Die Neugier ist bei Jsraels Kindern zu groß, als daß nicht Jeder gerne wissen möchte, was der Himmel über ihn beschlossen hat. Zu dem Ende gehen sie in der Nacht vom siebenten auf den ach- ten Tag des Laubhüttenfestes mit angestvoll klopfen- dem Herzen im Hemde und mit bloßem Kopf, oft ganz nackt, und nur mit einem Tuche umhüllt, welches sie nachher von sich werfen, aus ihren Häusern in den Mondenschein. Dort betrachten sie, die Arme von sich gestreckt und die Finger aus ein- ander gespreitet, ihren Schatten. Fehlt an diesem der Kopf, so stirbt man im laufenden Jahr; läßt sich ein Finger nicht sehen, dann büßt man einen seiner besten Freunde ein; wer seine rechte Hand am Schatten nicht wahrnimmt, der verliert einen Sohn; vermißt er die linke, so stirbt ihm eine Toch- ter, und wenn er etwa keine Kinder hat, dann trifft ihn ein anderes Unglück. Wer endlich gar keinen Schatten sieht, der muß in den ersten Ta- gen oder Wochen sterben, und kehrt, wenn er ver- reisen will, nicht wieder heim. Dies Alles soll nach den Behauptungen der berühmtesten Rabbinen, eines Moses Ben Maimon oder Maimonides, Rambam von den Juden genannt, eines Bechai, Menachem von Rekanat und Anderer in den weni- gen Worten enthalten seyn: ihr Schatten ist von ihnen gewichen *). Wie viel Tollheiten haben alberne
*) 4 B. Mos. Kap. 14. V. 9. Nach den christlichen
Die Neugier iſt bei Jſraels Kindern zu groß, als daß nicht Jeder gerne wiſſen moͤchte, was der Himmel uͤber ihn beſchloſſen hat. Zu dem Ende gehen ſie in der Nacht vom ſiebenten auf den ach- ten Tag des Laubhuͤttenfeſtes mit angeſtvoll klopfen- dem Herzen im Hemde und mit bloßem Kopf, oft ganz nackt, und nur mit einem Tuche umhuͤllt, welches ſie nachher von ſich werfen, aus ihren Haͤuſern in den Mondenſchein. Dort betrachten ſie, die Arme von ſich geſtreckt und die Finger aus ein- ander geſpreitet, ihren Schatten. Fehlt an dieſem der Kopf, ſo ſtirbt man im laufenden Jahr; laͤßt ſich ein Finger nicht ſehen, dann buͤßt man einen ſeiner beſten Freunde ein; wer ſeine rechte Hand am Schatten nicht wahrnimmt, der verliert einen Sohn; vermißt er die linke, ſo ſtirbt ihm eine Toch- ter, und wenn er etwa keine Kinder hat, dann trifft ihn ein anderes Ungluͤck. Wer endlich gar keinen Schatten ſieht, der muß in den erſten Ta- gen oder Wochen ſterben, und kehrt, wenn er ver- reiſen will, nicht wieder heim. Dies Alles ſoll nach den Behauptungen der beruͤhmteſten Rabbinen, eines Moſes Ben Maimon oder Maimonides, Rambam von den Juden genannt, eines Bechai, Menachem von Rekanat und Anderer in den weni- gen Worten enthalten ſeyn: ihr Schatten iſt von ihnen gewichen *). Wie viel Tollheiten haben alberne
*) 4 B. Moſ. Kap. 14. V. 9. Nach den chriſtlichen
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Die Neugier iſt bei Jſraels Kindern zu groß,
als daß nicht Jeder gerne wiſſen moͤchte, was der
Himmel uͤber ihn beſchloſſen hat. Zu dem Ende
gehen ſie in der Nacht vom ſiebenten auf den ach-
ten Tag des Laubhuͤttenfeſtes mit angeſtvoll klopfen-
dem Herzen im Hemde und mit bloßem Kopf, oft
ganz nackt, und nur mit einem Tuche umhuͤllt,
welches ſie nachher von ſich werfen, aus ihren
Haͤuſern in den Mondenſchein. Dort betrachten ſie,
die Arme von ſich geſtreckt und die Finger aus ein-
ander geſpreitet, ihren Schatten. Fehlt an dieſem
der Kopf, ſo ſtirbt man im laufenden Jahr; laͤßt
ſich ein Finger nicht ſehen, dann buͤßt man einen
ſeiner beſten Freunde ein; wer ſeine rechte Hand
am Schatten nicht wahrnimmt, der verliert einen
Sohn; vermißt er die linke, ſo ſtirbt ihm eine Toch-
ter, und wenn er etwa keine Kinder hat, dann
trifft ihn ein anderes Ungluͤck. Wer endlich gar
keinen Schatten ſieht, der muß in den erſten Ta-
gen oder Wochen ſterben, und kehrt, wenn er ver-
reiſen will, nicht wieder heim. Dies Alles ſoll
nach den Behauptungen der beruͤhmteſten Rabbinen,
eines Moſes Ben Maimon oder Maimonides,
Rambam von den Juden genannt, eines Bechai,
Menachem von Rekanat und Anderer in den weni-
gen Worten enthalten ſeyn: ihr Schatten iſt von
ihnen gewichen *). Wie viel Tollheiten haben alberne
*) 4 B. Moſ. Kap. 14. V. 9. Nach den chriſtlichen
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/347>, abgerufen am 22.11.2024.
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