Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

man aus den, in der Bibel angegebenen Zahlen
des Höhen- und Längenmaßes der Gebäude u. s. w.
Namen oder Worte, aus denen man einen verbor-
genen Sinn folgert, wovon jedoch der Wahrheit
nach keine Sylbe in der Stelle selbst enthalten ist.

Die notarische Kabbala (Notarikon) ward
nach den Notarien, welche freilich nicht Erfinder
derselben waren, so genannt. Man bedient sich
ihrer gleichfalls auf verschiedene Art. Oft nimmt
man jeden Buchstaben eines Worts für den An-
fangsbuchstaben eines andern z. B. Tausch: Traue
Allen Unsern Schönen; Bern: Bedenke Erst, Re-
de Nachher. *) Oder man bedient sich blos der
Anfangsbuchstaben einzelner oder mehrerer Wörter
als Anfangsbuchstaben von andern z. B. Am An-
fang Schuf Gott Himmel Und Erde: Als Alles
Schlief Gieng Hans Und Ernst; oft gebraucht man
bloße Namen hiezu z. B. Wilhelm Scheerer, Wirk-

*) Ein Churfürst von Bayern, welcher aber wohl
nicht die Kabbala studiert haben mochte, schrieb einst
an eine Fensterscheibe das Wort Namur, und
äußerte gegen seine Hofleute, daß er dieses sich
wünschte! Man wunderte sich über dies sonderbare
Verlangen, da Namur so weit von seinen Staaten
entfernt sey. Nun machte er aber seine Auslegung:
nicht Namur, sondern Nürnberg, Augsburg, Mann-
heim, Ulm und Regensburg möchte er haben. Ein
Wunsch, der seinen Nachfolgern zum Theil erfüllt
ward.

man aus den, in der Bibel angegebenen Zahlen
des Hoͤhen- und Laͤngenmaßes der Gebaͤude u. ſ. w.
Namen oder Worte, aus denen man einen verbor-
genen Sinn folgert, wovon jedoch der Wahrheit
nach keine Sylbe in der Stelle ſelbſt enthalten iſt.

Die notariſche Kabbala (Notarikon) ward
nach den Notarien, welche freilich nicht Erfinder
derſelben waren, ſo genannt. Man bedient ſich
ihrer gleichfalls auf verſchiedene Art. Oft nimmt
man jeden Buchſtaben eines Worts fuͤr den An-
fangsbuchſtaben eines andern z. B. Tauſch: Traue
Allen Unſern Schoͤnen; Bern: Bedenke Erſt, Re-
de Nachher. *) Oder man bedient ſich blos der
Anfangsbuchſtaben einzelner oder mehrerer Woͤrter
als Anfangsbuchſtaben von andern z. B. Am An-
fang Schuf Gott Himmel Und Erde: Als Alles
Schlief Gieng Hans Und Ernſt; oft gebraucht man
bloße Namen hiezu z. B. Wilhelm Scheerer, Wirk-

*) Ein Churfuͤrſt von Bayern, welcher aber wohl
nicht die Kabbala ſtudiert haben mochte, ſchrieb einſt
an eine Fenſterſcheibe das Wort Namur, und
aͤußerte gegen ſeine Hofleute, daß er dieſes ſich
wuͤnſchte! Man wunderte ſich uͤber dies ſonderbare
Verlangen, da Namur ſo weit von ſeinen Staaten
entfernt ſey. Nun machte er aber ſeine Auslegung:
nicht Namur, ſondern Nuͤrnberg, Augsburg, Mann-
heim, Ulm und Regensburg moͤchte er haben. Ein
Wunſch, der ſeinen Nachfolgern zum Theil erfuͤllt
ward.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0110" n="76"/>
man aus den, in der Bibel angegebenen Zahlen<lb/>
des Ho&#x0364;hen- und La&#x0364;ngenmaßes der Geba&#x0364;ude u. &#x017F;. w.<lb/>
Namen oder Worte, aus denen man einen verbor-<lb/>
genen Sinn folgert, wovon jedoch der Wahrheit<lb/>
nach keine Sylbe in der Stelle &#x017F;elb&#x017F;t enthalten i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Die <hi rendition="#g">notari&#x017F;che Kabbala</hi> (Notarikon) ward<lb/>
nach den Notarien, welche freilich nicht Erfinder<lb/>
der&#x017F;elben waren, &#x017F;o genannt. Man bedient &#x017F;ich<lb/>
ihrer gleichfalls auf ver&#x017F;chiedene Art. Oft nimmt<lb/>
man jeden Buch&#x017F;taben eines Worts fu&#x0364;r den An-<lb/>
fangsbuch&#x017F;taben eines andern z. B. <hi rendition="#g">Tau&#x017F;ch:</hi> Traue<lb/>
Allen Un&#x017F;ern Scho&#x0364;nen; <hi rendition="#g">Bern:</hi> Bedenke Er&#x017F;t, Re-<lb/>
de Nachher. <note place="foot" n="*)">Ein Churfu&#x0364;r&#x017F;t von Bayern, welcher aber wohl<lb/>
nicht die Kabbala &#x017F;tudiert haben mochte, &#x017F;chrieb ein&#x017F;t<lb/>
an eine Fen&#x017F;ter&#x017F;cheibe das Wort <hi rendition="#g">Namur,</hi> und<lb/>
a&#x0364;ußerte gegen &#x017F;eine Hofleute, daß er die&#x017F;es &#x017F;ich<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chte! Man wunderte &#x017F;ich u&#x0364;ber dies &#x017F;onderbare<lb/>
Verlangen, da Namur &#x017F;o weit von &#x017F;einen Staaten<lb/>
entfernt &#x017F;ey. Nun machte er aber &#x017F;eine Auslegung:<lb/>
nicht Namur, &#x017F;ondern Nu&#x0364;rnberg, Augsburg, Mann-<lb/>
heim, Ulm und Regensburg mo&#x0364;chte er haben. Ein<lb/>
Wun&#x017F;ch, der &#x017F;einen Nachfolgern zum Theil erfu&#x0364;llt<lb/>
ward.</note> Oder man bedient &#x017F;ich blos der<lb/>
Anfangsbuch&#x017F;taben einzelner oder mehrerer Wo&#x0364;rter<lb/>
als Anfangsbuch&#x017F;taben von andern z. B. Am An-<lb/>
fang Schuf Gott Himmel Und Erde: Als Alles<lb/>
Schlief Gieng Hans Und Ern&#x017F;t; oft gebraucht man<lb/>
bloße Namen hiezu z. B. Wilhelm Scheerer, Wirk-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0110] man aus den, in der Bibel angegebenen Zahlen des Hoͤhen- und Laͤngenmaßes der Gebaͤude u. ſ. w. Namen oder Worte, aus denen man einen verbor- genen Sinn folgert, wovon jedoch der Wahrheit nach keine Sylbe in der Stelle ſelbſt enthalten iſt. Die notariſche Kabbala (Notarikon) ward nach den Notarien, welche freilich nicht Erfinder derſelben waren, ſo genannt. Man bedient ſich ihrer gleichfalls auf verſchiedene Art. Oft nimmt man jeden Buchſtaben eines Worts fuͤr den An- fangsbuchſtaben eines andern z. B. Tauſch: Traue Allen Unſern Schoͤnen; Bern: Bedenke Erſt, Re- de Nachher. *) Oder man bedient ſich blos der Anfangsbuchſtaben einzelner oder mehrerer Woͤrter als Anfangsbuchſtaben von andern z. B. Am An- fang Schuf Gott Himmel Und Erde: Als Alles Schlief Gieng Hans Und Ernſt; oft gebraucht man bloße Namen hiezu z. B. Wilhelm Scheerer, Wirk- *) Ein Churfuͤrſt von Bayern, welcher aber wohl nicht die Kabbala ſtudiert haben mochte, ſchrieb einſt an eine Fenſterſcheibe das Wort Namur, und aͤußerte gegen ſeine Hofleute, daß er dieſes ſich wuͤnſchte! Man wunderte ſich uͤber dies ſonderbare Verlangen, da Namur ſo weit von ſeinen Staaten entfernt ſey. Nun machte er aber ſeine Auslegung: nicht Namur, ſondern Nuͤrnberg, Augsburg, Mann- heim, Ulm und Regensburg moͤchte er haben. Ein Wunſch, der ſeinen Nachfolgern zum Theil erfuͤllt ward.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/110
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/110>, abgerufen am 21.11.2024.