Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40.

Bild:
<< vorherige Seite

der Goldproduktion.
als Brasilien in seiner blühendsten Epoche gegeben hat. Kein
Wunder daher, daß die früh besuchte spanische Halbinsel durch
Phönizier und Carthager den Ruf eines westlichen El-Dorado's
erlangte. Gewiß war an vielen Punkten, die jetzt nur schwache Spuren
von Metallgehalt zeigen, die alte Erde einst, ihrer Oberfläche nahe,
mit Schichten von Goldsand bedeckt, oder in festem, anstehenden
Gesteine mit Trümmern von Golderzen durchzogen. Die lokale
Wichtigkeit jener Bergwerke in Südeuropa ist nicht zu läugnen,
aber in Vergleich mit Asien war ihre Goldausbeute doch nur gering
zu nennen. Dieser letztere Welttheil blieb lange der Hauptquell
des metallischen Reichthums, und die Richtung der Zuströmung
des Goldes für Europa konnte nur als von Osten nach Westen
bezeichnet werden.

Aber Asien selbst, das heißt der durch Landreisen im Mittel-
alter verbreitete Ruf von den unermeßlichen Schätzen von Zipangu
(Japan) und von dem südlichen Archipelagus, veranlaßte eine
plötzliche Veränderung in der Richtung* jenes Metallstromes.
Amerika ward entdeckt, nicht weil Columbus, wie man so lange
fälschlich gesagt, einen andern Continent ahnete, sondern weil er
durch den Westen einen kürzeren Weg nach dem goldreichen Zi-
pangu und den Gewürzländern im Südosten von Asien suchte.
"Der größte geographische Jrrthum (die Jdee der Nähe von Spa-
nien und Jndien) führte zu der größten geographischen Entdeckung."
Christoph Columbus und Amerigo Vespucci sind beide in der
festen Ueberzeugung gestorben, Ost-Asien (das gangetische Jndien,
die Halbinsel, auf der Cattigara liegt) berührt zu haben. Um
den Ruhm der Entdeckung eines Neuen Continents konnte daher
zwischen beiden kein Streit entstehen. Jn Cuba wollte Columbus
dem Gran Khan der Mongolen die Briefe seines Monarchen
abgeben. Er glaubt sich in Mangi, dem südlichen Theil von Cat-
han (China): er sucht die von Marco-Polo beschriebene Himmels-
stadt
Quinsay, jetzt Hang-tscheu-fu. "Die Jnsel Espannola
(Haiti), schreibt Columbus an den Papst Alexander VI.,** ist Tarsis,

* Letronne, p. 105 und 123.
** Brief vom Monat Februar 1502 aus dem Archive des Herzogs von
Veraguas. Die dritte Reise, in welcher der südliche Continent von
Amerika den 1. August 1498 entdeckt wurde (dreizehn Monate nach

der Goldproduktion.
als Braſilien in ſeiner blühendſten Epoche gegeben hat. Kein
Wunder daher, daß die früh beſuchte ſpaniſche Halbinſel durch
Phönizier und Carthager den Ruf eines weſtlichen El-Dorado's
erlangte. Gewiß war an vielen Punkten, die jetzt nur ſchwache Spuren
von Metallgehalt zeigen, die alte Erde einſt, ihrer Oberfläche nahe,
mit Schichten von Goldſand bedeckt, oder in feſtem, anſtehenden
Geſteine mit Trümmern von Golderzen durchzogen. Die lokale
Wichtigkeit jener Bergwerke in Südeuropa iſt nicht zu läugnen,
aber in Vergleich mit Aſien war ihre Goldausbeute doch nur gering
zu nennen. Dieſer letztere Welttheil blieb lange der Hauptquell
des metalliſchen Reichthums, und die Richtung der Zuſtrömung
des Goldes für Europa konnte nur als von Oſten nach Weſten
bezeichnet werden.

Aber Aſien ſelbſt, das heißt der durch Landreiſen im Mittel-
alter verbreitete Ruf von den unermeßlichen Schätzen von Zipangu
(Japan) und von dem ſüdlichen Archipelagus, veranlaßte eine
plötzliche Veränderung in der Richtung* jenes Metallſtromes.
Amerika ward entdeckt, nicht weil Columbus, wie man ſo lange
fälſchlich geſagt, einen andern Continent ahnete, ſondern weil er
durch den Weſten einen kürzeren Weg nach dem goldreichen Zi-
pangu und den Gewürzländern im Südoſten von Aſien ſuchte.
„Der größte geographiſche Jrrthum (die Jdee der Nähe von Spa-
nien und Jndien) führte zu der größten geographiſchen Entdeckung.“
Chriſtoph Columbus und Amerigo Vespucci ſind beide in der
feſten Ueberzeugung geſtorben, Oſt-Aſien (das gangetiſche Jndien,
die Halbinſel, auf der Cattigara liegt) berührt zu haben. Um
den Ruhm der Entdeckung eines Neuen Continents konnte daher
zwiſchen beiden kein Streit entſtehen. Jn Cuba wollte Columbus
dem Gran Khan der Mongolen die Briefe ſeines Monarchen
abgeben. Er glaubt ſich in Mangi, dem ſüdlichen Theil von Cat-
han (China): er ſucht die von Marco-Polo beſchriebene Himmels-
ſtadt
Quinſay, jetzt Hang-tſcheu-fu. „Die Jnſel Española
(Haiti), ſchreibt Columbus an den Papſt Alexander VI.,** iſt Tarſis,

* Letronne, p. 105 und 123.
** Brief vom Monat Februar 1502 aus dem Archive des Herzogs von
Veraguas. Die dritte Reiſe, in welcher der ſüdliche Continent von
Amerika den 1. Auguſt 1498 entdeckt wurde (dreizehn Monate nach
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0010" n="9"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">der Goldproduktion.</hi></fw><lb/>
als Bra&#x017F;ilien in &#x017F;einer blühend&#x017F;ten Epoche gegeben hat. Kein<lb/>
Wunder daher, daß die früh be&#x017F;uchte &#x017F;pani&#x017F;che Halbin&#x017F;el durch<lb/>
Phönizier und Carthager den Ruf eines we&#x017F;tlichen El-Dorado's<lb/>
erlangte. Gewiß war an vielen Punkten, die jetzt nur &#x017F;chwache Spuren<lb/>
von Metallgehalt zeigen, die alte Erde ein&#x017F;t, ihrer Oberfläche nahe,<lb/>
mit Schichten von Gold&#x017F;and bedeckt, oder in fe&#x017F;tem, an&#x017F;tehenden<lb/>
Ge&#x017F;teine mit Trümmern von Golderzen durchzogen. Die lokale<lb/>
Wichtigkeit jener Bergwerke in Südeuropa i&#x017F;t nicht zu läugnen,<lb/>
aber in Vergleich mit A&#x017F;ien war ihre Goldausbeute doch nur gering<lb/>
zu nennen. Die&#x017F;er letztere Welttheil blieb lange der Hauptquell<lb/>
des metalli&#x017F;chen Reichthums, und die Richtung der Zu&#x017F;trömung<lb/>
des Goldes für Europa konnte nur als von O&#x017F;ten nach We&#x017F;ten<lb/>
bezeichnet werden.</p><lb/>
        <p>Aber A&#x017F;ien &#x017F;elb&#x017F;t, das heißt der durch Landrei&#x017F;en im Mittel-<lb/>
alter verbreitete Ruf von den unermeßlichen Schätzen von Zipangu<lb/>
(Japan) und von dem &#x017F;üdlichen Archipelagus, veranlaßte eine<lb/>
plötzliche Veränderung in der Richtung<note place="foot" n="*"><hi rendition="#aq">Letronne, p</hi>. 105 und 123.</note> jenes Metall&#x017F;tromes.<lb/>
Amerika ward entdeckt, nicht weil Columbus, wie man &#x017F;o lange<lb/>
fäl&#x017F;chlich ge&#x017F;agt, einen andern Continent ahnete, &#x017F;ondern weil er<lb/>
durch den We&#x017F;ten einen kürzeren Weg nach dem goldreichen Zi-<lb/>
pangu und den Gewürzländern im Südo&#x017F;ten von A&#x017F;ien &#x017F;uchte.<lb/>
&#x201E;Der größte geographi&#x017F;che Jrrthum (die Jdee der Nähe von Spa-<lb/>
nien und Jndien) führte zu der größten geographi&#x017F;chen Entdeckung.&#x201C;<lb/>
Chri&#x017F;toph Columbus und Amerigo Vespucci &#x017F;ind beide in der<lb/>
fe&#x017F;ten Ueberzeugung ge&#x017F;torben, O&#x017F;t-A&#x017F;ien (das gangeti&#x017F;che Jndien,<lb/>
die Halbin&#x017F;el, auf der Cattigara liegt) berührt zu haben. Um<lb/>
den Ruhm der Entdeckung eines Neuen Continents konnte daher<lb/>
zwi&#x017F;chen beiden kein Streit ent&#x017F;tehen. Jn Cuba wollte Columbus<lb/>
dem <hi rendition="#g">Gran Khan</hi> der Mongolen die Briefe &#x017F;eines Monarchen<lb/>
abgeben. Er glaubt &#x017F;ich in Mangi, dem &#x017F;üdlichen Theil von Cat-<lb/>
han (China): er &#x017F;ucht die von Marco-Polo be&#x017F;chriebene <hi rendition="#g">Himmels-<lb/>
&#x017F;tadt</hi> Quin&#x017F;ay, jetzt Hang-t&#x017F;cheu-fu. &#x201E;Die Jn&#x017F;el Española<lb/>
(Haiti), &#x017F;chreibt Columbus an den Pap&#x017F;t Alexander <hi rendition="#aq">VI</hi>.,<note xml:id="fn2" next="#fn2.1" place="foot" n="**">Brief vom Monat Februar 1502 aus dem Archive des Herzogs von<lb/>
Veraguas. Die dritte Rei&#x017F;e, in welcher der &#x017F;üdliche Continent von<lb/>
Amerika den 1. Augu&#x017F;t 1498 entdeckt wurde (dreizehn Monate nach</note> i&#x017F;t Tar&#x017F;is,</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0010] der Goldproduktion. als Braſilien in ſeiner blühendſten Epoche gegeben hat. Kein Wunder daher, daß die früh beſuchte ſpaniſche Halbinſel durch Phönizier und Carthager den Ruf eines weſtlichen El-Dorado's erlangte. Gewiß war an vielen Punkten, die jetzt nur ſchwache Spuren von Metallgehalt zeigen, die alte Erde einſt, ihrer Oberfläche nahe, mit Schichten von Goldſand bedeckt, oder in feſtem, anſtehenden Geſteine mit Trümmern von Golderzen durchzogen. Die lokale Wichtigkeit jener Bergwerke in Südeuropa iſt nicht zu läugnen, aber in Vergleich mit Aſien war ihre Goldausbeute doch nur gering zu nennen. Dieſer letztere Welttheil blieb lange der Hauptquell des metalliſchen Reichthums, und die Richtung der Zuſtrömung des Goldes für Europa konnte nur als von Oſten nach Weſten bezeichnet werden. Aber Aſien ſelbſt, das heißt der durch Landreiſen im Mittel- alter verbreitete Ruf von den unermeßlichen Schätzen von Zipangu (Japan) und von dem ſüdlichen Archipelagus, veranlaßte eine plötzliche Veränderung in der Richtung * jenes Metallſtromes. Amerika ward entdeckt, nicht weil Columbus, wie man ſo lange fälſchlich geſagt, einen andern Continent ahnete, ſondern weil er durch den Weſten einen kürzeren Weg nach dem goldreichen Zi- pangu und den Gewürzländern im Südoſten von Aſien ſuchte. „Der größte geographiſche Jrrthum (die Jdee der Nähe von Spa- nien und Jndien) führte zu der größten geographiſchen Entdeckung.“ Chriſtoph Columbus und Amerigo Vespucci ſind beide in der feſten Ueberzeugung geſtorben, Oſt-Aſien (das gangetiſche Jndien, die Halbinſel, auf der Cattigara liegt) berührt zu haben. Um den Ruhm der Entdeckung eines Neuen Continents konnte daher zwiſchen beiden kein Streit entſtehen. Jn Cuba wollte Columbus dem Gran Khan der Mongolen die Briefe ſeines Monarchen abgeben. Er glaubt ſich in Mangi, dem ſüdlichen Theil von Cat- han (China): er ſucht die von Marco-Polo beſchriebene Himmels- ſtadt Quinſay, jetzt Hang-tſcheu-fu. „Die Jnſel Española (Haiti), ſchreibt Columbus an den Papſt Alexander VI., ** iſt Tarſis, * Letronne, p. 105 und 123. ** Brief vom Monat Februar 1502 aus dem Archive des Herzogs von Veraguas. Die dritte Reiſe, in welcher der ſüdliche Continent von Amerika den 1. Auguſt 1498 entdeckt wurde (dreizehn Monate nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_schwankungen_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_schwankungen_1838/10
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40, hier S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_schwankungen_1838/10>, abgerufen am 03.12.2024.