Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

len. Sie bedachten nicht, daß, wenn man dies
will, man den Kabbalisten einräumen muß, daß
sie wirklich die Thorah Schäbeal - peh oder das
mündliche Gesetz als unmittelbare Offenbarung von
Gott empfangen haben. Giebt man ihnen das zu,
so sehe ich keinen Grund, warum man blos das
schriftliche, und nicht auch das mündliche, im Tal-
mud enthaltene Gesetz der Juden, oder ihre Ueber-
lieferungen, als göttliche Offenbarungen annehmen
will? Man hat mich oft als zu partheyischen Feind
der Juden verlästert; ich fürchte jetzt gar, man
wird mich als einen heimlichen Anhänger und Mis-
sionär derselben verketzern.

Aber -- woher jene Gleichheit? Daß die höchst
erbitterten Feinde der Christen, die Juden, diese
Jdeen aus dem Evangelium Johannis sollten er-
borgt haben, ist unglaublich. Wahrscheinlich herrsch-
ten sie schon zu den Zeiten des Johannes unter den
Jsraeliten, und der Apostel, selbst ein geborner
Jude, behielt sie von seinen vorigen Glaubensge-
nossen bei, um diesen dadurch die Lehre Jesu noch
mehr zu empfehlen. Vielleicht wurden aber auch
von dem heiligen Geiste selbst ihm diese Lehrsätze
als göttliche Offenbarungen bestätigt, und er zur
Verbreitung derselben angetrieben.

Die Sephiroth sind Mittelwesen, welche die er-
ste Ursache d. h. den in sich verborgenen Gott vor-
stellen, weil sie Ausflüsse des letztern sind und da-
her alles hervorbringen und regieren. Sie sind end-

I. Bändchen. 10

len. Sie bedachten nicht, daß, wenn man dies
will, man den Kabbaliſten einraͤumen muß, daß
ſie wirklich die Thorah Schaͤbeal ‒ peh oder das
muͤndliche Geſetz als unmittelbare Offenbarung von
Gott empfangen haben. Giebt man ihnen das zu,
ſo ſehe ich keinen Grund, warum man blos das
ſchriftliche, und nicht auch das muͤndliche, im Tal-
mud enthaltene Geſetz der Juden, oder ihre Ueber-
lieferungen, als goͤttliche Offenbarungen annehmen
will? Man hat mich oft als zu partheyiſchen Feind
der Juden verlaͤſtert; ich fuͤrchte jetzt gar, man
wird mich als einen heimlichen Anhaͤnger und Miſ-
ſionaͤr derſelben verketzern.

Aber — woher jene Gleichheit? Daß die hoͤchſt
erbitterten Feinde der Chriſten, die Juden, dieſe
Jdeen aus dem Evangelium Johannis ſollten er-
borgt haben, iſt unglaublich. Wahrſcheinlich herrſch-
ten ſie ſchon zu den Zeiten des Johannes unter den
Jſraeliten, und der Apoſtel, ſelbſt ein geborner
Jude, behielt ſie von ſeinen vorigen Glaubensge-
noſſen bei, um dieſen dadurch die Lehre Jeſu noch
mehr zu empfehlen. Vielleicht wurden aber auch
von dem heiligen Geiſte ſelbſt ihm dieſe Lehrſaͤtze
als goͤttliche Offenbarungen beſtaͤtigt, und er zur
Verbreitung derſelben angetrieben.

Die Sephiroth ſind Mittelweſen, welche die er-
ſte Urſache d. h. den in ſich verborgenen Gott vor-
ſtellen, weil ſie Ausfluͤſſe des letztern ſind und da-
her alles hervorbringen und regieren. Sie ſind end-

I. Baͤndchen. 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0115" n="81"/>
len. Sie bedachten nicht, daß, wenn man dies<lb/>
will, man den Kabbali&#x017F;ten einra&#x0364;umen muß, daß<lb/>
&#x017F;ie wirklich die Thorah Scha&#x0364;beal &#x2012; peh oder das<lb/>
mu&#x0364;ndliche Ge&#x017F;etz als unmittelbare Offenbarung von<lb/>
Gott empfangen haben. Giebt man ihnen das zu,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehe ich keinen Grund, warum man blos das<lb/>
&#x017F;chriftliche, und nicht auch das mu&#x0364;ndliche, im Tal-<lb/>
mud enthaltene Ge&#x017F;etz der Juden, oder ihre Ueber-<lb/>
lieferungen, als go&#x0364;ttliche Offenbarungen annehmen<lb/>
will? Man hat mich oft als zu partheyi&#x017F;chen Feind<lb/>
der Juden verla&#x0364;&#x017F;tert; ich fu&#x0364;rchte jetzt gar, man<lb/>
wird mich als einen heimlichen Anha&#x0364;nger und Mi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;iona&#x0364;r der&#x017F;elben verketzern.</p><lb/>
        <p>Aber &#x2014; woher jene Gleichheit? Daß die ho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
erbitterten Feinde der Chri&#x017F;ten, die Juden, die&#x017F;e<lb/>
Jdeen aus dem Evangelium Johannis &#x017F;ollten er-<lb/>
borgt haben, i&#x017F;t unglaublich. Wahr&#x017F;cheinlich herr&#x017F;ch-<lb/>
ten &#x017F;ie &#x017F;chon zu den Zeiten des Johannes unter den<lb/>
J&#x017F;raeliten, und der Apo&#x017F;tel, &#x017F;elb&#x017F;t ein geborner<lb/>
Jude, behielt &#x017F;ie von &#x017F;einen vorigen Glaubensge-<lb/>
no&#x017F;&#x017F;en bei, um die&#x017F;en dadurch die Lehre Je&#x017F;u noch<lb/>
mehr zu empfehlen. Vielleicht wurden aber auch<lb/>
von dem heiligen Gei&#x017F;te &#x017F;elb&#x017F;t ihm die&#x017F;e Lehr&#x017F;a&#x0364;tze<lb/>
als go&#x0364;ttliche Offenbarungen be&#x017F;ta&#x0364;tigt, und er zur<lb/>
Verbreitung der&#x017F;elben angetrieben.</p><lb/>
        <p>Die <hi rendition="#g">Sephiroth</hi> &#x017F;ind Mittelwe&#x017F;en, welche die er-<lb/>
&#x017F;te Ur&#x017F;ache d. h. den in &#x017F;ich verborgenen Gott vor-<lb/>
&#x017F;tellen, weil &#x017F;ie Ausflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e des letztern &#x017F;ind und da-<lb/>
her alles hervorbringen und regieren. Sie &#x017F;ind end-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">I.</hi> Ba&#x0364;ndchen. 10</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0115] len. Sie bedachten nicht, daß, wenn man dies will, man den Kabbaliſten einraͤumen muß, daß ſie wirklich die Thorah Schaͤbeal ‒ peh oder das muͤndliche Geſetz als unmittelbare Offenbarung von Gott empfangen haben. Giebt man ihnen das zu, ſo ſehe ich keinen Grund, warum man blos das ſchriftliche, und nicht auch das muͤndliche, im Tal- mud enthaltene Geſetz der Juden, oder ihre Ueber- lieferungen, als goͤttliche Offenbarungen annehmen will? Man hat mich oft als zu partheyiſchen Feind der Juden verlaͤſtert; ich fuͤrchte jetzt gar, man wird mich als einen heimlichen Anhaͤnger und Miſ- ſionaͤr derſelben verketzern. Aber — woher jene Gleichheit? Daß die hoͤchſt erbitterten Feinde der Chriſten, die Juden, dieſe Jdeen aus dem Evangelium Johannis ſollten er- borgt haben, iſt unglaublich. Wahrſcheinlich herrſch- ten ſie ſchon zu den Zeiten des Johannes unter den Jſraeliten, und der Apoſtel, ſelbſt ein geborner Jude, behielt ſie von ſeinen vorigen Glaubensge- noſſen bei, um dieſen dadurch die Lehre Jeſu noch mehr zu empfehlen. Vielleicht wurden aber auch von dem heiligen Geiſte ſelbſt ihm dieſe Lehrſaͤtze als goͤttliche Offenbarungen beſtaͤtigt, und er zur Verbreitung derſelben angetrieben. Die Sephiroth ſind Mittelweſen, welche die er- ſte Urſache d. h. den in ſich verborgenen Gott vor- ſtellen, weil ſie Ausfluͤſſe des letztern ſind und da- her alles hervorbringen und regieren. Sie ſind end- I. Baͤndchen. 10

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/115
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/115>, abgerufen am 21.11.2024.