Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite



und der Chasan ruft fünf Männer zum Mitlesen
einiger Kapitel und Opfergesetze auf. Außer gewis-
sen, für jeden Pfingsttag bestimmten Psalmen, die
man stehend hersagt, muß Jeder, der während ei-
nem Jahre seinen Vater oder seine Mutter verlor,
das Kadesch oder Kaddisch *) in der Synagoge
laut beten, und alle Anwesenden antworten Amen
Jche Schemaraba
! d. h. Ja, er, der Verstor-
bene, soll Theil am ewigen Leben haben. Das
Kaddisch darf nur in Gegenwart von zehn Manns-
personen, die wenigstens dreizehn Jahr und einen
Tag alt seyn müssen, gesprochen werden. Wenn
man es am fünften Sivan betet, laufen Jsraels
gottesfürchtige Kindlein alle "mit Stürmen" in
den Tempel, als ob der Messias käme, und dann
dauert die Andacht oft lange bis nach Sonnenauf-
gang des folgenden Tages.

Da jetzt die Opfer hinwegfallen, so sind die
kirchlichen Feierlichkeiten am Pfingstfeste weniger
bedeutend, als an den übrigen hohen Festtagen oder
Schabosch Regalim. An den Nachmittagen wird in
der Regel gepredigt und aus dem Buche Ruth vor-
gelesen, weil die darin erzählte Geschichte sich in
dieser Jahrzeit soll zugetragen haben. Mit dem

*) Vom Kaddisch sehe man auch S. 231 des ersten
Bandes, wo es aber unrichtig Raddisch genannt
ist.
28 *



und der Chaſan ruft fuͤnf Maͤnner zum Mitleſen
einiger Kapitel und Opfergeſetze auf. Außer gewiſ-
ſen, fuͤr jeden Pfingſttag beſtimmten Pſalmen, die
man ſtehend herſagt, muß Jeder, der waͤhrend ei-
nem Jahre ſeinen Vater oder ſeine Mutter verlor,
das Kadeſch oder Kaddiſch *) in der Synagoge
laut beten, und alle Anweſenden antworten Amen
Jche Schemaraba
! d. h. Ja, er, der Verſtor-
bene, ſoll Theil am ewigen Leben haben. Das
Kaddiſch darf nur in Gegenwart von zehn Manns-
perſonen, die wenigſtens dreizehn Jahr und einen
Tag alt ſeyn muͤſſen, geſprochen werden. Wenn
man es am fuͤnften Sivan betet, laufen Jſraels
gottesfuͤrchtige Kindlein alle »mit Stuͤrmen« in
den Tempel, als ob der Meſſias kaͤme, und dann
dauert die Andacht oft lange bis nach Sonnenauf-
gang des folgenden Tages.

Da jetzt die Opfer hinwegfallen, ſo ſind die
kirchlichen Feierlichkeiten am Pfingſtfeſte weniger
bedeutend, als an den uͤbrigen hohen Feſttagen oder
Schaboſch Regalim. An den Nachmittagen wird in
der Regel gepredigt und aus dem Buche Ruth vor-
geleſen, weil die darin erzaͤhlte Geſchichte ſich in
dieſer Jahrzeit ſoll zugetragen haben. Mit dem

*) Vom Kaddiſch ſehe man auch S. 231 des erſten
Bandes, wo es aber unrichtig Raddiſch genannt
iſt.
28 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0331" n="331"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
und der Cha&#x017F;an ruft fu&#x0364;nf Ma&#x0364;nner zum Mitle&#x017F;en<lb/>
einiger Kapitel und Opferge&#x017F;etze auf. Außer gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, fu&#x0364;r jeden Pfing&#x017F;ttag be&#x017F;timmten P&#x017F;almen, die<lb/>
man &#x017F;tehend her&#x017F;agt, muß Jeder, der wa&#x0364;hrend ei-<lb/>
nem Jahre &#x017F;einen Vater oder &#x017F;eine Mutter verlor,<lb/>
das <hi rendition="#g">Kade&#x017F;ch</hi> oder <hi rendition="#g">Kaddi&#x017F;ch</hi> <note place="foot" n="*)">Vom <hi rendition="#g">Kaddi&#x017F;ch</hi> &#x017F;ehe man auch S. 231 des er&#x017F;ten<lb/>
Bandes, wo es aber unrichtig <hi rendition="#g">Raddi&#x017F;ch</hi> genannt<lb/>
i&#x017F;t.</note> in der Synagoge<lb/>
laut beten, und alle Anwe&#x017F;enden antworten <hi rendition="#g">Amen<lb/>
Jche Schemaraba</hi>! d. h. Ja, er, der Ver&#x017F;tor-<lb/>
bene, &#x017F;oll Theil am ewigen Leben haben. Das<lb/>
Kaddi&#x017F;ch darf nur in Gegenwart von zehn Manns-<lb/>
per&#x017F;onen, die wenig&#x017F;tens dreizehn Jahr und einen<lb/>
Tag alt &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, ge&#x017F;prochen werden. Wenn<lb/>
man es am fu&#x0364;nften Sivan betet, laufen J&#x017F;raels<lb/>
gottesfu&#x0364;rchtige Kindlein alle »<hi rendition="#g">mit Stu&#x0364;rmen</hi>« in<lb/>
den Tempel, als ob der Me&#x017F;&#x017F;ias ka&#x0364;me, und dann<lb/>
dauert die Andacht oft lange bis nach Sonnenauf-<lb/>
gang des folgenden Tages.</p><lb/>
        <p>Da jetzt die Opfer hinwegfallen, &#x017F;o &#x017F;ind die<lb/>
kirchlichen Feierlichkeiten am Pfing&#x017F;tfe&#x017F;te weniger<lb/>
bedeutend, als an den u&#x0364;brigen hohen Fe&#x017F;ttagen oder<lb/>
Schabo&#x017F;ch Regalim. An den Nachmittagen wird in<lb/>
der Regel gepredigt und aus dem Buche Ruth vor-<lb/>
gele&#x017F;en, weil die darin erza&#x0364;hlte Ge&#x017F;chichte &#x017F;ich in<lb/>
die&#x017F;er Jahrzeit &#x017F;oll zugetragen haben. Mit dem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">28 *</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[331/0331] und der Chaſan ruft fuͤnf Maͤnner zum Mitleſen einiger Kapitel und Opfergeſetze auf. Außer gewiſ- ſen, fuͤr jeden Pfingſttag beſtimmten Pſalmen, die man ſtehend herſagt, muß Jeder, der waͤhrend ei- nem Jahre ſeinen Vater oder ſeine Mutter verlor, das Kadeſch oder Kaddiſch *) in der Synagoge laut beten, und alle Anweſenden antworten Amen Jche Schemaraba! d. h. Ja, er, der Verſtor- bene, ſoll Theil am ewigen Leben haben. Das Kaddiſch darf nur in Gegenwart von zehn Manns- perſonen, die wenigſtens dreizehn Jahr und einen Tag alt ſeyn muͤſſen, geſprochen werden. Wenn man es am fuͤnften Sivan betet, laufen Jſraels gottesfuͤrchtige Kindlein alle »mit Stuͤrmen« in den Tempel, als ob der Meſſias kaͤme, und dann dauert die Andacht oft lange bis nach Sonnenauf- gang des folgenden Tages. Da jetzt die Opfer hinwegfallen, ſo ſind die kirchlichen Feierlichkeiten am Pfingſtfeſte weniger bedeutend, als an den uͤbrigen hohen Feſttagen oder Schaboſch Regalim. An den Nachmittagen wird in der Regel gepredigt und aus dem Buche Ruth vor- geleſen, weil die darin erzaͤhlte Geſchichte ſich in dieſer Jahrzeit ſoll zugetragen haben. Mit dem *) Vom Kaddiſch ſehe man auch S. 231 des erſten Bandes, wo es aber unrichtig Raddiſch genannt iſt. 28 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/331
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/331>, abgerufen am 01.06.2024.