelt;9 als müsse man da, wo die schaffende Kraft der Hellenen in der Poesie und der bildenden Kunst unnachahmliche Meisterwerke erzeugte, den lebensfrischen Ausdruck einer anschauenden Dichternatur vermissen. Was wir, nach dieser Richtung hin, im Gefühl unserer modernen Sinnesart, in jenen Regionen der antiken Welt nur zu sparsam auffinden, bezeugt in seiner Negation weniger den Mangel der Empfänglichkeit als den eines regen Bedürfnisses das Gefühl des Naturschönen durch Worte zu offenbaren. Minder der unbelebten Erscheinungswelt als dem handelnden Leben und der inneren, spontaneen Anregung der Gefühle zugewandt, waren die frühesten und auch die edelsten Richtungen des dichterischen Geistes episch und lyrisch. In diesen Kunstformen aber können Naturschilderungen sich nur wie zufällig beigemischt finden. Sie erscheinen nicht als gesonderte Erzeugnisse der Phantasie. Je mehr der Einfluß der alten Welt verhallte, je mehr ihre Blüthen dahinwelkten, ergoß sich die Rhetorik in die beschreibende wie in die belehrende, didactische Poesie. Diese war ernst, großartig und schmucklos in ihrer ältesten philosophischen, halb priesterlichen Form, als Naturgedicht des Empedocles; sie verlor allmälig durch die Rhetorik von ihrer Einfachheit und früheren Würde. 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Was wir, nach dieser Richtung hin, im Gefühl unserer modernen Sinnesart, in jenen Regionen der antiken Welt nur zu sparsam auffinden, bezeugt in seiner Negation weniger den Mangel der Empfänglichkeit als den eines regen Bedürfnisses das Gefühl des Naturschönen durch Worte zu offenbaren. Minder der unbelebten Erscheinungswelt als dem handelnden Leben und der inneren, spontaneen Anregung der Gefühle zugewandt, waren die frühesten und auch die edelsten Richtungen des dichterischen Geistes episch und lyrisch. In diesen Kunstformen aber können Naturschilderungen sich nur wie zufällig beigemischt finden. Sie erscheinen nicht als gesonderte Erzeugnisse der Phantasie. Je mehr der Einfluß der alten Welt verhallte, je mehr ihre Blüthen dahinwelkten, ergoß sich die Rhetorik in die beschreibende wie in die belehrende, didactische Poesie. 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Ist, wie so eben bemerkt, Naturbeschreibung, sei sie Darstellung des Reichthums und der Ueppigkeit tropischer Vegetation, sei sie lebensfrische Schilderung der Sitten der Thiere, gleichsam nur in der neuesten Zeit ein abgesonderter Zweig der Litteratur geworden: so ist es nicht als habe da, wo so viel Sinnlichkeit athmet, die Empfänglichkeit für das Naturschöne gemangelt;
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als müsse man da, wo die schaffende Kraft der Hellenen in der Poesie und der bildenden Kunst unnachahmliche Meisterwerke erzeugte, den lebensfrischen Ausdruck einer anschauenden Dichternatur vermissen. Was wir, nach dieser Richtung hin, im Gefühl unserer modernen Sinnesart, in jenen Regionen der antiken Welt nur zu sparsam auffinden, bezeugt in seiner Negation weniger den Mangel der Empfänglichkeit als den eines regen Bedürfnisses das Gefühl des Naturschönen durch Worte zu offenbaren. Minder der unbelebten Erscheinungswelt als dem handelnden Leben und der inneren, spontaneen Anregung der Gefühle zugewandt, waren die frühesten und auch die edelsten Richtungen des dichterischen Geistes episch und lyrisch. In diesen Kunstformen aber können Naturschilderungen sich nur wie zufällig beigemischt finden. Sie erscheinen nicht als gesonderte Erzeugnisse der Phantasie. Je mehr der Einfluß der alten Welt verhallte, je mehr ihre Blüthen dahinwelkten, ergoß sich die Rhetorik in die beschreibende wie in die belehrende, didactische Poesie. Diese war ernst, großartig und schmucklos in ihrer ältesten philosophischen, halb priesterlichen Form, als Naturgedicht des Empedocles; sie verlor allmälig durch die Rhetorik von ihrer Einfachheit und früheren Würde.
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