Mittelpunkt ausgehen, und von denen einer den andern umgiebt, so wie sich die verschiedenen Ka- pseln oder Häute einer Zwiebel einander umschlies- sen. Der Kanal des Lichts (Adam Kadmon) steigt von dem höchsten Gipfel des obersten Lichts her- nieder, und geht in gerader Richtung durch alle jene Kreise oder Sephiroth von dem Mund der Höhlung bis zu dem untersten Theile des Gefässes hinab. Er ist ein Strahl des unendlichen aus- strömenden Lichts, und durch ihn ist Alles geschaf- fen, was da ist. Man stellt ihn dar unter der Gestalt eines aufrecht stehenden Mannes, mit er- hobenem, gen Himmel gerichteten Antlitz und zählt an seinen beiden Seiten, so wie an seiner Mitte zweihundert acht und vierzig Glieder. Er heißt Adam Kadmon, der erste Mensch, weil Gott ihn vor allen andern nach seinem Bilde gemacht hat; und daher ist er der Erstgeborne unter Allem, was da ist, mit dem Vater eines Wesens, und Alles, was gemacht ist, ist durch ihn gemacht.
Diese Jdeen sind, wie man sieht, zum Theil dieselben, welche das erste Kapitel des Evangeliums Johannes vom Logos und vom Lichte enthält. Cam- pegius Vitringa und andere Theologen geriethen daher auf den, für ihre Absicht gewiß nicht sehr glücklichen Einfall, die Dogmen von der Zeugung des eingebornen Sohnes Gottes vom Vater, vor seiner Menschwerdung, vor der Dreieinigkeit u. s. w. aus jenen kabbalistischen Lehrsätzen beweisen zu wol-
len.
Mittelpunkt ausgehen, und von denen einer den andern umgiebt, ſo wie ſich die verſchiedenen Ka- pſeln oder Haͤute einer Zwiebel einander umſchlieſ- ſen. Der Kanal des Lichts (Adam Kadmon) ſteigt von dem hoͤchſten Gipfel des oberſten Lichts her- nieder, und geht in gerader Richtung durch alle jene Kreiſe oder Sephiroth von dem Mund der Hoͤhlung bis zu dem unterſten Theile des Gefaͤſſes hinab. Er iſt ein Strahl des unendlichen aus- ſtroͤmenden Lichts, und durch ihn iſt Alles geſchaf- fen, was da iſt. Man ſtellt ihn dar unter der Geſtalt eines aufrecht ſtehenden Mannes, mit er- hobenem, gen Himmel gerichteten Antlitz und zaͤhlt an ſeinen beiden Seiten, ſo wie an ſeiner Mitte zweihundert acht und vierzig Glieder. Er heißt Adam Kadmon, der erſte Menſch, weil Gott ihn vor allen andern nach ſeinem Bilde gemacht hat; und daher iſt er der Erſtgeborne unter Allem, was da iſt, mit dem Vater eines Weſens, und Alles, was gemacht iſt, iſt durch ihn gemacht.
Dieſe Jdeen ſind, wie man ſieht, zum Theil dieſelben, welche das erſte Kapitel des Evangeliums Johannes vom Logos und vom Lichte enthaͤlt. Cam- pegius Vitringa und andere Theologen geriethen daher auf den, fuͤr ihre Abſicht gewiß nicht ſehr gluͤcklichen Einfall, die Dogmen von der Zeugung des eingebornen Sohnes Gottes vom Vater, vor ſeiner Menſchwerdung, vor der Dreieinigkeit u. ſ. w. aus jenen kabbaliſtiſchen Lehrſaͤtzen beweiſen zu wol-
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Mittelpunkt ausgehen, und von denen einer den
andern umgiebt, ſo wie ſich die verſchiedenen Ka-
pſeln oder Haͤute einer Zwiebel einander umſchlieſ-
ſen. Der Kanal des Lichts (Adam Kadmon) ſteigt
von dem hoͤchſten Gipfel des oberſten Lichts her-
nieder, und geht in gerader Richtung durch alle
jene Kreiſe oder Sephiroth von dem Mund der
Hoͤhlung bis zu dem unterſten Theile des Gefaͤſſes
hinab. Er iſt ein Strahl des unendlichen aus-
ſtroͤmenden Lichts, und durch ihn iſt Alles geſchaf-
fen, was da iſt. Man ſtellt ihn dar unter der
Geſtalt eines aufrecht ſtehenden Mannes, mit er-
hobenem, gen Himmel gerichteten Antlitz und zaͤhlt
an ſeinen beiden Seiten, ſo wie an ſeiner Mitte
zweihundert acht und vierzig Glieder. Er heißt
Adam Kadmon, der erſte Menſch, weil Gott
ihn vor allen andern nach ſeinem Bilde gemacht
hat; und daher iſt er der Erſtgeborne unter Allem,
was da iſt, mit dem Vater eines Weſens, und
Alles, was gemacht iſt, iſt durch ihn gemacht.
Dieſe Jdeen ſind, wie man ſieht, zum Theil
dieſelben, welche das erſte Kapitel des Evangeliums
Johannes vom Logos und vom Lichte enthaͤlt. Cam-
pegius Vitringa und andere Theologen geriethen
daher auf den, fuͤr ihre Abſicht gewiß nicht ſehr
gluͤcklichen Einfall, die Dogmen von der Zeugung
des eingebornen Sohnes Gottes vom Vater, vor
ſeiner Menſchwerdung, vor der Dreieinigkeit u. ſ. w.
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/114>, abgerufen am 24.11.2024.
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