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Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40.

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Ueber die Schwankungen

Ophir und Zipangu. Auf meiner zweiten Reise habe ich 1400
Jnseln und 333 Meilen des Continents von Asien (de la tierra
firme de Asia
) entdeckt." Dieses westindische Zipangu gab bald
Goldgeschiebe (pepitas de oro) von 8, 10, ja 20 Pfund Gewicht.
Das neu entdeckte Amerika wurde nun die Hauptquelle der edeln
Metalle. Der neue Strom ging von Westen nach Osten, ja er
durchschnitt bald Europa, weil bei zunehmendem Verkehr seit der
Umschiffung von Afrika, dem südlichen und östlichsten Asien mehr
Ersatz für Spezereien, Seide und Färbestoffe gegeben werden mußte.

Da vor der Entdeckung der Silbergruben von Tasco (1522)
am westlichen Abfall der mexikanischen Cordilleren Amerika nur
Gold lieferte, so fand sich schon die Königin Jsabella von Castilien
im Jahr 1497 bewogen, das gesetzmäßige Verhältniß der beiden edeln
Metalle zu einander beträchtlich zu ändern. Das frühe und bisher so
wenig beachtete Geldedikt von Medina* läßt sich nur durch diesen
Umstand und durch die Anhäufung des Goldes auf wenige Punkte von
Europa erklären. Jch habe an einem anderen Orte zu erweisen
gesucht, daß von 1492 bis 1500 die ganze Goldeinfuhr aus den

Sebastian Cabot's Entdeckung des nördlichen Continents), und die
vierte Reise, welche die ersten Nachrichten von einer westlichen Küste
des neuen Landes gab, bestätigten nur den alten Admiral in seiner
vorgefaßten Meinung. Daß er in dem Briefe an den Papst nach der
ihm eigenen Neigung, eine gewisse biblische Erudition zu zeigen, Tarsis,
Ophir und Zipangu als Synonyma von der Jnsel Santo Do-
mingo aufstellt, ist nicht Verwirrung der Jdeen, sondern hängt, wie
man aus andern Schriften des Columbus sieht, mit systematischen
Ansichten zusammen. Er hielt nicht etwa Jndien, sondern sogar Japan
(Zipangu) für das Ophir des Salomo, das er auch (nach den aus
Josephus bekannten Formen, Sopheira und Sophera) bisweilen So-
pora
nennt. Er nahm Tarsis (Tarschisch) nicht für das Jberische
Tartessus, sondern, wie die Septuaginta und viele Theologen
des Mittelalters, für ein nomen appellativum. Die salomonische
Schifffahrt war ihm nicht eine Doppelfahrt aus dem rothen und
Mittelmeere; sie ging ihm allein von Ezjongeber aus. Quinsay
kannte Columbus aus einem Briefe von Toscanelli, nicht aus
Marco-Polo, den er nie nennt, obgleich bisher das Gegentheil be-
hauptet worden ist.
* Memorias de la Real Acad. de la Historia T. VI, p. 525. Das
Edikt von Medina veränderte das alte gesetzliche Verhältniß von
1:11 in 1:10.

Ueber die Schwankungen

Ophir und Zipangu. Auf meiner zweiten Reiſe habe ich 1400
Jnſeln und 333 Meilen des Continents von Aſien (de la tierra
firme de Asia
) entdeckt.“ Dieſes weſtindiſche Zipangu gab bald
Goldgeſchiebe (pepitas de oro) von 8, 10, ja 20 Pfund Gewicht.
Das neu entdeckte Amerika wurde nun die Hauptquelle der edeln
Metalle. Der neue Strom ging von Weſten nach Oſten, ja er
durchſchnitt bald Europa, weil bei zunehmendem Verkehr ſeit der
Umſchiffung von Afrika, dem ſüdlichen und öſtlichſten Aſien mehr
Erſatz für Spezereien, Seide und Färbeſtoffe gegeben werden mußte.

Da vor der Entdeckung der Silbergruben von Tasco (1522)
am weſtlichen Abfall der mexikaniſchen Cordilleren Amerika nur
Gold lieferte, ſo fand ſich ſchon die Königin Jſabella von Caſtilien
im Jahr 1497 bewogen, das geſetzmäßige Verhältniß der beiden edeln
Metalle zu einander beträchtlich zu ändern. Das frühe und bisher ſo
wenig beachtete Geldedikt von Medina* läßt ſich nur durch dieſen
Umſtand und durch die Anhäufung des Goldes auf wenige Punkte von
Europa erklären. Jch habe an einem anderen Orte zu erweiſen
geſucht, daß von 1492 bis 1500 die ganze Goldeinfuhr aus den

Sebaſtian Cabot's Entdeckung des nördlichen Continents), und die
vierte Reiſe, welche die erſten Nachrichten von einer weſtlichen Küſte
des neuen Landes gab, beſtätigten nur den alten Admiral in ſeiner
vorgefaßten Meinung. Daß er in dem Briefe an den Papſt nach der
ihm eigenen Neigung, eine gewiſſe bibliſche Erudition zu zeigen, Tarſis,
Ophir und Zipangu als Synonyma von der Jnſel Santo Do-
mingo aufſtellt, iſt nicht Verwirrung der Jdeen, ſondern hängt, wie
man aus andern Schriften des Columbus ſieht, mit ſyſtematiſchen
Anſichten zuſammen. Er hielt nicht etwa Jndien, ſondern ſogar Japan
(Zipangu) für das Ophir des Salomo, das er auch (nach den aus
Joſephus bekannten Formen, Sopheira und Sophera) bisweilen So-
pora
nennt. Er nahm Tarſis (Tarſchiſch) nicht für das Jberiſche
Tarteſſus, ſondern, wie die Septuaginta und viele Theologen
des Mittelalters, für ein nomen appellativum. Die ſalomoniſche
Schifffahrt war ihm nicht eine Doppelfahrt aus dem rothen und
Mittelmeere; ſie ging ihm allein von Ezjongeber aus. Quinſay
kannte Columbus aus einem Briefe von Toscanelli, nicht aus
Marco-Polo, den er nie nennt, obgleich bisher das Gegentheil be-
hauptet worden iſt.
* Memorias de la Real Acad. de la Historia T. VI, p. 525. Das
Edikt von Medina veränderte das alte geſetzliche Verhältniß von
1:11 in 1:10.
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[10/0011] Ueber die Schwankungen Ophir und Zipangu. Auf meiner zweiten Reiſe habe ich 1400 Jnſeln und 333 Meilen des Continents von Aſien (de la tierra firme de Asia) entdeckt.“ Dieſes weſtindiſche Zipangu gab bald Goldgeſchiebe (pepitas de oro) von 8, 10, ja 20 Pfund Gewicht. Das neu entdeckte Amerika wurde nun die Hauptquelle der edeln Metalle. Der neue Strom ging von Weſten nach Oſten, ja er durchſchnitt bald Europa, weil bei zunehmendem Verkehr ſeit der Umſchiffung von Afrika, dem ſüdlichen und öſtlichſten Aſien mehr Erſatz für Spezereien, Seide und Färbeſtoffe gegeben werden mußte. Da vor der Entdeckung der Silbergruben von Tasco (1522) am weſtlichen Abfall der mexikaniſchen Cordilleren Amerika nur Gold lieferte, ſo fand ſich ſchon die Königin Jſabella von Caſtilien im Jahr 1497 bewogen, das geſetzmäßige Verhältniß der beiden edeln Metalle zu einander beträchtlich zu ändern. Das frühe und bisher ſo wenig beachtete Geldedikt von Medina * läßt ſich nur durch dieſen Umſtand und durch die Anhäufung des Goldes auf wenige Punkte von Europa erklären. Jch habe an einem anderen Orte zu erweiſen geſucht, daß von 1492 bis 1500 die ganze Goldeinfuhr aus den † * Memorias de la Real Acad. de la Historia T. VI, p. 525. Das Edikt von Medina veränderte das alte geſetzliche Verhältniß von 1:11[FORMEL] in 1:10[FORMEL]. † Sebaſtian Cabot's Entdeckung des nördlichen Continents), und die vierte Reiſe, welche die erſten Nachrichten von einer weſtlichen Küſte des neuen Landes gab, beſtätigten nur den alten Admiral in ſeiner vorgefaßten Meinung. Daß er in dem Briefe an den Papſt nach der ihm eigenen Neigung, eine gewiſſe bibliſche Erudition zu zeigen, Tarſis, Ophir und Zipangu als Synonyma von der Jnſel Santo Do- mingo aufſtellt, iſt nicht Verwirrung der Jdeen, ſondern hängt, wie man aus andern Schriften des Columbus ſieht, mit ſyſtematiſchen Anſichten zuſammen. Er hielt nicht etwa Jndien, ſondern ſogar Japan (Zipangu) für das Ophir des Salomo, das er auch (nach den aus Joſephus bekannten Formen, Sopheira und Sophera) bisweilen So- pora nennt. Er nahm Tarſis (Tarſchiſch) nicht für das Jberiſche Tarteſſus, ſondern, wie die Septuaginta und viele Theologen des Mittelalters, für ein nomen appellativum. Die ſalomoniſche Schifffahrt war ihm nicht eine Doppelfahrt aus dem rothen und Mittelmeere; ſie ging ihm allein von Ezjongeber aus. Quinſay kannte Columbus aus einem Briefe von Toscanelli, nicht aus Marco-Polo, den er nie nennt, obgleich bisher das Gegentheil be- hauptet worden iſt.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40, hier S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_schwankungen_1838/11>, abgerufen am 26.04.2024.